Dominic Dale: „Manchmal musst du dich selbst überlisten“

Der Waliser Dominic Dale (39) lebt seit drei Jahren in Wien. Im sportreport-Interview erzählt der Wahl-Wiener, was ihn in die Hauptstadt geführt hat, wie er ein Break aufbaut und warum er nicht Auto fährt.

Sportreport: Dominic, Du bist ein Snooker-Profi aus Wales und lebst in Wien. Eine ungewöhnliche Konstellation. Wie kam es dazu?
Dominic Dale: (schmunzelt) Ich habe bei einem Turnier für das Fernsehen gearbeitet – ich denke, es waren die World Snooker Open. Dabei habe ich eine Frau aus Wien kennen gelernt. Wir sind nach diesen Turnier in Kontakt geblieben. Danach kamen die Austrian Open in Wels. Zu dieser Zeit habe ich mein Haus in Wales verkauft. Ich habe sie in Wien einige Male besucht und ich habe mich sofort in diese Stadt verliebt. Hier lebst auf einen extrem hohen Niveau. 2008 habe ich mich dann entschlossen, meinen Wohnsitz nach Wien zu verlegen.
Nach etwa eineinhalb Jahren haben wir uns dann getrennt. Ich habe mich dann aber entschieden in Wien zu bleiben. Die Stadt ist einfach toll. Ich habe mittlerweile sehr viele Freunde hier. Und es ist kein Problem, zu den Turnieren zu reisen. Das einzige Problem in Wien sind die Trainingsbedingungen. Die Trainingspartner können mich nicht in jeder Einheit immer voll fordern. Aber ich ein Profi – daher weiß ich auch, was ich trainieren muss. Ein gutes Beispiel, dass du als Snooker-Profi nicht in England leben musst ist Peter Ebdon. Er wohnt in Budapest. Er spielt weiterhin sehr gut Snooker.

Sportreport: Du hast die Trainingsbedingungen in Wien angesprochen. Wenn dir die guten Trainingspartner fehlen – wie kannst du dann Trainingseinheiten von hoher Qualität erzielen?
Dominic Dale: Das ist nicht einfach. Manchmal musst du dich selbst überlisten. Ein Beispiel: Du legst zwei oder drei rote Bälle auf den Tisch und die farbigen Kugeln auf ihre Spots und setzt dich selbst unter Druck: Der Frame ist ausgeglichen und jeder Ball zählt! Du hast einen schwierigen roten Ball, und wenn du den lochst, hast du die Möglichkeit den ganzen Tisch abzuräumen. In diese Situation versuchst du dich mental zu versetzen. Es ist natürlich nicht das Gleiche, als wenn du im Training mit einem Weltklassespieler bist.
Wenn du an einen ungewöhnlichen Ort für eine Sportart lebst – wo die Trainingsbedingungen nicht die Besten sind – ist die mentale Einstellung besonders wichtig. Wenn du verstehst, dass es nicht einfach ist und du hart an dir und der Situation arbeitest dann kannst du dich selbst und deine Umgebung positiv verbessern.

Sportreport: Welchen Stellenwert hat Wien in deinem Leben?
Dominic Dale: Mein Lebensmittelpunkt ist hier. Ich liebe diese Stadt und die Menschen. Es ist hier einfach ein besonderes Flair. Wien ist eine Metropole aber trotzdem noch familiär. Die Lebensqualität ist ungewöhnlich hoch hier. Ich kenne kaum eine Stadt die über ein so gutes öffentliches Verkehrsnetz verfügt wie Wien. Die Stadt ist extrem sicher. Die Verbrechensrate ist extrem niedrig – im Vergleich zu anderen Metropolen. Hier lässt es sich wirklich ausgezeichnet leben.

Sportreport: Gibt es aus deiner Sicht als auch negative Punkte an Wien?
Dominic Dale: Ja, der Autoverkehr! Auf der britischen Insel bin ich es gewohnt links zu fahren und rechts hinterm Steuer zu sitzen. Das ist mir hier zu kompliziert (lacht). Aber ich brauche nicht wirklich ein Auto. Ich wohne nur wenige Minuten von meiner Trainingsstätte entfernt. Wenn ich zum Flughafen muss bin ich in etwa einer halben Stunde dort.

Sportreport: Was bedeutet dir die Zahl 147?
Dominic Dale: Gute Frage. Es ist in erster Linie das Maximum Break. Natürlich will ich das in jedem Frame erreichen. Es sind mir auch schon einige gelungen. Auch bei der Weltmeisterschaft in Sheffield. Na ja, nicht direkt bei der Weltmeisterschaft (schmunzelt). Ehrlich gesagt war es nur an einem Trainingstisch. Aber natürlich ist es etwas besonders ein Maximum Break zu erreichen.

Sportreport: Für viele Zuschauer und Fans ist es bewundernswert, wie ein Profi ein Break vorbereitet und aufbaut. Wie viele Stöße denkst du im voraus?
Dominic Dale: Generell denke ich drei Stöße voraus. Das heißt, ich weiß immer, wo ich den Spielball hinplatzieren möchte und wo der Objektball hinlaufen soll. Ich weiß, welche Frage du mir jetzt stellen willst: Ja, natürlich habe ich einen ‚Plan B’ im Kopf – was passiert, wenn etwas Unverhersehbares eintritt? Ich denke, dass eine gute Aufnahme auch von einem guten Plan B lebt.

Sportreport: Snooker befindet sich im Wandel. Das Zuschauerinteresse auch in England war rückläufig. Wie glaubst Du kann Snooker diesem Trend entgegenwirken? Hast Du Verbesserungsvorschläge?
Dominic Dale: Es gibt viele Ideen die aufgegriffen und gespielt werden. Ich persönlich denke, dass Barry Hearn der beste Mann dafür ist. Er hat zum Beispiel Darts, auch hier in Europa, sehr populär gemacht. Ich denke, dass er mit seinen Ideen einiges bewirken kann. Ob ich Ideen habe (schmunzelt)? Dafür gibt es Köpfe wie Barry – die auf diesem Gebiet einfach besser sind als ich.

Sportreport: Phil ‚the Power’ Taylor ist der Botschafter für Darts. Im Snooker hat Steve Davis die Rolle seit vielen Jahren. Wie siehst Du ihn als Spieler und als Menschen?
Dominic Dale: Steve Davis ist ein sehr guter und würdiger Vertreter der Snooker-Profis. Ich kenne ihn seit vielen, vielen Jahren. Wir waren einige Jahre nicht unbedingt die besten Freunde. Wahrscheinlich hat er zuviel gewonnen (lacht). Mittlerweile ist Steve aber ein sehr guter Freund von mir. Er ist ein toller Mensch und verfügt über einen sehr feinen Humor.

Sportreport: Über viele Jahre hat Steve Davis den Sport dominiert. Damals war er unpopulär – heute ist er ein Volksheld. Woran liegt das?
Dominic Dale: Gute Frage. Ich denke, das ist eine generelle Frage im Sport. Dominierst du zu sehr, fliegen dir nicht die Sympathien der Fans zu. Natürlich wirst du über eine breite Fanbasis verfügen – aber ich glaube nicht, dass du im Snooker einen Hype erzeugen kannst wie bei Phil Taylor. Steve hat sich aus meiner Sicht nicht großartig verändert. Er ist derselbe Mensch wie vor zwanzig Jahren. Aber er ist ‚menschlicher’ geworden. Jeder von uns kennt das Gefühl zu verlieren. Es ist nicht angenehm. Steve geht mit einer Niederlage sehr respektvoll um. Das gefällt den Menschen. Ich denke, das ist wohl das Geheimnis seines Erfolgs beim Publikum. Ich hoffe, dass er uns noch viele, viele Jahre erhalten bleibt. Er ist einfach ein positives Unikat und wir alle haben ihm viel zu verdanken.

Sportreport: Im Fernsehen werden kaum noch Trickshot-Veranstaltungen gezeigt. Wie denkst Du darüber und trainierst Du Trickstöße?
Dominic Dale: Ja, leider wird wenig gezeigt – das ist schade. Trickstoß-Wettkämpfe sind spektakulär und sind bei den Fans immer sehr populär. Aber vielleicht ändert sich in absehbarer Zukunft etwas. Ich mag Trickstöße. Sie sind sehr unterhaltsam und ich trainiere sie laufend.

Sportreport: Die Vienna Snooker Open in Wien wären ohne Dich wohl kaum möglich. Wie schwierig ist es, deine Profi-Kollegen davon zu überzeugen, nach Wien zu kommen?
Dominic Dale: Das ist nicht so schwierig. Es gibt viele, die mich auf Wien ansprechen. Wie die Lebensqualität ist und was hier in der Stadt alles möglich ist. Die meisten kennen Wien durchaus und sind sehr neugierig. Ich denke, das Turnier selbst ist auf einem sehr guten Weg. Möglicherweise gelingt es uns ja, einige Topstars zu holen.

Sportreport: War es – aus Deiner Sicht – richtig mit dem Turnier von Wels nach Wien zu übersiedeln?
Dominic Dale: Wels ist eine sehr schöne Stadt. Klein, aber wunderschön. Aus meiner Sicht hat die Organisation in Wels stets einen guten Job gemacht. Ich denke aber, dass es ein logischer Schritt war. Jedes Turnier entwickelt sich weiter. Aber aus meiner Sicht ist auch Wels ein sehr guter Boden für Snooker.

Sportreport: Wie siehst Du Deine persönliche Zukunft?
Dominic Dale: Ich möchte auf alle Fälle noch einige Jahre als Snooker-Profi aktiv bleiben. Was danach passiert? Wer kann schon in die Zukunft blicken (schmunzelt)? Naja, zugegeben – ich würde es gerne können!

14.04.2011


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