Annemarie Moser-Pröll: Jetzt genieße ich das Leben wieder

Sie ist eine Jahrhundertikone des österreichischen Skisports: Annemarie Moser-Pröll gewann in ihrer einzigartigen Karriere praktisch alle wichtigen Bewerbe. Im sportreport-Interview sprach die Ski-Legende mit Thomas Muck über den Skisport, die Gefährlichkeit des Materials und warum sie ihr Leben jetzt wieder genießen kann.

Sportreport: Frau Moser-Pröll. Sie sind eine sportliche Legende und wurden bei der Sporthilfe-Aktion „Trag deine Legende“ auch offiziell als eine deklariert. Wir war es für sie, als die Anfrage für diese Aktion kam?
Annemarie Moser-Pröll: Es war selbstverständlich, dass ich mich zur Verfügung stelle. Der Grund ist einfach. Weil ich weiß, wie wichtig es für junge Sportler ist, unterstützt zu werden. Ich habe ich nicht lange überlegt und sofort zugesagt.

Sportreport: Sie sind eine Jahrhundert-Sportlerin und haben durch ihre Erfolge viele Menschen beeinflusst. Wie fühlt sich der Gedanke an, jetzt von Menschen am Handgelenk getragen zu werden?
Moser-Pröll: Ich persönlich trage es schon mal gerne (Anm.: zeigt ihr Legendenarmband). Ich bin sehr stolz, dass ich auf diesen Legendenarmband verewigt wurde. Ich werde auf alle Fälle meinem Enkelkind auch eines kaufen. Denn so unterstütze ich auch einen jungen Sportler.

Sportreport: Es ist uncharmant, das Alter einer Dame zu verraten. Sie sind bereits in Pension. Sind sie weiter in einer Funktion dem Sport verbunden? Verfolgen sie den aktiven Skisport?
Moser-Pröll: Ich verfolge den Weltcup und gehe mittlerweile wieder sehr gerne Skifahren. Ich habe jetzt wieder die Zeit dazu. Ich fahre wieder leidenschaftlich gerne. Es macht mir großen Spaß in der Natur zu sein. Da bekommst du einfach Lust aufs Skifahren.

Annemarie Moser-Pröll (Wien 2011)

Annemarie Moser-Pröll (Wien 2011)

Sportreport: In den letzten Jahren waren die aggressiven Ski immer mehr ein Thema. Kann man das Material mit ihrer aktiven Zeit vergleichen?
Moser-Pröll: Es hat sich natürlich sehr viel durch das Material geändert. Es ist viel gefährlicher geworden als zu unserer Zeit. Die Geschwindigkeiten in den Kurven sind enorm geworden. Ich glaube, es muss ein Umdenken passieren. Denn es geht um Menschenleben. Es ist einfach sehr gefährlich geworden.

Sportreport: Heute verdienen die Topläufer im Weltcup durchaus viel Geld. Blickt man als ehemalige Skigröße dann etwas neidisch auf diese Zahlen?
Moser-Pröll: Überhaupt nicht. Meine Zeit war völlig anders! Die Sportler leisten Großartiges. Sie verdienen sich jeden Euro sehr hart und setzen – aufgrund des aggressiven Materials – ihre Gesundheit aufs Spiel. Wie gesagt – ich denke, dass man das Material entschärfen sollte. Aber die Verdienstmöglichkeiten für die Sportler jetzt sind durchaus in Ordnung.

Annemarie Moser-Pröll (Wien 2011)

Sportreport: Sie haben angesprochen, dass sie wieder gerne Skifahren und in der Natur sind. Kann man die Freunde am Skifahren erst nach dem Ende der Sportkarriere wiederfinden?
Moser-Pröll: Ich kann es wieder genießen. Wahrscheinlich auch weil ich alles ohne großen Verletzungen überstanden habe. Ich habe da mit Sicherheit auch die notwendige Portion Glück gehabt. Es kommt einfach von alleine wieder, wenn der große Druck abfällt.

Sportreport: Welchen Rat würden sie einem jungen Sportler geben, der an der Grenze zum Leistungssport steht? Soll er den Sprung zu einer Profikarriere machen oder soll er darauf verzichten?
Moser-Pröll: Wenn er ein Ziel verfolgt und das Ziel vor Augen hat, dann soll er es weiter verfolgen. Aber es fällt einem nichts in den Schoß. Weder im Leben noch im Sport.

Sportreport: Nach dem Ende ihrer aktiven Karriere haben sie sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Genießen sie diese Ruhe?
Moser-Pröll: Der Grund dafür ist simpel. Wir hatten einen Betrieb und den mussten wir führen. Es war nicht unser Stil, nur Chef zu spielen. Als guter Vorgesetzter gilt es auch anzupacken. Das gehört sich so! Denn anders würde es längerfristig auch nicht funktionieren. Wir haben uns für den Betrieb aufgeopfert. Nachdem mein Mann 2008 überraschend verstorben ist, wurde der Betrieb verkauft. Danach habe ich mir ein Haus gebaut. Jetzt geht es mir wieder sehr gut. Ich habe mein Leben wieder im Griff und in die richtigen Bahnen gelenkt.

Annemarie Moser-Pröll (Wien 2011)

Sportreport: Genießt man den schlechten Wochen dann wieder Einladungen zu Veranstaltungen in Wien und zu Kampagnen der Sporthilfe?
Moser-Pröll: Logisch, weil man nicht mehr so unter Druck steht. Früher habe ich immer gesagt, dass der Betrieb vorgeht. Wenn wir dann zu einer Veranstaltung gefahren sind, haben wir die Zeit ‚stehlen’ müssen. Jetzt kann ich beruhigt die Haustür zusperren und nach Wien fahren. Dort treffe ich nette Freunde und habe eine gute Zeit.

Sportreport: Können sie dann auch die Stadt Wien ‚genießen’?

Moser-Pröll: (antwortet sehr bestimmt): Ja! Diese Stadt kann man genießen. Sie ist sehr schön! Ich habe es auch wieder gelernt zu genießen. Etwas langsamer treten – dann merkst du einfach, dass das Leben schön ist.

Das Gespräch führte Thomas Muck

Infobox:

Annemarie Moser-Pröll
Geburtstag: 27. März 1953 – Geburtsort: Kleinarl

Rücktritt vom aktiven Leistungssport: 12. März 1980

Erfolge:
Olympische Medaillen:

2 Teilnahmen
1 x Gold (Lake Placid 1980 – Abfahrt) – 2 x Silber

Alpinen Skiweltmeisterschaften:

4 Teilnahmen:
5 x Gold, 2 x Silber 2 x Bronze

62 Weltcupsiege (36 in der Abfahrt)
6 Gesamtweltcupsiege

7 x österreichische Sportlerin des Jahres

Trägerin des großen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich

18.05.2011


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