Capitals-Kapitän Gratton: Ich setze mich selbst unter Druck!

Leistungsträger, Kapitän, Emotionaler Leader, Publikumsliebling, berüchtigt beim Gegner. Vienna Capitals-Kapitän Benoit Gratton ist ohne Zweifel einer der besten Spieler der Erste Bank Eishockey Liga. Thomas Muck bat den Kanadier zum Gespräch über den Ausgang der vergangenen Saison, die Erwartungshaltung für die kommende Spielzeit und seinen Deutschkenntnissen.
Sportreport: Benoit lass uns mit einer unorthodoxen Frage starten. Wie war dein Sommer? Wie war die spielfreie Zeit?
Benoit Gratton: Kurz, aber großartig! Ich war mit der Familie und den Kindern sehr eingesetzt. Wir waren eine Woche in Mexiko und haben viel Sport gemacht. Ich habe mich toll entspannen können. Natürlich war es toll die Familie und Freunde daheim in Kanada zu sehen. Aber jetzt ist es Zeit wieder Eishockey zu spielen.
Sportreport: Lass uns noch mal auf das Ende der letzten Saison zurückkommen. Es war eine ‚beinahe Saison’ für die Capitals. Beinahe wurde im Semifinale Salzburg geschlagen – beinahe hast du die Scorer-Bestmarke verbessert. Aber es hat am Ende knapp nicht gereicht. Trotzdem haben die Capitals sehr viele Sympathien gewonnen. Ist das die verrückte Seite des Sports?
Benoit Gratton: (überlegt kurz) Ja, das stimmt! So ist es! Im Sport kannst du nicht alles kontrollieren. Am Ende gibt es immer einen Gewinner. Letztes Jahr haben wir gegen Salzburg verloren. Es war viel Pech dabei. Francois Fortier und ich waren verletzt. Ich möchte keine Entschuldigen verwenden, aber es ist ein Problem in Österreich Leistungsträger nicht gleichwertig ersetzen zu können. Das macht einen großen Unterschied wenn du nicht die entsprechende Kadertiefe hast.
Aber was im letzten Jahr war damals – es ist in Vergangenheit. Ich freue mich schon sehr auf die kommende Saison.
Sportreport: Letzte Saison wurdest du zum wertvollsten Spieler der Saison gewählt. Für viele Experten waren die Leistungen das bisher Beste was sie von dir gesehen haben. War diese Auszeichnung für dich ein Trostpflaster, dass es Ende knapp nicht gereicht hat?
Benoit Gratton: (antwortet bestimmt) Könnte ich meine persönliche Auszeichnung gegen den Meistertitel eintauschen würde ich es sofort tun! Versteht mich nicht falsch. Ich bin sehr dankbar und glücklich, dass die Journalisten für mich gestimmt haben. Natürlich habe ich mich über die Auszeichnung gefreut. Es ist eine große Ehre als wertvollster Spieler einer Liga ausgezeichnet zu werden. Denn es ist ein Zeichen von Respekt für den ausgezeichneten Spieler.
Letztes Jahr hatte ich ein großartiges Jahr für mich persönlich. Aber ich würde die Auszeichnung für den Meistertitel eintauschen.
Sportreport: Lass uns über die kommende Saison in der nationalen Meisterschaft sprechen. Die European Trophy ist mit drei Siegen und fünf Niederlagen abgeschlossen. Was können die Fans von den Capitals in der Saison 2011/12 erwarten?
Benoit Gratton: Es gibt hohe Erwartungen an uns. Besonders wegen der neuen Halle und dem neuen Trainer. Aber ganz ehrlich gesagt möchte ich nicht zu weit in die Zukunft blicken. Ich bin ein Typ der immer nur zum nächsten Spiel schaut. Denn in dieser Partie möchte ich der beste Spieler auf dem Eis sein. Wenn du zu weit nach vorne blickst verlierst du den Fokus auf das nächste Spiel.
Ich weiß die Fans wollen, dass wir den Meistertitel nach Wien holen. Das ist normal! Aber persönlich schaue ich nur von Spiel zu Spiel. Denn im Laufe einer Saison gibt es viele Dinge die du nicht kontrollieren kannst. Zum Beispiel Verletzungen, Reisen usw.
Wichtig ist für uns als Mannschaft, dass wir fokussiert bleiben und von Spiel zu Spiel schauen. Es gibt Erwartungen zu haben. Aber sie können sich auch ins negative drehen. Erwartungen können auch für negativen Druck sorgen!
Versteht es nicht falsch! Es ist gut Druck zu haben! Ich bin ein Typ Mensch der sich selbst unter Druck setzt. Daher brauche ich den externen Druck wie Erwartungen nicht. Um auf die Frage nach der Meisterschaft zurückzukommen. Wenn du jeden Vereinsvertreter fragst wird er dir sagen: Selbstverständlich – Wir wollen Meister werden! Am Ende kann es aber nur einen Gewinner geben!
Wir wollen von Tag zu Tag – von Spiel zu Spiel – uns verbessern. Das ist unser Ziel.
Sportreport: Du hast über die neue Halle gesprochen. Ist sie innerhalb der Mannschaft ein Thema. Bemerkt ihr neue Dinge wie die Videowände?
Benoit Gratton: Selbstverständlich! Die Mannschaft ist begeistert über den Hallenausbau. Sie macht großen Spaß für uns Spieler.
Ich denke, dass sie für die Fans noch mehr bringt. Mit den Bildschirmen und der Atmosphäre. Für die Sponsoren sind die neuen Logen eine ganz tolle Sache.
Für uns als Mannschaft ist es aufregend eine neue Umkleidekabine zu haben. Alles hat Top-Qualität. Das ist cool geworden! Für mich persönlich ist es aber sekundär ob ich in einer großen, kleinen, alten oder neuen Halle spiele. Ich bereite mich immer gleich auf ein Spiel vor. Es verändert mein Spiel nicht. Aber natürlich fühlst du dich in der Halle besser – so wie daheim. Neue Dinge haben einfach einen besonderen Charme.
Sportreport: Eines ist seit dem Beginn der letztjährigen Playoffs auffällig. Du spielst auf dem Eis sehr effektiv. Emotionaler Aussetzer gibt es von dir praktisch nicht mehr. Viele Experten sprechen von „Benoit Gratton Vol. 2.0“ weil du Strafzeiten im Sinne der Mannschaft nimmst. Hast du dich als Person oder als Eishockeyspieler verändert? Hat dich vielleicht auch die Rolle innerhalb der Mannschaft verändert? Du wirkst auch im Moment sehr entspannt.
Benoit Gratton: Die Menschen die mich täglich kennen wissen, dass ich nicht der emotionale Typ bin. Auf dem Eis ist es natürlich anders. Ich bin in Wahrheit ein ruhiger Mensch. Ich bin ein Vater von drei Töchtern – ich bin ein Familienmensch. Daheim bin ich nicht der gleiche Mensch wie auf dem Eis.
Aber (überlegt kurz)… Vielleicht werde ich auch einfach älter! (schmunzelt) Vielleicht macht mich das ruhiger. Wenn ich auf dem Eis stehe dann bin ich nur gut wenn ich am Limit spiele: Emotional und körperlich! Würde ich nicht intensiv spielen würde ich nicht meine Leistung abliefern können. Das wäre nicht derselbe Benoit Gratton. Ich möchte immer an der Spitze meines Leistungsvermögen spielen. (schmunzelt) Aber vielleicht bin ich wirklich ruhiger geworden! Langsam werde ich wirklich alt.
Sportreport: Letzte Frage, Benoit. Vielleicht kannst du dich noch an das Beginn der letzten Saison erinnern. In einem Interview haben wir dich auf deine Deutschkenntnisse angesprochen. Du hast gemeint, dass wir vielleicht zum Saisonende ein Interview in deutscher Sprache machen können. Hast du deine Fähigkeiten verbessern können?
Benoit Gratton: (lacht und antwortet auf Deutsch) Mein Deutsch noch nicht gut! Ich versuche mich zu verbessern aber es ist schwer. Vielleicht am Ende der Saison.
(Antwortet auf Englisch und lacht) Ich habe gewusst, dass du mir diese Frage stellen wirst. Ich verspreche eines: Ich werde weiter üben und mich verbessern. Aber lache nicht über den Akzent. Der hört sich sicher komisch an.
Thomas Muck
08.09.2011