Boxer-Demenz bei Eishockey- und Football-Profis im Vormarsch

Alarmierende Zahlen liefern die Forscher der „Gehirnbank“ an der Bostoner Uni. Die Boxer-Demenz beschränkt sich längst nicht nur auf Faustkämpfer und Profi-Wrestler, sondern findet auch in den Kontaktsportarten Eishockey und Football immer mehr Opfer. Ärzte warnen und fordern ein Umdenken.

NHL-Legende Rick Martin (59) starb im März nach einer Herzattacke. Forscher an der Boston University fanden nun bei Untersuchungen seines Gehirns heraus, dass Martin an „Dementia Pugilistica“, der Boxer-Demenz, litt. Damit ist der ehemalige Sabres- und Kings-Stürmer bereits der dritte NHL-Profi (nach Bob Probert und Reggie Fleming), bei dem diese Krankheit festgestellt wurde. Doch Martin war kein „Fighter“, kein „Enforcer“, der sich mit Gegnern auf dem Eis prügelte.

„Sein Fall zeigt, dass auch Eishockey-Spieler, die nicht als Fighter gelten, an der Boxer-Demenz erkranken“, erklärt Chris Nowinski von der Universität Boston. Er vermutet den Auslöser in wiederholten Gehirnerschütterungen, die die Spieler im Laufe ihrer Karriere erleiden. Nowinski fordert ein Einschreiten der Verantwortlichen: „Eishockey muss sicherer für die Spieler werden.“

Alarmierende Zahlen im Football
Nowinskis Forderung gilt auch für Football. Auch hier wird mit Helmen gespielt, doch die Aufprallenergien und die Risiken für Gehirnerschütterungen sind enorm. Dementsprechend alarmierend sind die Zahlen: 14 von 15 (!) der in Boston untersuchten NFL-Spieler litten an der Boxer-Demenz.

Dave Duerson (50) war einer von ihnen. Duerson spielte 11 Jahre lang in der NFL, gewann mit den Bears und mit den Giants die Super Bowl. Doch sein Krankheitsbild hatte sich in den Jahren vor seinem Tod zusehends verschlimmert. Seine Merkfähigkeit ließ nach, neben den Kopfschmerzen machten ihm Aufmerksamkeits- und Sprachprobleme sowie emotionale Instabilität zu schaffen. Der nach seiner Football-Karriere auch als Unternehmer erfolgreiche Mann („Duerson Foods“) schlitterte in den Bankrott.

Diesen Februar setzte er seinem Leben ein Ende: Er schoss er sich in die Brust. Sein Gehirn, ließ er per SMS wissen, wollte er nicht beschädigen. Stattdessen spendete er es der „Gehirnbank“ der Bostoner Uni.

Symptome und Langzeitfolgen
Gehirnerschütterungen treten durch abrupte Änderungen der Beschleunigungen des Kopfes auf, etwa nach Schlägen beim Boxen, Checks beim Eishockey oder Zusammenstößen beim Football. Häufige Symptome sind Benommenheit, Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen. Auch Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen können – neben Erschöpfung, Reizbarkeit und Schlafstörungen – die Folge sein.

Die Boxer-Demenz ähnelt neurobiologisch der Alzheimer-Krankheit. Schon innerhalb von 24 Stunden nach einer Schädel-Hirn-Verletzung wird der Baustein des Alzheimer-Plaques gebildet. Wiederholte Traumata können schließlich zur Boxer-Demenz führen. „Wir wissen noch nicht, wie verbreitet die Krankheit ist. Man kann sie an Lebenden nicht diagnostizieren und es gibt keine bekannten Heilungsmethoden“, sagt der Arzt Robert Cantu.

Conrad Kleiner

10.10.2011


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