Tom Pokel, Vienna Capitals

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Sportreport-Leser fragen – Vienna Capitals-Trainer Tom Pokel antwortet. Im zweiten Teil des Gesprächs mit Thomas Muck waren die Wutrede nach dem Heimspiel gegen den HC Innsbruck, Öffentlichkeitsarbeit und die Rückschlüsse aus der letztjährigen Finalserie mit dem HCB Südtirol.

Sportreport: ein Hauptthema für unsere Leser war auch die Wutrede nach dem Innsbruck-Spiel. Damals haben sie einige „sehr deutliche Worte“ verwendet. Wie war die Ressonanz danach? Haben sie damit gerechnet? Wann ging Tom Pokel nach diesen Emotionen ins Bett?
Tom Pokel: Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern. (überlegt kurz) Mehr Emotionen als nach dem Innsbruck-Spiel geht kaum. Die Situation war direkt nach dem Spiel. Fünf oder zehn Minuten nach dem Spiel – daran kann ich mich jetzt gar nicht mehr erinnern. Wann ich ins Bett gegangen bin? Ich kann mich gar nicht mehr genau erinnern. Aber ich glaube es war so gegen 2 Uhr in der Früh als ich einschlafen konnte. Das ist für mich aber nicht außergewöhnlich. Ich bin normalerweise ein Nachtvogel. Nach jedem Spiel bin ich normalerweise lange wach. 

Sportreport: Wie lange benötigt Tom Pokel um von den Emotionen eines Spiels herunterzukommen?
Tom Pokel: Einige Stunden! 

Sportreport: Im Umgang mit Tom Pokel ist eines sehr offensichtlich. Sie sprechen, egal ob zu Medien oder Fans, immer sehr offen. Denken sie nie daran in Floskeln zu „flüchten“?
Tom Pokel: In erster Linie denke ich, dass die Eishockey-Fans in Wien intelligent sind. Sie kennen sich mit Eishockey aus. Die Standardaussagen wären nach einer gewissen Zeit einfach nicht mehr glaubwürdig oder werden nicht mehr respektiert. Ich bin der Überzeugung, dass Medien, Sponsoren und die Fans eine gute, ehrliche Beurteilung verdienen wenn ich es so sagen darf. 

Sportreport: Auffällig für uns war, dass wir viele Fotos zugesendet bekommen haben wo Tom Pokel mit Fans und auch mit Menschen abseits des Eises posiert. Manche haben Sie in den Zuschriften auch als „peoples coach“ bezeichnet. Wie wichtig ist Tom Pokel das Treffen von Leuten und auch der Austausch?
Tom Pokel: Für mich persönlich ist es sehr wichtig. Wir sollen einen Identifikationszusammenhang haben. Das Familien-Feeling ist, wie ich meine, sehr wichtig. Wenn wir in der Öffentlichkeit stehen, da schulden wir auch etwas Dankbarkeit. Ich bin immer offen für alles. Nenn es „people Coach“ oder wie auch immer. Ich stehe dem Publikum, den Medien und den Sponsoren immer zur Verfügung. 

Wenn man diese Verbindung hat, ist es wichtig, dass die Fans und die Mannschaft eine Verbindung haben. Wir sind ein und das selbe. Wichtig ist, dass wir eine bessere Identifikation miteinander haben. Wir sind ein Verein – ein Team! Wir haben alle ein und das selbe Ziel. 
Wenn ich es besser steuern oder beeinflussen kann oder dabei helfen kann, stehe ich jederzeit zur Verfügung. 

Sportreport: Wie selbstkritisch ist der Trainer Tom Pokel?
Tom Pokel: (schmunzelt) Zu selbstkritisch! (antwortet ernst) Ich bin sehr selbstkritisch!

Sportreport: Gibt es Punkte, die der Trainer Tom Pokel rückblickend betrachtet anders machen würde?
Tom Pokel: Ja, natürlich!

Sportreport: Ein Kritikpunkt der Leser am Trainer Tom Pokel war, dass die „Hybrid-Icing-Plays“ in den letzten Wochen gefehlt haben. Ein verletzungsbedingter Umstand?
Tom Pokel: Teilweise! Diese „Hybrid-Icing-Plays“ kosten sehr viel Kraft. Wir haben diese Spielzüge in der Champions League probiert. Also in den Spielen gegen Fjärestadt, Zürich und Oslo. 

Aber ich denke, dass diese Hybrid-Icing-Plays ein Risiko sind. Hybrid wenn es gut geht, wenn es aber nicht gut geht, gibt es ein Bully in der eigenen Zone und wir können nicht wechseln. Diese Spieler haben aber von der einen Seite zur anderen Vollgas gegeben. Dann müssen sie zurücklaufen, ein Bully nehmen und es gewinnen. 

Wir haben am vergangenen Wochenende mit einigen Leuten darüber gesprochen. Ich denke, dass die meisten Mannschaften sich wieder daran gewöhnt haben „normales Eishockey“ zu spielen und nicht allzu viele von diesen Dingern zu probieren. Es ist eine Tatsache, dass diese Spielzüge vielleicht einmal funktionieren, aber dann nie wieder. 

Sportreport: Wann wäre der Trainer Tom Pokel am Saisonende zufrieden? Wann wäre die „Mission“ für die Saison 2014/15 „erfüllt“?
Tom Pokel: Die Meisterschaft hochzuheben, ist nie 100 prozentig. Ich bin ein Typ, der nie zu 100 Prozent zufrieden ist. Deswegen gibt es auch das Selbstkritische an mir. Ich bin immer auf die Verbesserungspunkte aus. Wir haben gut gespielt und diese Punkte müssen wir verbessern. Oder ich muss an mir das und das ändern. Das ist der Teufelskreis den ein Trainer hat. Ein Trainer ist nie 100 prozentig zufrieden. Es sei denn, man hat das letzte Spiel der Saison gewonnen. Das ist etwas was ich zum Glück letztes Jahr erleben durfte. Dieser Durst, das noch mal zu wiederholen, ist sehr stark in mir. 

Sportreport: Inwieweit hat die Finalserie im letzten Jahr den Trainer Tom Pokel verändert? Der HCB Südtirol war damals der krasse Außenseiter. Das Ende ist bekannt. Was waren die Lehren daraus?
Tom Pokel: Es ist egal welches Trikot du anziehst und es ist egal wieviel Geld der Hauptsponsor investiert oder wieviel die Spieler verdienen. Man muss am Eis 60 Minuten hart arbeiten um ein Spiel zu gewinnen. Nichts ist gewonnen, bis das Spiel gewonnen ist. Das habe ich mitgenommen. Nur mit einem Namen gewinnst du nicht – und das kann man auch auf die Vienna Capitals beziehen. Wir haben einen tollen Sponsor und ein tolles Stadion. Aber ich habe daraus gelernt, dass nur weil wir das Vienna Capitals Trikot anziehen, haben wir bereits gewonnen. Jedes Spiel beginnt bei 0:0. Man muss sehr hart arbeiten und fokussiert an die Aufgabe rangehen, sonst gewinnst du nichts. Egal welchen Platz du hast oder wieviel Geld ein Sponsor investiert. Das Spiel gewinnst du auf dem Eis mit Blut und Schweiß. 

Sportreport: Wäre es für den Trainer Tom Pokel reizvoll eine Mannschaft nur aus Österreichern oder Spielern aus dem Wiener Nachwuchs zu trainieren und dieses „HCB Südtirol-Märchen“ zu wiederholen?
Tom Pokel: Ich denke das ist nicht vergleichbar. Die Frage kann ich vielleicht so einordnen. Denn mit Bozen hatten wir auch Ausländer. Das waren nicht nur Italiener. Deswegen kann ich die Frage so nicht beantworten. 

Die Mannschaft in Bozen war von mir „gepickt“ sozusagen. Ich denke das reizt mich sicherlich. Eine reine österreichische Mannschaft ist mit Sicherheit sehr interessant. Ich denke das Potential – und das haben wir beim Nationalteam gesehen – der österreichischen Spieler ist da. Aber ich denke, dass gute Führungskräfte innerhalb der Mannschaft sehr wichtig sind. Ob das zwei, drei oder vier Ausländer sind im Vergleich zu neun oder zehn ist sicherlich interessant. Eine rein österreichische Mannschaft ist, glaube ich, keine gute Idee. Ich sage auch warum: Ich vertraue den österreichischen Spielern. Ich habe das U18-Nationalteam trainiert damals 2007/08. Von dieser Mannschaft spielen sehr viele in der EBEL. Sprich Pallestrang, Kristler, Komarek, Ganahl oder Heinrich. Ich bin sehr stolz mit diesen jungen Spielern gearbeitet zu haben und das sie es jetzt in der EBEL umsetzen. Aber ich denke, dass besonders die jungen Spieler Führungskräfte benötigen. Sie brauchen ein Vorbild. Ich denke das würde fehlen, wenn es am Ende eine rein junge österreichische Mannschaft wäre. Ich denke Selbstvertrauen ist sehr wichtig. Die Leitung muss dann auch ein Gefühl haben, wenn die Spieler Selbstvertrauen haben. Dann können sie jedes Spiel gewinnen. Ich habe es oft gesehen mit reinen einheimischen Mannschaften in Deutschland oder in Italien. Sehr oft war die Motivation am Anfang sehr hoch. Aber am Ende macht es wenig Spaß, wenn jedes Spiel verloren geht. Dann ist das Selbstvertrauen und der Ehrgeiz abgebaut. Am Ende hat dann niemand Spaß und kein Selbstvertrauen. Das ist dann kein gutes Feeling davon. 

Sportreport: Die letzte Frage kommt traditionell aus unserer Redaktion. Wer stellt die härteren Fragen? Unsere Leser oder doch die Sportjournalisten?
Tom Pokel: Da gibt es keine härteren Fragen. Ich bin eigentlich beeindruckt von der Intelligenz der Fragen und der Vielfalt. In bin beeindruckt von den Winkeln und den Ideen, was eure Leser wissen wollen. Das ist eine positive Überraschung für mich. Das sind sehr intelligente Dinge und zeigt mir, dass die Leute in Wien beim Eishockey mitdenken. Sie sehen ein Eishockey-Spiel nicht als Event an. Sondern die leben das Spiel mit. Sie denken mit und versuchen sich in Prozesse hineinzuversetzen und was wir im Lauf einer Saison alles durchmachen und erleben. 

Die Fragen waren nicht hart. Ganz im Gegenteil! Ich bin beeindruckt und positiv überrascht wie sachlich und fachlich die Leute in Wien denken. Das gleiche gilt auch für die Journalisten. 

Sportreport: Also dürfen wir Tom Pokel gerne zu einen zweiten Interview in dieser Art einladen?
Tom Pokel: Absolut! Jederzeit gerne!

14.02.2015