
Das Spiel Vienna Capitals vs. Red Bull Salzburg spaltet weiter die Eishockey-Nation. Sportreport hat bei Lyle Seitz nachgefragt. Der Director of Hockey Operations der Erste Bank Eishockey Liga spricht im Sportreport-Interview über die Begegnung vom vergangenen Dienstag, die Gründe der Eskalation im letzten Drittel und die Aufarbeitung von DOPS der Härteschlacht.
Sportreport: Lyle Seitz im österreichischen Eishockey gibt es momentan praktisch nur ein Gesprächsthema. Das Spiel Vienna Capitals vs. Red Bull Salzburg vom vergangenen Dienstag. Sie haben das Spiel im „war room“ gesehen, wie haben sie es verfolgt?
Lyle Seitz: Es ist ein Eishockeyspiel. Es war eine Vorbereitung für eine mögliche Playoff-Serie. Meiner Meinung nach – und das ist als meine Privatmeinung zu sehen – bin ich sehr glücklich, dass die Fans sehr emotional sind. Das zeigt, dass sie Leidenschaft haben. Aber es ist ein Eishockeyspiel. Es ist ein physisches Spiel gewesen. Da passieren manchmal auch Dinge. Wir nennen das den „spirit of the game“. Und um ganz ehrlich zu sein. Manchmal brauchen wir auch solche Spiele. Warum? Weil Action in den Spielen ist.
Sportreport: In den ersten 40 Minuten war das Spiel kurzweilig, unterhaltsam. Es gab viele Tore und für Diskussionsstoff sorgten in Wahrheit eher die Fehler der Teams auf dem Eis neben den Treffern. Warum ist es aber dann ihrer Meinung im letzten Drittel so eskaliert? Gibt es dafür ihrer Meinung nach einen Grund?
Lyle Seitz: Selbstverständlich! Wäre ich ein Trainer würde ich dasselbe machen. It’s Play-off-Time! Er macht sich, das Team und das Umfeld bereit dafür. Vielleicht ist es eine „old-school“-Taktik. Das ist absolut in Ordnung so. Du machst solche Dinge um alle zu mobilisieren und für die Play-offs bereit zu machen. Und es hat gewirkt. Ihr von den Medien ihr verfolgt diese Geschichte.
Es wird nicht beleuchtet was Wien oder Salzburg gemacht haben, sondern ihr seid hinter der Geschichte her. Es hat von beiden Seiten funktioniert. Ich kann es über euch den Medien ausrichten, weil ich es in den letzten Tagen verfolgt habe, dass die Vienna Capitals einen guten Job gemacht haben, dass alle bereit für die Play-offs sind. Das ist bereits sehr häufig in sehr vielen Ligen passiert.
Am Ende hat aber jeder eine Meinung zum Spiel. Darum geht es im Sport. Es gibt Gewinner – es gibt Verlierer. Und es gibt Medienberichte. Am Dienstag waren die Schlagzeilen anders als üblich.
Sportreport: Die öffentliche Meinung ist, dass es etliche Vorfälle auf dem Eis gab. Am Ende wurden „nur drei“ Spieler gesperrt. Wie sieht DOPS diesen Umstand?
Lyle Seitz: Wenn die Öffentlichkeit zehn Sperren haben will, dann können wir hart genug und tief genug graben und wir finden diese. Ich bin sogar der Meinung, dass wir das in etlichen Spielen finden würden, wenn wir es wirklich wollen würden.
Eishockeyfans oder Leute die sich mit dem Sport beschäftigen wissen, dass es eine Kontaktsportart ist. Wir haben unsere Entscheidungen getroffen. Ich verlange von niemanden, dass er uns zustimmt. Aber so haben wir sie getroffen. Nach unserer Meinung haben wir die wichtigsten Teile des Spiels genauer beleuchtet. Daher gab es die drei Sperren.
Ich weiß nicht, was die Leute wollen oder warum sie acht, neun oder mehr Sperren wollen. Wenn sie glauben, was für eine Sperre geeignet wäre, dann sollten sie ein Spiel untersuchen. Ein Bespiel: würden das 2.000 Leute machen, hättest du sehr viele Meinungen. Das ist auf der einen Seite großartig. Deine eigene Privatmeinung zählt und das ist großartig. Aber am Ende mussten wir eine Entscheidung treffen und die haben wir getroffen.
Sportreport: Von außerhalb der Eisfläche spricht man es sich natürlich leichter. Man hatte durchaus das Gefühl, dass den Schiedsrichtern das Spiel entglitten ist. Wie würden sie die Leistung der Schiedsrichter in dem Spiel bewerten? Hätten sie vielleicht etwas tun können, um diese Härteeinlage zu verhindern? Wäre es eine Möglichkeit gewesen, rigoroser im Spiel durchzugreifen?
Lyle Seitz: Es ist lustig, weil ich mit Christian Feichtinger an diesem Abend darüber gesprochen habe. Das lustige ist, dass es immer ein Fehler der Schiedsrichter ist. Das ist ein österreichischer Fehler! Die Schiedsrichter haben meiner Meinung nach einen guten Job gemacht. Es gab 174 Strafminuten. Wieso gibt niemand denjenigen die Schuld, die es sich auch verdient hätten. Und zwar den beiden Trainern: Sie betreuen das Team – sie kontrollieren es! Die Schiedsrichter können erst reagieren, wenn etwas passiert ist. Sie können ein Spiel nicht manipulieren. Am Ende des Tages bin ich der Meinung, dass die Schiedsrichter einen tollen Job gemacht haben. Ich bin glücklich, mit ihrer Performance in dem Spiel. Ich gebe ihnen keine Minimalschuld an dem Spiel.
Sportreport: Gibt es dann Geldstrafen für die Trainer oder eine andere Bestrafung oder wird einfach „zurück zur Normalität“ gegangen?
Lyle Seitz: Es ist alles zurück zur Normalität gegangen. Lass uns hier über DOPS sprechen. Im ersten Punkt geht es über die Sicherheit der Spieler. Im zweiten Punkt geht es darum, dass die Spieler und das Spiel, und somit den Gegner, respektieren.
Wir hatten am Freitag sechs Spiele und das waren alles „ruhige“ Spiele. Es waren gute Teams auf dem Eis. Die Spieler sind dazu zurückgekehrt, sich und den Gegner zu respektieren. Das inkludiert die Vienna Capitals und Red Bull Salzburg.
In unserem „situation room“ in Ebensee schauen wir uns zwischen 1.200 und 1.300 Spiele pro Saison an. Darin inkludiert sind die Spiele in der U20, U18 und der Champions Hockey League. Das war ein Spiel. (Anm.: spricht sehr bestimmt) Ein Spiel!
Wenn man eine „Story“ aus dem Spiel machen will. Großartig! Das ist Teil des Sports! Für uns im „situation room“ ist es aber nur ein Spiel. Wir waren, wie bei jedem anderen Spiel, immer fokussiert und niemals abgelenkt davon. Es sind die Medien die aus diesem Spiel mehr machen, als es für uns war.
Sportreport: Der Spieler Brett Sterling teilt momentan die öffentliche Wahrnehmung in unserem Land. Für die einen ist er der ultimative Bösewicht – für die anderen ist er ein Unschuldslamm. Können sie nach dem Spiel vom vergangenen Dienstag diese Emotionen teilen?
Lyle Seitz: (schmunzelt) Das liegt alles im Auge des Betrachters. (Anm.: Antwortet von nun an sehr bestimmt). Wir entscheiden nicht aufgrund von Emotionen. Uns ist es egal aus welchem Land ein Spieler kommt, welche Position er spielt, welche Farbe sein Trikot trägt und wie alt er ist oder was auch immer. Wir fällen unsere Entscheidungen was auf dem Eis zu sehen ist.
Lass aus über eine spezielle Situation sprechen. Jeder der das Spiel selbst spielt weiß, dass wenn ein Spieler wie die Nummer 44 von Wien (Anm.: Fraser) zu Sterling hinfährt, man sich fragen muss, was sind seine Absichten. Ist es eine normale Spielsituation oder will er ihn attackieren. Brett’s Schläger ist in der Hose festgesteckt. Das haben wir auch in unserem Statement so veröffentlicht. Der Schläger hat auch den normalen Bewegungsablauf gestört.
Niemand kann zu 100 Prozent bestätigen, ob Brett Sterling wusste, ob der Linesman dort war oder nicht. Von unserem Standpunkt wissen wir zu 100 Prozent, dass keine Absicht dahinter stand. Eine Hand blieb am Schläger und der Schläger war in der Hose des Wiener Spielers.
Sportreport: Viele die in der Halle und die Szene aus dem Südteil der Halle gesehen haben, können diese Meinung nicht teilen.
Lyle Seitz: Ich respektiere diese Privatmeinungen. Aber wir waren nicht in der Halle und wir können uns nur auf das Video-Material verlassen was uns zur Verfügung steht. Daraufhin fällen wir unsere Entscheidungen.
Sportreport: Österreich ist im Eishockey ein Land der Gerüchte. Es gibt zwei Gerüchte die momentan die Runde machen. Würden sie sich dazu äußern wollen? Würden sie darauf mit Fakten antworten wollen?
Lyle Seitz: Ich bin für die Medien immer verfügbar. Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Geduld für Gerüchte. Wir verfolgen jedes Spiel in Ebensee. Manche Gerüchte dringen daher nicht zu uns durch. Wir würden uns davon auch nicht beeinflussen lassen. Ich beantworte alles was sie wissen wollen, wenn sie die Wahrheit und unserem Standpunkt wissen wollen.
Sportreport: Ein Gerücht besagt, dass DOPS durchaus gespalten war. Die eine Seite forderte eine harte, lange Sperre. Die andere Hälfe hätte sich dagegen ausgesprochen, so wie das Urteil ausgefallen ist. Stimmt dieses Gerücht oder ist es ein Gerücht?
Lyle Seitz: Ich habe die Wahrheit im Statement der Liga zu dieser Situation geschrieben. Es keine Entscheidung zu 100 Prozent auf einer Seite, dass der Vorfall ein Unfall. Aber die Mehrheit – und wir haben das Material zusätzlich an drei unabhängige Fachleute ausgeschickt. Schon alleine aufgrund der Seriosität des Vorfalls. Das sind übrigens Experten, die solche Dinge bewerten und damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Zurück zum Thema. Am Ende hat die Mehrheit darauf entschieden, dass es keine vorsätzliche Handlung, sondern ein Unfall und keine Sperre war.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass ein Linesman in die Situation involviert war. Jeder (Anm.: spricht sehr bestimmt) wirklich jeder, auch die Medien, spricht über Brett Sterling. Was ist aber mit Daniel Soos? Ich habe mit ihm einige Male über das Thema gesprochen. Er ist der Meinung, dass es ein Unfall war. Wenn die Person die den Hit eingesteckt hat glaubt, dass es ein Unfall war, dann glaube ich ihm das. Weil er in die Augen von Brett Sterling gesehen hat. Er kann sich in seine Situation hinversetzen und fühlt, dass der Hit nicht vorsätzlich passiert ist.
Wenn die Person die den Hit kassiert hat der Meinung ist, dass es ein Unfall war, dann können die Medien und alle schreiben was sie wollen. Weil am Ende sind wir so zur Wahrheit gekommen.
Es ist an dieser Stelle fair zu sagen. Ich könnte 20 Stunden am Telefon mit allen Personen verbringen, die in diese Situation in irgendeiner Form verwickelt sind. Wenn irgendjemand glaubt, dass wir die Situation nicht ernst nehmen würden oder genommen haben, dann muss ich schon sagen, dass sie träumen. Es ist also ein Gerücht und ich habe euch gerade die Wahrheit in dieser Causa gesagt.
Sportreport: Ist es wahr, dass Brett Sterling mit dem Linesman gesprochen hat und er mit ihnen in Kontakt stand, und man schon sehr früh zur Meinung kam, dass es eine unglückliche Situation, sprich ein Unfall war, und sich noch am Eis entschuldigt hat?
Lyle Seitz: Spieler sprechen zu den Offiziellen sehr oft. Um ganz ehrlich zu sein. Ja, ich kann mir das so vorstellen. Spieler sind Menschen – großartige Menschen. Ob Brett es so zu Daniel gesagt hat? Mann kann – wenn er es so gesagt hat, was ich nicht weiß – es so als Gespräch auslegen. Aber ich denke, das nennt man „menschliche Art“. Sich normal zu unterhalten, dass ist Respekt füreinander. Das ist Teil des Spiels – Teil des Sports!
Was mich angeht, nein ich habe nicht mit Brett Sterling in dieser Causa direkt gesprochen. Im Rahmen der DOPS-Ermittlungen hatten wir zwei Gespräche.
Sportreport: Die Situation ist momentan sehr emotional! Gefühlt, um einiges intensiver als in den Jahren zuvor. Sehen sie es genauso?
Lyle Seitz: (Anm.: Antwortet bestimmt) Nein! Es ist ein Spiel! Ein Spiel! Was ist heuer passiert? Wir hatten rund 300 Spiele in der EBEL. Die Zahl ist jetzt grob genommen. Ich weiß sie nicht auswendig!
Es ist bisher kaum etwas passiert. Unsere Sperren sind rückläufig! Unsere Verletzungen sind rückläufig. Diese wichtigen Statistiken sind positiv. Die Leute wollen die Wahrheit hören? Ich mag es, dass sie mich ansprechen und Gerüchte ausräumen. Weil Gerüchte bringen uns in der Liga nicht weiter. Fakt ist, dass ich allen Respekt an die Coaches, die Spieler, die Offiziellen weitergebe. Warum? Schritt für Schritt, Tag für Tag und mit Sicherheit Jahr für Jahr wird unsere Liga besser. Sie wird schneller und wir haben mehr Qualität.
Wenn du ein Spiel der EBEL von vor 10 Jahren auf einen Monitor gibst und eines aus der laufenden auf den anderen Monitor, dann würde jeder den Unterschied sehen.
Sportreport: Was wünscht sich Lyle Seitz, was wünscht sich DOPS für die Play-offs?
Lyle Seitz: Wünsche? Nein nicht wirklich! Alles was wir uns wünschen ist, dass das beste Team am Ende Meister wird. Die Mannschaft die sich auf Geschwindigkeit, Qualität und auf ehrlichen, respektvollen Weg den Sieg erarbeiten will.
Ich kann eines sagen, dass Spiele wie wir sie am Dienstag hatten, da werden wir in den Play-offs keine Rücksicht von DOPS. Null – Keine! Es ist passiert – wir haben es den Coaches mitgeteilt. Wir haben es den Teams mitgeteilt. Sie haben die Nachricht am Mittwoch erhalten. Es gab einen Rundruf mit allen acht Head Coaches der Play-off-Teams. Einer wird noch folgen – der mit Refs und ein weiterer mit den Linesman. Jeder wird bereit sein und kennt die Maßstäbe, dass wir das nicht mehr wollen. Wir sind sehr bereit für die Play-offs.
Ich persönlich habe keine Wunschliste. Wir sind bereit wie noch nie – We are ready to roll!
Sportreport: Sie haben die letzte Frage vorweggenommen: Es stimmt also das es diesen Rundruf gab und es eine „0-Toleranz-Politik“ in den Play-offs zu solchen Situationen gibt, wie jenen am vergangen Dienstag?
Lyle Seitz: Das ist korrekt!
Sportreport: Lyle Seitz herzlichen Dank für ihre Zeit und auf unterhaltsame Play-offs mit wenig Arbeit für DOPS.
Lyle Seitz: Danke für ihre Mühe. Sie waren die einzigen die den Standpunkt von DOPS in dieser Causa hören wollten. Im Namen von DOPS: “Danke für diese Möglichkeit!“
Das Gespräch führte Thomas Muck
21.02.2016