Vienna Capitals

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Die Saison 2016/17 fand mit dem Meistertitel für die Vienna Capitals die Krönung. Am Ende steht eine praktisch perfekte Spielzeit für die Wiener zu Buche. Zeit für die große Sportreport-Saisonanalyse von Thomas Muck. Im ersten Teil wird die Saison im Rückspiegel und die Gründe des Erfolges der historischen Saison beleuchtet

Rückblende: Goldrichtige Grundsatzentscheidung als Grundstein des Erfolgs
Das Fazit der Saison 2015/16 hatte mal wieder die Überschrift, dass einige Chancen vergeben wurden. Die spielfreie Zeit ließ kaum Hoffnung auf eine gute Saison aufkommen. Die Trainerwahl entwickelte sich zur „unendlichen Geschichte“. Spielverpflichtungen bzw. Vertragsverlängerungen wurden nicht nach außen kommuniziert. Die Vienna Capitals überließen der Gerüchteküche ihr sprichwörtliches Schicksal. Doch dann kam der 7. Juni. An diesem Tag gaben die Caps die Verpflichtung von Serge Aubin als neuen Head Coach bekannt. Die Auflösung der Hamburg Freezers sollte sich aus vielerlei Hinsicht als sportlicher Glücksfall für den Eishockeystandort Wien entwickeln.

Mit dem Frankokanadier kam ein Kurswechsel der das völlig missglückte Experiment mit Jim Boni vergessen ließ. In vielerlei Hinsicht! Der neue Cheftrainer vollführte eine 720-Grad-Drehung in der Medienarbeit im Vergleich zu seinem Vorgänger. Zugegeben, dass ist nicht unbedingt eine herausragende Leistung sondern eher eine Rückkehr zu einer professionellen Normalität. Am Eis verpasste Serge Aubin seiner Mannschaft ein sehr schnelles, modernes, laufintensives und teamorientiertes System. Drei Entscheidungen, welche sich rückblickend als goldrichtig entpuppen sollte. Die Vienna Capitals sorgten in der Saison 2016/17 für Furore. In vielerlei Hinsicht.

Champions Hockey League – Nur knapp am übermächtigen Gegnern in der Gruppenphase gescheitert
Losglück? Darüber konnten sich die Wiener bei der Auslosung zur Gruppenphase der Champions Hockey League in der Tat nicht beschweren. Die Vienna Capitals bekamen es mit Skelleftea (Schweden) und KalPa Kuopio (Finnland) mit zwei übermächtigen Gegnern zu tun. Spitzenteams aus den Eishockey-Großmächten Schweden und Finnland sind deutlich über eine Mannschaft aus Österreich zu stellen. Von einem Niveauunterschied war jedoch wenig zu sehen. Die Vienna Capitals konnten beide Spiele gegen Skelleftea (3:2 nach Verlängerung daheim bzw. 5:2 auswärts) gewinnen. Gegen KalPa standen die Wiener auswärts vor einem weiteren sensationellen Erfolg. Um Ende feierten die Finnen einen knappen 3:1-Heimsieg. Mit demselben Resultat konnte sich die Truppe der Ikone Sami Kapanen in Wien-Kagran durchsetzen. Am Ende scheiterten die Vienna Capitals mit fünf Punkten knapp am Aufstieg. Von den beiden Gegnern gab es abseits der Kameras und Aufnahmegeräte positive Worte. Die „schnelle Spielweise würde perfekt zu den Anforderungen passen“, lauteten die Worte. Worte die rückblickend betrachtet sich als goldrichtig herausstellen sollten.

Der (fast) perfekte EBEL-Grunddurchgang
Der Grunddurchgang in der Erste Bank Eishockey Liga dauert bekanntlich 44 Runden exklusive der Zwischenrunde. Die Vienna Capitals schrieben in der Saison 2016/17 Geschichte. 98 Punkte, die wenigsten Gegentore und weitere Bestleistungen stehen für die Wiener zu Buche. Eine unerwartete – in der Liga-Geschichte selten erlebte – Auswärtsstärke, und eine Mannschaft die als Kollektiv für Schlagzeilen sorgten waren die Zutaten die zu u. a. zu 98 Punkten führten.

Am Ende der ersten Phase der Saison verloren die Vienna Capitals kurzfristig den sprichwörtlichen Faden. Die Jagd auf die historische 100-Punkte-Marke warf den „Caps-Express“ aus der Bahn.

Nach einigen durchwachsenen Spielen fand die Truppe von Serge Aubin zurück in die Spur. Im letzten Spiel der Zwischenrunde ging es gegen den HC Innsbruck um den Sieg im Grunddurchgang. Gegen die Haie stand es nach 40 Minuten 1:1-Unentschieden. Ein Sieg nach regulärer Spielzeit musste her und dieser sollte gelingen. Rotter (41.) und Bowman (46./PP) sollten für den 3:1-Heimsieg sorgen. Die Vienna Capitals hatten nicht nur den Gewinn des Grunddurchgangs fix in der Tasche sondern auch Heimvorteil für die kompletten Play-offs und ein Ticket für die nächstjährige Champions Hockey League.

Play-offs: Der „Doppel-Sweep“ gegen den HC Innsbruck und HCB Südtirol
Unmittelbar nach dem letzten Spiel in der Pick-Round stand der Play-off-Pick in der Albert-Schultz-Halle auf dem Programm. Als Grunddurchgangssieger wählten die Vienna Capitals den letzten Gegnern der Pick-Round. Gegen den HC Innsbruck gab es einen glatten 4:0-Erfolg. 5:0, 4:3 n.V. (Siegestor durch Vause in 104. Minute), 7:4 und 3:2.

Nachdem die Haie aus Nordtirol in den Urlaub geschickt wurden war im Semifinale der HCB Südtirol der Gegner. Die Foxes beendeten ihr „Trauma“ gegen die Black Wings Linz und waren nun der Gegner der Vienna Capitals. Die Resultate von 4:2, 3:2 n.V. (Siegestorschütze Vause in der 87. Minute), 1:0 und 4:2 lesen sich klarer als die Serie selbst war. In allen vier Spielen hatten die personell dezimierten Italiener durchaus die Chance das Spiel für sich zu entscheiden. Viele Experten sind sich zum Saisonende einig. Der HCB Südtirol war der härteste Gegner in den Play-offs für den Meister aus Wien.

Krönung einer historischen, einzigartigen Saison gegen den KAC
Im Vorfeld des Finales waren sich praktisch alle „Eishockeyfachjournalisten“ in einem Punkt einig. Der KAC geht als Favorit in die Serie und wird Meister. Aussagen die für die Vienna Capitals scheinbar wie Treibstoff waren, noch härter am Eis zu arbeiten. Es sollten vier äußerst intensive, zum Teil sehr verrückte Spiele folgen. Am Ende stand ein Eintrag in den Geschichtsbüchern. Mit dem dritten „Sweep“ in Folge sind die Vienna Capitals Meister 2016/17. In den Play-offs ungeschlagen und mit einem heimischen Goalie im letzten Spiel sind die Wiener der würdige Meister und krönen eine Saison wie aus dem Märchenbuch.

Nun ist es an der Zeit einen Blick auf die Gründe des Erfolgs zu werfen:

Hart arbeitendes Team schlägt talentierte Mannschaft
Bei allen gegebenen sportlichen Respekt vor der Meistermannschaft aber die Vienna Capitals hatten in puncto individueller Qualität nicht den besten Kader unter Vertrag. Mannschaften wie Red Bull Salzburg, Black Wings Linz oder der KAC sind in so mancher Hinsicht über den Meister aus Wien zu stellen. In einen Punkt sind die Caps diesen Mannschaften aber gewaltig voraus gewesen: Die harte Arbeit am Eis und der kompakte Auftritt als Einheit. Der bedingungslose Einsatz füreinander und das persönliche Ego der Mannschaft unterzuordnen. In diesem Bereich waren die Vienna Capitals eine Klasse für sich.

Schlüsselspieler wie Lamoureux, Fraser, Brocklehurst, Lakos, Holzapfel, Tessier, Vause, Rotter oder Fischer haben ihre Qualitäten in unterschiedlichen Bereichen. Dadurch, dass die sprichwörtlichen „Zahnräder“ in einander griffen glänzten die designierten Stars in ihren Bereichen. Die harte Arbeit am Eis als Kollektiv brachte auch individuelle Sternstunden und machte jeden einzelnen Spieler praktisch unverzichtbar.

Mannschaft ohne „Superstar“, Spieler ohne Allüren
In den letzten Saisonen gab es bei den Vienna Capitals stets einen oder mehrere potentielle „Starspieler“. Den Hype darum wurden nur die wenigsten gerecht. In der Saison 2016/17 stellten die Vienna Capitals zwar mit Riley Holzapfel den MVP der Spielzeit. Mit J.P. Lamoureux war der designierte Star-Goalie verpflichtet. Mit Stars kommen Allüren und Ablenkungen und diese gab es in der Saison 2016/17 nicht.

War es die Zusammenstellung des Kaders, der Führung von Serge Aubin oder einfach der Gruppendynamik der Spieler geschuldet? Die Wahrheit wird wohl irgendwo in der Mitte dieser Punkte liegen. Fakt ist, dass kein Spieler sich während der Saison um persönliche Statistiken gekümmert hat. In offiziellen wie inoffiziellen Gesprächen war stets das floskelhaft anmutende Statement zu hören, dass „einzig die Tabelle“ interessiere.

„Hunger nach Verbesserung“
Analysierend betrachtet kann man also durchaus feststellen, dass es andere Teams in der Liga gibt die in Punkto Einzelspieler qualitativ besser besetzt waren. Eines war bei den Vienna Capitals in der Saison 2016/17 auffällig. Die Spieler zogen mit dem Trainerteam an einem Strang. Der „Hunger nach individueller Verbesserung“ war zu über die gesamte Saison deutlich zu spüren. Bei manchen Teams gab es Phasen wo dies nach außen nicht in diesem Umfang zu sehen war.

Mentale Stärke
Praktisch über die ganze Saison war die Mannschaft in ihrer „eigenen Zone“. Teamgeist und Fokussierung waren sehr deutlich spürbar. Auch von Gegentoren oder den seltenen Negativerlebnissen ließ sich das Team nicht aus der Bahn werfen.

Besonders beeindruckend war diese Gewinnermentalität in engen Situationen. Die Spieler strahlten in der Regel aus, dass man „Wege finden würde“ um am Ende als „erfolgreiches Team“ das Eis verlassen zu können. Diese Einstellung und dieser Auftritt waren beeindruckend. Davon könnten sich auch andere Teams aus anderen Sportarten eine sprichwörtliche Scheibe abschneiden.

Serge Aubin und seine strenge, gerechte Art
Vor der Kamera wollten die Spieler in der Regel nur ungern über Serge Aubin und seine Art sprechen. Abseits von Mikrofonen und Aufnahmengeräten war der Tenor eindeutig. Ein „super Mensch“, der „hart aber sehr gerecht“ ist. Ein schlechtes Spiel würde er verzeihen, wenn der Kampfgeist im Dienste der Mannschaft stimme. Wenn das nicht der Fall ist, sitzt man auf der Bank und erhält eine „Nachdenkpause“. Dabei macht Serge Aubin auch vor „großen Namen“ nicht halt. Ein Umstand, den mehrere Spieler im Saisonverlauf in diversen Interviews bestätigten.

Fakt ist, dass dieser Mix bei den Spielern ausgezeichnet angekommen ist. Jeder weiß woran er ist, was er darf und was nicht! Jeder Spieler ist wichtig und auch „potentielle Stars“ stehen nicht nicht über der Mannschaft. Diese Rahmenbedingungen waren auch ein Umstand dafür, dass keine Allüren einzelner Spieler aufkamen.

Homogenes Betreuerteam
Nach dem Spiel stand Serge Aubin mit seiner Mannschaft im Rampenlicht. Der Frankokanadier wird als zweiter Meistertrainer in die Geschichtsbücher der Vienna Capitals Einzug finden. Ein Schlüssel des Erfolges liegt jedoch auch im Betreuerteam. Die Wertigkeit von Assistent Craig Streu wurde im Saisonverlauf unterschätzt. Seine menschliche Art kommt bei Spielern wie Journalisten äußerst gut und sorgte besonders in der Startphase für positive Energie. Dazu kommen die Mannschaftsbetreuer, die weiteren Assistenztrainer und auch Nachwuchsleiter Christian Dolezal. Wenn man über die Mannschaft der Vienna Capitals schreibt, dass kein sprichwörtliches Löschblatt zwischen ihnen passte so gilt dies auch für das Trainerteam. Anders als in den Vorsaisonen zog man kräftigst an einem Strang. Nur unter diesen Aspekten ist sportlicher Erfolg möglich!

„Glück bei Verletzungen“
Ali Wukovits ist mit seiner zweiten Gehirnerschütterung innerhalb eines Jahres definitiv der große Pechvogel der Saison im Bereich der verletzten Spieler. Auch ein Mario Fischer wurde aufgrund seiner Spielweise in der Finalserie schmerzhaft vermisst. In puncto länger verletzten Spieler ist die Liste bei den Vienna Capitals kurz. War es Glück? War es Trainingssteuerung oder eine Fügung? Fakt ist, dass die Vienna Capitals vom Verletzungsteufel verschont blieben. Besonders die Schlüsselspieler konnten die Saison praktisch zur Gänze durchspielen. Einzig McGregor Sharp musste von den „Key-Playern“ im Angriff einige Spiele auslassen. In der Verteidigung war der zeitweise Verlust von Tyler Cuma durchaus verkraftbar. Auch weil in dieser Phase Dominic Hackl unterstrich, dass er mehr als „nur ein Ergänzungsspieler“ ist.

„Lust ein Stück Geschichte zu schreiben“
Sportsaisonen haben in der Regel ein Phänomen das man am ehesten mit „Eigendynamik“ definieren kann. Die Vienna Capitals eilten von Sieg zu Sieg, von Rekord zu Rekord. Zur Mitte der Pick-Round hatte man das Gefühl, dass die Mannschaft noch mal Schwung nahm. Der verpasste Sprung über die 100-Punkte-Marke wirkte rückblickend betrachtet wie eine Initialzündung. Niemand sprach es offen aus, aber die Mannschaft hatte „Lust“ ein Kapitel Team- und österreichischer Sportgeschichte zu schreiben.

Die Saison 2016/17 ist beendet. Eine Spielzeit wie aus dem Märchenbuch ist absolviert. Im zweiten Teil des Sportreport-Saisonrückblicks gibt es die individuelle Zeugnisverteilung.

10.04.2017