Austria Wien

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Nach 13. Runden in der Bundesliga-Saison 2018/19 ist Austria Wien genau dort, wo die Veilchen nie hin wollten. Die Wiener Violetten sind zurück im biederen sportlichen Mittelmaß der heimischen Meisterschaft.

Ein Kommentar von Thomas Muck:
Viel hat sich über den Sommer bei Austria Wien getan. Spieler kamen und gingen. Auch auf der Ebene der Entscheidungsträger hat sich einiges getan. Unmittelbar vor der zweiten Länderspielpause sind die Favoritner dort, wo sie eigentlich nicht hin wollten. Im biederen, düsteren Mittelfeld der Liga. Die Gründe dafür sind offensichtlich. Auch, weil man zum Teil die falschen Lehren gezogen hat. Die Baustellen rund um den Verteilerkreis haben sich nicht geändert.

Werfen wir einen Blick darauf:

Wo ist das durchgehende, sportliche Konzept? Das ist die sportliche Identität der Veilchen?
Die Zeit von Franz Wohlfahrt als Sportdirektor wird wohl als „großes Missverständnis“ in die Geschichtsbücher der Veilchen eingehen. Ralf Muhr war zuerst technischer Direktor und ist nun für die sportlichen Belange der Austrianer verantwortlich. Der ehemalige Akademie-Leiter soll die Wiener Violetten wieder in die Erfolgsspur zurück bringen.

In einem Grundpfeiler eines (Profi-)Sportvereins sieht das Zeugnis aktuell eher düster aus.

Ralf Muhr hat im Sommer (berechtigt!) großen Wert auf Durchgängigkeit gelegt. Warum aber nicht in allen Bereichen? Nachwuchsteams, Young Violets und die Kampfmannschaft spielen unterschiedliche Systeme. Jeder (Trainer) kocht seine eigene Suppe. Die sportliche Identität ist weder auf dem ersten, noch zweiten Blick erkennbar. Das aktuelle Gefühl sieht eher so aus, dass man von einem Spiel zum nächsten hangelt.

Zusammenstellung des Kaders – „Grünwald-Problem“ ohne Lösung
Elf Neuzugänge standen am Ende 13 Abgängen gegenüber. (Technischer-) Sportdirektor Ralf Muhr hat mit einigen Verstärkungen auf Fehler aus der Vorsaison reagiert. Die Innenverteidigung wurde mit Igor, Schoissengeyr verstärkt. Cuevas, Jeggo und Ebner dürfen getrost als Verstärkungen in der Defensive angesehen werden.

In einem Punkt wurden aber nicht die Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Die Abhängigkeit von Kapitän Alexander Grünwald ist sportlich größer den je. Bis zu seiner Schulterverletzung war der Spielmacher praktisch nicht ersetzbar. Sein designierter Nachfolger Dominik Prokop stagniert in seiner sportlichen Entwicklung. Der 21-Jährige muss aufpassen, nicht bald in den Status des ewigen Talents zu verfallen.

Das „Grünwald-Problem“ erklärt auch die Offensivschwäche der Veilchen. Matic läuft seiner Form hinterher. Sax war lange verletzt und ist im Zentrum bei weitem nicht so stark, wie bei seinem Ex-Verein am Flügel. Abgesehen von den Spielern im Sturmzentrum, gibt es niemanden, der sich auf der Spielmacherposition wohl fühlt und sich sportlich in akzeptabler Verfassung befindet. Die (violette) Katze beißt sich mal wieder in den Schwanz.

Verletzungspech
Alexander Grünwald fällt mit einer unglücklichen Schulterverletzung bis Anfang 2019 aus. Aber auch sonst wurden die Veilchen vom Verletzungsteufel bereits intensiv heimgesucht. Die Neuzugänge Alon Turgeman, Bright Edomwonyi, Maximilian Sax, Michael Madl oder auch James Jeggo, fielen aus oder stehen dem Trainerteam nicht zur Verfügung. Der aktuelle Kader kann den Ausfall dieser Qualitätsspieler in dem von Trainer favorisierten System nicht auffangen.

Mangelnder Erfolgshunger bei Talenten

Und jährlich „grüßt das Murmeltier“ – der Verletzungsteufel scheint bei den Veilchen eine „Wohnung gemietet“ zu haben. Wie schon in der Vorsaison fallen Leistungsträger über einen erheblichen Zeitraum aus. Nachwuchs (über die Definition sollte man sich generell mal unterhalten Anm.) wie auch Eigenbauspieler bei den Young Violets, hätten die große Chance gehabt, sich festzuspielen. Es drängte sich aber niemand wirklich auf. Anders als bei anderen Vereinen fehlt das „Feuer von unten“. Niemand „nötigte“ Trainer Letsch ihn einsetzen zu müssen. Es war mal wieder leicht Einsatzzeit in der Startelf zu bekommen. Ausnutzen konnte diese Möglichkeit niemand.

Spieler stagnieren in ihrer sportlichen Entwicklung

In einem wichtigen Punkt gab es in den letzten Monaten bei Austria Wien keine Trendumkehr. Spieler stagnieren in ihrer Entwicklung. Bestes Beispiel dafür ist Dominik Prokop. Der 21-Jährige hat in Wahrheit fast alle Anlagen, um ein außergewöhnlicher Spieler zu sein und im Ausland für Furore sorgen könnte. In den letzten eineinhalb Jahren stagnierte er jedoch. Von konstant starken Leistungen ist Dominik Prokop aktuell weit entfernt. Dementsprechend hat der 21-Jährige aktuell einen Stammplatz auf der Ersatzbank. Auch nach dem Ausfall des Spielers, dem er eigentlich nachfolgen sollte.

Trainer Thomas Letsch
Seit 25 Meisterschaftsspielen zeigt sich Thomas Letsch für die sportlichen Geschicke von Austria Wien verantwortlich. Die Bilanz: zehn Siege, vier Unentschieden bei elf Niederlagen – mit einer Tordifferenz von 30:32. Der Punkteschnitt von 1,36 Zähler pro Spiel ist alles andere als herausragend.

Ein Trainer wird an den Resultaten gemessen. Hier ist das Zeugnis für den Deutschen nicht gerade überragend. In der „B-Note“ sieht es wenig besser aus. Offensiv sind die Veilchen weiter auf der Suche nach Durchschlagskraft, Esprit, Geschwindigkeit und Produktivität.

13 erzielte Tore in 13 Spiele dürfen getrost als „ausbaufähig“ bezeichnet“ werden. Die Wiener Violetten suchen ihre sportlichen Identität.

War alles negativ? Nein! Nur 14 Gegentore sind ein Spitzenwert! Drei Teams kassierten weniger Treffer. Dieser Umstand hängt wohl auch mit Torhüter Patrick Pentz zusammen, der aktuell der beste Spieler der Veilchen ist.

Mangelnde Flexibilität auf die Ausrichtung des Gegners
Das Heimspiel gegen den WAC war für Austria Wien aus mehrerlei Hinsicht ein abschreckendes Spiel. Auf die Adaptierungen des gegnerischen Trainers in der Pause, fand das Trainerteam kein Gegenmittel. Auch die Reaktion darauf dauerte lange. Viel zu lange!

Die Liste der Spiele, bei denen man sich über Performance der Mannschaft in diesem Punkt unterhalten kann, ist lange. Einige Beispiele gefällig? Im Heimspiel gegen den LASK fand man kein Mittel gegen das Pressing des Gegners und das Spiel über die zweiten Bälle. Gegen Sturm Graz fand die Meisterschaft kaum ein Mittel, die Überzahlsituation der Gäste durch deren „Verschiebeverhalten“ zu finden. Gegen Wacker Innsbruck fehlten am Ende die Ideen, und auch die Wucht einen tief stehenden Gegner auszuhebeln.

Wer trägt in diesem Punkt die Schuldfrage? Trainer Thomas Letsch oder die Spieler? Sich rein am Trainer „abzuputzen“ wären falsch. Von gut ausgebildeten Fußballprofis darf man sich mehr erwarten auch mal die Initiative selbst auf dem Spielfeld zu übernehmen. Ein Schuss aus 20, 25 Metern kann sich auch mal ins Tor „verirren“. Mit Abschieben der Verantwortung und Alibi-Pässen hilft man weder sich selbst, noch der Mannschaft und auch nicht dem Trainer.

„Zufriedenheit“ in allen (sportlichen) Belangen
Der FK Austria Wien ist ein Traditionsverein in Österreich und bekannt über die Grenzen hinaus als internationaler Ausbildungsverein. Die Liste an Spieler, die den Sprung in andere (zum Teil auch deutlich größere) Ligen schafften, ist lange.

Dieses Konzept des internationalen Ausbildungsvereins funktioniert aber nur mit Hunger in den eigenen Reihen. Bei einigen Spielern hat man das berechtigte Gefühl, dass sie zufrieden wären. Den Umstand einen Vertrag bei den Veilchen zu haben, scheint für ein Sättigungsgefühl zu sorgen. Die Folge: mangelndes Feuer, Stagnation. Die (violette) Katze …

Daheim „unterhaltsam bis brauchbar“ – auswärts …

Die Generali-Arena neu ist ein Stadion, welches fast alle „Stückeln“ spielt. Wenn man bedenkt wie das ehemalige Horr-Stadion noch vor 15 Jahren aussah, muss den Vereinsverantwortlichen gratuliert werden, dass die adaptiere Heimstätte jetzt das Prädikat „Kleinstadion von internationaler Wertigkeit“ mehr als verdient. Austria Wien hat endlich ein Heimstadion, das diesen Namen verdient. Dies macht sich auch sportlich bezahlbar.

Nach sechs Spielen, stehen drei Siege zu Buche. Die Niederlagen gegen den LASK und WAC dürfen getrost als vermeidbar bzw unnötig bezeichnet werden. Fakt ist, dass die Mannschaft in der Generali-Arena endlich wieder einen echten Heimvorteil besitzt. Daheim hui, aber auswärts …? Nach sieben Spiele stehen zwei Siege und sieben Punkte zu Buche. Dabei wurden allerdings nur zwei (!) Tore erzielt. Viel zu wenig für die eigenen Ansprüche. Um sich für die Meisterrunde zu qualifizieren, muss nun auch endlich auswärts produktiv gespielt werden.

In Wahrheit gibt es aber auch zwei Aspekte, die man aktuell positiv erwähnen muss. Der eine ist sportlicher Natur, der andere abseits des Feldes.

Patrick Pentz

Der Spieler der laufenden Saison ist Patrick Pentz. Der 21-Jährige Torhüter war praktisch der einzige Gewinner aus der letzten Seuchenspielzeit. Mit Leistung spielte sich der gebürtige Salzburger in der Startelf fest. In den letzten Wochen machte der Schlussmann einen weiteren großen Schritt in seiner sportlichen Entwicklung. Neben bärenstarken Paraden, intelligenten Aufbaupässen und einer ansteckenden Ruhe, ist Patrick Pentz aktuell einer der wenigen sportlichen Lichtblicke. Selbst unappetitliche Drohungen gegen ihn und seine Familie brachten ihn nicht aus dem Konzept. Geht die sportliche Entwicklung so weiter, wird Patrick Pentz wohl auch für Teamchef Franco Foda sehr bald ein Thema sein. Leistungstechnisch hätte er eine Einberufung in den Teamkader verdient.

„Verwöhnte“ Fans sind hart im Nehmen
Sportlicher Erfolg und eine attraktive Spielweise verkaufen Eintrittskarten. Erstes trifft bestenfalls teilweise auf die Veilchen zu, über zweiteres kann man durchaus diskutieren. Fakt ist aber, dass die Fans wieder in Massen in die Generali-Arena strömen. Mit über 10.000 Zuschauern im Schnitt liegt man auf Platz zwei. Die Fans unterstützen die Mannschaft auch in schlechten Zeiten. Nach dem sportlichen Desaster gegen den WAC machten die Zuschauer ihrem Ärger berechtigt Luft. Nun gibt es zum ersten Mal auch offen Kritik an den handelnden Personen. Davor gab es, trotz überschaubarerer Leistungen, relative Ruhe rund um den Verteilerkreis. Dies war nicht immer so! In der Vergangenheit galt der „Austria-Anhänger“ als verwöhnter, schwer zufriedenstellender „Kunde“. Im Jahr 2018 sind die Fans der Veilchen eher als „treu und leidgeprüft“ zu bezeichnen.

Fazit:
Zum Saisonstart war das Motto klar: Alles muss besser werden und der Verein muss zurück auf die Erfolgsspur. Eine Saison wie die letzte sollte nicht mehr geschehen.

Viel wurde geändert, sportlich gab es aber keinerlei Impulse. Austria Wien steht nach 13 Runden auf Platz sechs. Der Sturz aus der Meisterrunde droht am nächsten Spieltag. Guter Rat ist teuer.

Was sollen die Verantwortlichen tun? Ein Trainerwechsel? Weitere Strukturveränderungen? Das Eis für Trainer Thomas Letsch ist aus berechtigten Gründen dünner geworden. Seine Ablöse würde aber die Probleme des Vereins nicht lösen. Der FK Austria Wien rutschte in der letzten Seuchensaison zurück ins düstere Mittelmaß der Bundesliga. Von dort gab es bisher kein Entkommen. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht.

Quo vadis FK Austria Wien?
Eine Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt. Wohl auch aufgrund der vielen ungelösten sportlichen Problemzonen rund um den Verteilerkreis in Wien-Favoriten. Die Katze beißt sich, mal wieder, selbst in den Schwanz.

11.11.2018