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Seit der Causa Austin Smith hat sich die Erste Bank Eishockey Liga den Kampf gegen Gehirnerschütterungen und Kopfverletzungen auf die Fahnen geschrieben. Ein „wichtiges, hohes Ziel“ oder ein „mauer PR-Gag“? Die Antwort darauf fällt eindeutig aus. Ein Kommentar von Thomas Muck.

Eishockey ist definitiv die schnellste Mannschaftssportart der Welt. Wer selbst mal auf dem Eis stand wird das Gefühl kennen, wenn man sich nach rund 45 Sekunden Einsatzzeit körperlich erschöpft zur (Auswechsel-)Bank schleppt. Die Sportart lebt von körperlicher Dynamik. Die Spieler werden auf Profi-Niveau immer schneller, sind körperlich praktisch perfekt austrainiert und werden gefühlt von Jahr zu Jahr körperlich größer und schwerer. Praktisch kaum ein Crack schafft es daher ohne körperliche Blessuren durch eine Saison. Diese passieren zum Teil bei fairen Aktionen, hauptverantwortlich sind jedoch die unfairen oder grenzwertigen Situationen.

Eishockey lebt natürlich auch von Emotionen. In so mancher Situation ist es menschlich, dass man bei „Ruhepuls 180“ Aktionen im Grenzbereich des Regelwerks zeigt. Manche sind unabsichtlich, manche sind schlicht und ergreifend unfaire Foulspiele. Auch gegen den Kopf! Nicht nur in der Erste Bank Eishockey Liga, sondern in internationalen Ligen steht der Kampf gegen Gehirnerschütterungen ganz oben auf der Agenda. Ist es aber wirklich so?

Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse sind definitiv alarmierend. Die aktuellsten Studien in den USA besagen, dass nicht nur die klassischen Gehirnerschütterungen, sondern bereits „kleine Schläge“ gegen den Kopf zu schweren Langzeitfolgen führen würden/können. Folgenschwere Krankheiten wären demnach in klassischen Kontaktsportarten wie Football und Eishockey vorprogrammiert. American Football hat darauf reagiert und das Regelwerk adaptiert. Manche Aspekte sind definitiv positiv, andere sind gefühlt negativ und definitiv zu hinterfragen. Die Auswirkungen sind jetzt bereits deutlich erkennbar. Der Kopf wurde zu einer Art „Tabuzone“. Durch Strafen auf dem Feld und erheblichen Sanktionen wurde das Verhalten der Spieler umgestellt. American Football mag zwar in Teilen eine „andere“ Sportart als in den 1970er, 80 und 90er sein, trotzdem gilt das Spiel weiter als hart, kompromisslos und von der „Verletzungsseite“ als brutal.

Werfen wir auf der Gegenseite einen Blick auf Eishockey
Hier sprechen die Fakten eine andere Sprache. Egal, ob in der NHL, im europäischen Eishockey oder in der Erste Bank Eishockey Liga, die Sanktionen sind bei „Check gegen die Bande“ oder „Check gegen den Kopf“ harmlos. Ein oder maximal zwei Spiele, so lautet das Standard Urteil. Das Vergehen selbst scheint zweitrangig zu sein. Ein Spieler der jüngsten Vergangenheit, der mit einer Gehirnerschütterung flach lag, bezeichnete diese Sanktionen als „Scherz“ und einer der selbst kürzlich gesperrt war meinte zu dem Thema, dass es „egal wäre, weil Gehirnerschütterungen von einigen Teams und der Liga als PR-Aktion verwendet werden würden“. Starker Tobak! Bei nüchterner Betrachtung ist in beiden Statements viel Wahrheit verankert.

Eishockey-Ligen und Teams spielen mit der Gesundheit der Spieler. Sowohl was die Länge der Sperren angeht, aber auch die Infrastruktur in den Arenen betrifft. Solange die „Forgiving Boards“, sprich die „nachgebenden Banden“, die in Nordamerika seit einer Ewigkeit fixer Bestandteil einer Arena sind, seit Jahren in der heimischen Liga angekündigt, aber nicht umgesetzt werden, dürfen Zweifel an den Intentionen geäußert werden. Solange es Verantwortliche an der Spitze von Ligateams gibt, die Gehirnerschütterungen als „Fake News“ bezeichnen, sind berechtigte Zweifel angebracht, ob es wirkliche alle Liga-Teams in dieser Thematik ernst meinen. Zugegeben, die „nachgebenden Banden“ lösen das Gehirnerschütterungs Problem nicht vollständig. Sie können aber welche verhindern! Die Spieler sind das Kapital der Liga. Fans und Beobachter wollen sie am Eis sehen und nicht auf der Verletztenliste. Ein komplexes Thema! Manchmal dreht man sich dabei auch im sprichwörtlichen Kreis.

Generell gesprochen: Bodychecks gehören zum Spiel. Sie zu eliminieren wäre ein schwerer Fehler. Eishockey würde ein Teil seiner DNA verlieren. Der fatale Check, der die Karriere von Austin Smith beendete, war vermutlich fair. Zumindest geht dies aus dem Video hervor, welches EBEL-DOPS mittels Presseaussendung präsentierte. Manchmal passieren Verletzungen, hier gilt es die richtigen Rückschlüsse zu ziehen.

Die medizinische Ebene
Bei Red Bull Salzburg und den Vienna Capitals gibt es eigene Programme für Gehirnerschütterungen. Die Spieler sind versorgt und das letzte Wort hat der Arzt. Bei diesen Teams ist es – zumindest nach außen hin – keine Schwäche, mit einer Kopfverletzung auszufallen. Bei anderen Teams ist es sehr wohl eine! Die Schilderungen von Austin Smith werden von anderen Spieler abseits der Mikrofone bestätigt und sind somit kein Einzelfall. Vor einigen Stunden erklärte ein Ex-EBEL-Profi in einem persönlichen Gespräch, dass er sich „an einige Spiele in seiner Karriere nicht erinnern könne“. Da „blieb der Strom weg“ und jetzt hätte er ein „Erinnerungsloch von vielen Tagen“. Er wollte damals keine Schwäche zeigen und hätte nun Sorgen um seine Zukunft. Man sieht, dass Eishockeyspieler „auch nur normale Menschen“ sind und die haben wie „normale Männer“ ein „Grundproblem“. Der menschliche Körper ist verwundbar! „Falsche Härte“ ist manchmal auch Dummheit! Das müssen die Cracks selbst aber auch die Öffentlichkeit verstehen!

Der Kopf und das Gehirn sind auf bestimmte äußere Einflüsse nicht trainierbar. Er ist den Außeneinwirkungen ausgesetzt und sind besonders schützenswert. Durch die neueste Generation Helme zum Beispiel. Gerüchte besagen, dass sich nicht alle Teams diesen Luxus leisten wollen. Aber auch Schiedsrichter und eine strikte Ahndung von Foulspielen, sowohl durch Referees, aber auch durch den Strafsenat – durch DOPS.

Wie bereits beschrieben, die Sperren für Fouls mit potentieller Langzeitwirkung sind erschreckend niedrig bis lachhaft. Die längste Sperre in der heurigen Saison betraf Znojmo-Coach Miroslav Frycer wegen „unsportlichem Verhalten“. Er musste vier Spiele pausieren. Unsportlichkeit scheint aktuell ein Vergehen zu sein, welches hoch im Kurs ist. Anders scheint es nicht erklärbar, warum HC Innsbruck-Spieler Lindner eine Geldstrafe für eine emotionale Reaktion bekommt (LINK), während sein Gegenspieler für ein schmutziges Foul lediglich für 2+2 Minuten auf die Strafbank musste. Um die fällige Spieldauerstrafe kam er herum. Warum eigentlich? Fehlt vielleicht auch den Schiedsrichtern auch an Qualität die dementsprechende Szene richtig zu bewerten?

Dazu ein Beispiel. Die Attacke von Anze Kuralt (Fehervar) im Spiel gegen die Vienna Capitals, welche zu einer Sperre von zwei Spielen führte, blieb am Eis ungeahndet. Sie war einzig und alleine gegen den Kopf des Gegenspielers gerichtet. Ungläubiges Kopfschütteln macht sich breit beim Betrachten des Videomaterials.

Der „Kampf“ gegen Gehirnerschütterungen und Kopfverletzung… Aufgrund der Faktenlage scheint es ein „K(r)ämpfchen“ zu sein. Auf fast allen Ebenen!

Fassen wir zusammen: Check gegen den Kopf und der Schutz des Selbigen, sind ein Ziel, welches absolut wünschenswert ist. Die Umsetzung steckt aber bestenfalls in den Kinderschuhen. Trotz jahrelanger Ankündigung. Vollständig wird man die „Kopftreffer“ nie eliminieren können. Manchmal passieren unabsichtliche Aktionen aus der Dynamik einer Situation heraus. Man kann jedoch die schmutzigen Fouls eliminieren in dem man Härte zeigt. Aber wird dies gewünscht? Ein Insider dazu: Wenn durchgegriffen werden würde, gäbe es Geheule. Vereine instrumentalisieren populistische Medien, diese emotionalisieren die Fans und am Ende wird aus dem Thema zum „Sportpolitikum“. Dann wird öffentlich wieder auf die Punkteregel zum Sündenbock gemacht und das will innerhalb der Liga, zumindest in der Öffentlichkeit, keiner. Die Katze beißt sich also in den Schwanz und es gibt eine Gruppe die verliert: Die Spieler und ihre Langzeitgesundheit. Änderung an der aktuellen Situation ist keine in Sicht! Warum auch? Die Causa Austin Smith ist öffentlich längst vergessen und Gehirnerschütterungen passen nicht in das Bild des „harten Eishockeyspielers“. Jeder Eishockey-Spieler träumt davon die Härte eines Bob Baun im sechsten Spiel des Stanley Cup-Finale 1964 zu besitzen wo der trotz schwerer Verletzung der entscheidende Mann am Eis war. Beim Thema „Check gegen den Kopf“ und Gehirnerschütterung ist eine solche Herangehensweise schlicht und ergreifend dumm und langfristig betrachtet vermutlich Selbstzerstörend. Danach sollten, wohl eher müssten, sich alle Beteiligten richten. Egal ob es sich dabei um einen Spieler, Vereinsverantwortlichen, Trainer, Manager, Spieleragenten, Journalisten oder Fan handelt.

02.01.2019