Im Finale am 26. Mai 2019 in Salzburg zwischen der SG Stockerau und der SPG Linz wurde das Ass von David Serdaroglu gegen Uros Slatinsek, das den Satz- und damit Spielgewinn bedeutet hätte, wegen Servicefehler aberkannt.
In der Folge sah Serdaroglu wegen Schiedsrichterbeleidigung die rote Karte, womit Slatinsek zum Sieger gekürt wurde und die SPG Linz zum Meister 2019. Gegen diese Entscheidung reichte Stockerau direkt nach Spielende Protest ein. Der Bundesliga-Ausschuss wies den Protest am 4. Juni 2019 zurück und bestätigte damals Linz als Meister.
Die SG Stockerau nutzte daraufhin die letzte Chance und ging zum ÖTTV Berufungsgericht. Dieser entschied nun, der Berufung der SG Stockerau statt zu geben. Damit zählt das Ass von David Serdaroglu als Punktgewinn, womit auch das Spiel an den 23-Jährigen geht und das Finale 3:3 endet. Aufgrund der besseren Tabellenplatzierung nach dem Grunddurchgang wird Stockerau zum Sieger der Partie und damit zum Meister 2019 erklärt.
Presseinfo Österreichische Tischtennis Bundesliga/www.ttbundesliga.at
ÖSTERREICHISCHER TISCHTENNIS VERBAND
Berufungsgericht
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Urteil
Das Berufungsgericht des ÖTTV hat durch Dr. Helmut Kusternik als Vorsitzenden, Mag. Gerhard Mader sowie o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski als weitere Mitglieder über die Berufung der SG Stockerau, vertreten durch Dr. Manfred Dimmy, Rechtsanwalt in 2000 Stockerau, gegen die Ablehnung des Protests der SG Stockerau gegen die ungerechtfertigte Abänderung einer Schiedsrichter entscheidung durch den Bundesligaausschuss des ÖTTV vom 06.06.2019 (ohne Geschäftszahl), zugestellt am 07.06.2019, zu Recht erkannt:
1./ Der Berufung der SG Stockerau wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung des Bundesliga-Ausschusses vom 06.06.2019 (ohne Geschäftszahl) dahingehend abgeändert, dass diese wie folgt zu lauten hat:
1.
Dem Protest der SG Stockerau wird stattgegeben, sodass das Spiel Nr. 6 der Begegnung der 1. Bundesliga zwischen der SG Stockerau 1 und der SPG Linz 1 vom 26.05.2019 mit 3:2 für die SG Stockerau und damit das Endergebnis dieser Mannschaftsbegegnung mit 3:3 zu werten ist.
2.
Die Protestgebühren der SG Stockerau werden rückerstattet.
2./ Die Rechtsmittelgebühren der SG Stockerau werden rückerstattet.
BEGRÜNDUNG
Zu beurteilen ist folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt
1.
Am 26.05.2019 fand im Rahmen des Bundesliga-Finalturniers (1. Herren Bundesliga) die Begegnung zwischen der SG Stockerau 1und der SPG Linz 1 statt. Im Spiel Nr. 6 trafen beim Stand von 2:3 für die SPG Linz 1 David Serdaroglu (SG Stockerau) und Uros Slatinsek (SPG Linz) aufeinander.
2.
Im fünften und entscheidenden Satz servierte David Serdaroglu bei einer 10:9
Führung und der Ball konnte von Uros Slatinsek nicht retourniert werden. Der in dieser Partie eingesetzte Schiedsrichter (SR) wertete diesen Punkt für die SG Stockerau, dies wurde vom SR sofort mit dem Heben des rechten Arms bekräftigt und die Spielstandsanzeige vom SR-Assistenten (SR-A) auf 11:9 für Stockerau gestellt.
3.
Unmittelbar darauf intervenierte der Oberschiedsrichter (OSR) beim SR wegen eines angeblich falschen Aufschlags von David Serdaroglu, der SR hob sodann den linken Arm und der SR-A änderte die Spielstandsanzeige nach einem Achselzucken auf 10:10.
4.
David Serdaroglu, der nach seinem Aufschlag zum 11:9 jubelnd auf den Spieltisch sprang und sich sein Trikot vom Leib riss, setzte das Spiel nicht fort, erhielt vom SR in weiterer Folge eine gelbrote Karte und sodann vom OSR eine rote Karte und wurde disqualifiziert. SR und SR-A haben dieses Spiel auf dem Spielbericht infolge Disqualifikation von David Serdaroglu beim Stand von 2:2 in Sätzen und 10:11 für die SPG Linz in Punkten für die SPG Linz gewertet und einen 4:2-Sieg der SPG Linz bestätigt.
5.
Die SG Stockerau hat nach der Disqualifikation von David Serdaroglu auf der
Rückseite des Spielberichtes folgenden Protesttext angebracht:
„PROTEST STOCKERAU:
Beim Stand von 10:9 im fünften Satz für Stockerau, machte der Spieler Serdaroglu
den letzten entscheidenden Punkt. Beide geprüfte (!) Schiedsrichter haben sofort dieselbe Meinung gehabt und den Punkt für Stockerau gezählt. Somit 11:9 für Stockerau. Unmittelbar danach kam Paul Stad/er als Oberschiedsrichter und meinte, dass Service war nicht korrekt und zwang die beiden Schiedsrichter, den Punkt für Linz zu zählen. Wir legen gegen dieses Ergebnis Protest ein.“
Dieser Protest wurde vom Repräsentanten der SG Stockerau Stanislaw Fraczyk unterfertigt. Zu welcher Uhrzeit dieser Protest auf dem Spielbericht angebracht wurde, kann nicht festgestellt werden. Die Anbringung erfolgte jedenfalls zeitlich vor der Anbringung der Sachverhaltsdarstellung der SPG Linz, die ebenfalls auf dem Spielbericht unmittelbar unter dem Protest der SG Stockerau hinzugefügt wurde. Sowohl der Protest der SG Stockerau, als auch die Sachverhaltsdarstellung der SPG Linz wurden jedenfalls noch vor der Fertigstellung des Spielberichtes und dessen Übergabe an den OSR mit Unterschrift angebracht.
Die Feststellung dieses Sachverhaltes ergibt sich aufgrund folgender Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den dem Berufungsgericht vorliegenden unbedenklichen Urkunden und den in Bezug auf den Sachverhalt weitgehend übereinstimmenden Parteienvorbringen. Weiters bestätigen Filmsequenzen den von den Beteiligten geschilderten Geschehnisablauf.
Verwertete Urkunden:
• Spielbericht Vorder- und Rückseite
• Stellungnahme SG Stockerau 28.05.2019
• Stellungnahme SR und SR-A vom 27.05.2019
• Stellungnahme SPG Linz (ohne Datum)
• Protokoll BL-Ausschuss vom 04.06.2019
• Entscheidung BL-Ausschuss vom 06.06.2019 (ohne GZ)
• Stellungnahme OSR Paul Stadler
• Zahlungsbestätigung Rechtsmittelgebühr
• Berufungsschrift SG Stockerau vom 17.06.2019
• Berufungsbeantwortung der SPG Linz vom 21.07.2019
Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich nunmehr folgende rechtliche Beurteilung:
1.
Nach den ITTF-Regeln ist der Schiedsrichter (SR) jene Person, die dafür eingesetzt wurde, das Spiel zu leiten. Der Schiedsrichter-Assistent (SR-A) ist die Person, die dafür eingesetzt wurde, den Schiedsrichter mit bestimmten Entscheidungen zu unterstützen. Dem Oberschiedsrichter (OSR) kommen keine unmittelbaren Spielleitungskompetenzen zu (Handbuch Abschnitt B Punkt 3.3.1, in der Aufzählung der Verantwortlichkeiten des OSR finden sich keine Spielleitungskompetenzen).
Wenn entweder der SR oder der SR-A über die Zulässigkeit eines Aufschlags nicht sicher ist, kann er, beim ersten Vorkommnis in einem Spiel, das Spiel unterbrechen und den Aufschläger verwarnen. Jeder folgende nicht eindeutig zulässige Aufschlag dieses Spielers gilt jedoch als unzulässig (Handbuch Abschnitt A Tischtennisregeln Punkt 2.6.6.1).
2.
Der SR ist ua verantwortlich (3.3.2.3) dafür, jeden Ballwechsel entweder als „Punkt“ oder „Let (Wiederholung)“ zu entscheiden (3.3.2.3.6) und nach dem festgelegten Verfahren den Spielstand anzusagen (3.3.2.3.7);
Entweder der SR oder der SR-A dürfen entscheiden, ob der Aufschlag eines Spielers falsch ist (3.3.2.5.1); Eine nach 3.3.2.5 vom SR-A getroffene Entscheidung kann vom SR nicht aufgehoben werden.
Bei Entscheidungen des SR und des SR-A iSd genannten Bestimmungen handelt es sich um Tatsachenentscheidungen. Gegen eine Tatsachenentscheidung des verantwortlichen SR oder SR-A kann kein Protest beim OSR, und gegen eine Entscheidung des OSR in Fragen der Auslegung von Regeln oder Bestimmungen kann kein Protest bei der verantwortlichen Turnierleitung eingelegt werden (3.3.3.2).
Unmittelbar, nachdem der Ball aus dem Spiel ist und ein Ballwechsel beendet wurde, oder so bald wie möglich danach gibt der SR den Spielstand bekannt (3.4.1.1.). Der SR kann, zusätzlich zur Spielstandsansage, seine Entscheidungen durch Handzeichen unterstreichen (3.4.1.2). Der Spielstand muss auf mechanischen oder elektronischen Zählgeräten angezeigt werden, die für die Spieler und für die Zuschauer klar zu erkennen sind.
3.
Nach § 32 Abs 1 der Bestimmungen für Tischtennis-Wettbewerbe in Österreich (Handbuch Abschnitt C- Regulativ) können Anzeigen und Proteste- sofern für sie nicht eine besondere Frist gilt – jederzeit eingebracht werden. Allfällige Mängel gelten, wenn sie später als 8 Tage nach Beendigung des letzten Meisterschaftsspiels bzw. nach eventuellen Entscheidungsspielen hervorkommen, als verjährt.
Erblickt eine Mannschaft im Verhalten der anderen Mannschaft eine Regelwidrigkeit, oder entsprechen die Spielverhältnisse nicht den Bestimmungen, dann muss der Repräsentant der bemängelnden Mannschaft den Protestgrund unter Angabe des Eintritts, der Zeit und des Spielstandes vermerken. Das Spiel muss aber trotzdem bis zur Entscheidung durchgeführt werden (§ 32 Abs 2).
In der Anmerkung zu Abs 3 des § 32 Regulativ ist angeführt, dass der Protest „sofort“ bei Eintreten des Protestgrundes auf dem Spielformular vermerkt werden muss. Ein Protest nach Abschluss des Spiels ist nur in den Fällen des § 18 Abs 6 (unberechtigte Spieler) möglich. Nach diesen Anmerkungen liegt ein Protestgrund z.B. vor, wenn das Spiellokal nicht mit dem Kommissionierungsbescheid übereinstimmt, wenn die Ausrüstung (Schläger) eines Spielers nicht den Bestimmungen entspricht oder wenn Schiedsrichter regelwidrig entscheiden.
4.
Tatsachenentscheidung – Regelverstoß:
a)
Der SR hat nicht nur Tatsachen festzustellen, sondern auch Entscheidungen zu treffen. Die Unterscheidung zwischen Tatsachenfeststellung und Regelanwendung entspricht der Abgrenzung von Sachverhalt und Norm. Als Sachverhalt kann das
konkrete Geschehen beim Spiel angesehen werden und als Norm gilt die abstrakte Regel. Während eines Spieles trifft der SR Feststellungen über Tatsachen (Tatsachenentscheidungen) und fällt Entscheidungen nach den Regeln.
b)
Tatsachenentscheidungen trifft ein SR grundsätzlich in der Zeit von der Spieleröffnung bis zum Spielende. Der SR hat als Spielleiter die Aufgabe, Tatsachen festzustellen, die sich auf alle Spielvorgänge und alle Verhaltensweisen der Spieler, die seiner Ordnungsbefugnis unterstehen, beziehen. SR können nur über jene Tatsachen eine Entscheidung treffen, die sie durch Sehen oder Hören selbst wahrgenommen haben. Wahrnehmungen anderer Spieloffizieller sind im TT Regelwerk nicht vorgesehen.
Aus der Sicht des Berufungsgerichtes ist nicht generell jede Entscheidung des SR, die mit dem Spiel zusammenhängt, eine Tatsachenentscheidung, sondern nur jene Entscheidungen über Tatsachen, die mit dem Spiel zusammenhängen. Entscheidungen des SR zu anderen Konstellationen als Tatsachenfeststellungen können daher als Regelverstöße angefochten werden. („oder wenn Schiedsrichter regelwidrig entscheiden“ – siehe Anm. zu § 32 Abs 3 Regulativ).
5.
Im vorliegenden Fall haben SR und SR-A beim Stand von 10:9 für Stockerau den nicht retournierten Aufschlag der SG Stockerau als Punkt für die SG Stockerau gewertet, dies wurde vom SR sofort mit dem Heben der rechten Hand bekräftigt und die Spielstandsanzeige auf 11:9 für Stockerau gestellt. Bei dieser (Punkt-) Entscheidung handelt es sich zweifellos um eine (unanfechtbare) Tatsachenentscheidung des SR, sodass der Satz, das Spiel Nr. 6 und gleichzeitig auch die Begegnung beendet waren.
6.
Im Regelwerk sind nachträgliche Abänderungen von Tatsachenentscheidungen des SR nicht vorgesehen. SR und SR-A haben vor dieser Entscheidung weder gezögert, noch sich beraten. Die Entscheidung, den Aufschlag für Stockerau zu werten, erfolgte spontan aufgrund der eigenen Beobachtung des SR. Der SR-A, der die Kompetenz gehabt hätte, auf unkorrekten Aufschlag zu entscheiden, änderte ohne
Bemängelung dieses Aufschlages die Spielstandsanzeige auf 11:9 für Stockerau. Erst nach der (kompetenzwidrigen) Weisung des OSR wurde der SR unsicher und änderte daraufhin seine Entscheidung (ohne rechtliche Grundlage) ab. Bei dieser revidierenden Entscheidung handelt es sich aber nicht mehr um eine Tatsachenentscheidung, sondern um eine Regelwidrigkeit, gegen die ein Protest zulässig ist („oder wenn Schiedsrichter regelwidrig entscheiden“). Das Beweisverfahren (Stellungnahme der SR) hat ergeben, dass die Abänderung der SR-Entscheidung einzig und allein aufgrundder Intervention und Weisung des OSR revidiert wurde.
7.
Stockerau hat dagegen, dass der SR (regelwidrig) aufgrund einer nicht rechtskonformen Weisung des OSR seine eigene (unanfechtbare) Tatsachenentscheidung revidiert hat, zulässigerweise protestiert, und zwar dadurch, dass auf dem Spielbericht ein Protestvermerk angebracht wurde, bevor dieser Bericht vom SR dem OSR übergeben wurde. Der SR hat durch die Zurücknahme seiner Tatsachenentscheidung einen Regelverstoß begangen, der maßgeblichen Einfluss auf das Spielergebnis hatte.
8.
Protestfrist – Rechtzeitiqkeit:
Zur Frage der Rechtzeitigkeit des Protestes sind folgende Ausführungen anzubringen:
a)
Nach § 32 Abs 1 Regulativ können Anzeigen und Proteste- sofern für sie nicht eine besondere Frist gilt – jederzeit eingebracht werden. Allfällige Mängel gelten, wenn sie später als 8 Ta ge nach Beendigung des letzten Meisterschaftsspiels bzw. nach eventuellen Entscheidungsspielen hervorkommen, als verjährt. In diesen Protestfällen ist keine Vermerkpflicht auf dem Spielbericht vorgesehen.
b)
Nach § 32 Abs 2 Regulativ ist für einen Protest wegen eines in dieser Bestimmung angeführten Protestgrundes eine Vermerkpflicht mit Mindestinhalten vorgesehen. Ein Protestgrund nach § 32 Abs 2 liegt aber nur dann vor, wenn er sich auf
Regelwidrigkeiten, die eine Mannschaft im Verhalten der anderen Mannschaft erblickt bezieht, oder wenn die Spielverhältnisse nicht den Bestimmungen entsprechen. Eine regelwidrige Entscheidung eines SR fällt nicht unter diese Tatbestände, daher ist§ 32 Abs 2 auf den gegenständlichen Fall nicht anzuwenden.
c)
§ 32 Abs 3 Regulativ (einschließlich der Anmerkung) enthält nähere Ausführungen über schriftliche Erläuterungen zu einem Protestvermerk und den Zeitpunkt seines Anbringens („sofort“ bei Eintraten des Protestgrundes). Die Regelungen des Abs 3 beziehen sich aber nur auf den Abs 2. Nur dann, wenn ein Tatbestand des § 32
Abs 2 Regulativ vorliegt, muss der Protest „sofort“ bei Eintreten des Protestgrundes auf dem Spielformular vermerkt werden. Nachdem der hier maßgebliche Sachverhalt aber keinen Tatbestand des § 32 Abs 2 Regulativ (Regelwidrigkeit im Verhalten der anderen Mannschaft oder nicht entsprechende Spielverhältnisse) erfüllt, besteht im Anlassfall weder eine Vermerkpflicht, noch ist die besondere zeitliche Verpflichtung „sofort“ maßgeblich bzw. anzuwenden. Es kommt daher im Hinblick auf die Rechtzeitigkeit der Protestanbringung die allgemeine Regel des § 32 Abs 1 zur Anwendung, weshalb der Protest der SG Stockerau jedenfalls rechtzeitig ist.
d)
Doch selbst dann, wenn man einen sofortigen Protestvermerk für erforderlich erachten würde, wäre die Rechtzeitigkeit gegeben. Im gegenständlichen Fall war das Spiel bereits beendet und die regelwidrige Entscheidung des SR erfolgte nach dem Spiel. Für diesen Fall sieht das Regulativ keine ausdrückliche zeitliche Regelung vor. Bei der „sofort“-Formulierung sind (unabhängig von den Tatbeständen des § 32 Abs 2) Fälle gemeint, bei denen das Spiel (trotz Protest) fortgesetzt wird. Es sollte somit noch vor dem nächsten Punkt der Protest angebracht werden müssen (daher auch die Forderung nach Angabe des Eintritts des Protestgrundes, nach der Zeit und des Spielstandes. Noch vor der Spielfortsetzung ist dann jeder über das Vorliegen eines Protestes informiert.
Die Verfasser des Handbuches haben offensichtlich nicht den Fall berücksichtigt, dass der Protestgrund nach dem letzten Punkt eintritt. Das Handbuch hat den Fall, dass eine regelwidrige Entscheidung des SR nach Spielende erfolgt, nicht bedacht.
Nach Ansicht des Berufungsgerichtes muss ein Protest gegen eine regelwidrige SR Entscheidung möglich sein, auch wenn diese erst nach Spielende getroffen wird. Die Anmerkung eines solchen Protestes auf dem Spielformular muss daher immer rechtzeitig sein, wenn dieser noch vor der Übergabe des Spielberichtes an den OSR angebracht wurde. Die Zulässigkeit eines Protestes gegen diese SR-Entscheidung wird auch vom BL-Ausschuss nicht bestritten. Zum Zeitpunkt der angefochtenen SR-Entscheidung war die Begegnung schon beendet. Die Protestbeschränkungen „nach Abschluss des Spiels“ in der Anmerkung zu § 32 Abs 3 können hier keine Anwendung finden, weil sich einerseits diese Anmerkung auf Tatbestände des§ 32 Abs 2 beschränkt und weil andererseits nach § 32 Abs 1 generell eine Protestmöglichkeit bei Regelverstößen vorgesehen ist (binnen acht Tagen). Jede andere Auslegung würde dazu führen, dass mit der (unanfechtbaren) Tatsachenentscheidung zwar die Begegnung für Stockerau endete, der SR dies jedoch (ebenfalls unanfechtbar) revidiert und nach zwei roten Karten die Begegnung für Linz als gewonnen erklärt. Hier wäre willkürlichen Entscheidungen (Regelverstößen) eines SR nach Spielende Tür und Tor geöffnet, was nicht dem Sinn des Regelwerkes entspricht.
Selbst dann, wenn man die Anmerkung nach § 32 Abs 3 für anwendbar erachten würde, muss eine sinnvolle Lückenschließung auf interpretativem Wege zum Wort „sofort“ in diesem Anlassfall erfolgen. Ohne reguläre Spielfortsetzung kann dieser Zeitspanne daher nicht jene Kürze abverlangt werden, die dann notwendig ist, wenn das Spiel noch nicht beendet ist und fortgesetzt wird. Zu berücksichtigen sind auch die tumultartigen Abläufe der Geschehnisse nach Spielende, die Schlag auf Schlag in Sekundenschnelle von der Zurücknahme der SR-Entscheidung bis zur Disqualifikation des Spielers von Stockerau abgelaufen sind. Das Berufungsgericht würde es daher auch im Falle der Notwendigkeit einer sofortigen Protestanbringung für rechtzeitig erachten, wenn der Protest noch vor der Fertigstellung des Spielberichtes und vor der Übergabe an den OSR angebracht wird.
9.
Disqualifikation:
An der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ändert auch der Umstand der Disqualifikation des Spielers Serdaroglu nichts. Der Abschnitt B des Handbuchs (Bestimmungen für internationale Veranstaltungen) enthält die Regelung, dass der OSR berechtigt ist, einen Spieler wegen grob unfairen oder beleidigenden Verhaltens zu disqualifizieren. Eine solche Disqualifikation kann für das einzelne Spiel, den Wettbewerb oder die gesamte Veranstaltung ausgesprochen werden (3.5.2.8). Eine solche Disqualifikation setzt jedoch voraus, dass das einzelne Spiel, der Wettbewerb oder die Veranstaltung noch fortgesetzt wird und nicht beendet ist. Im Anlassfall waren zum Zeitpunkt der Disqualifikation jedoch Spiel, Wettbewerb und Veranstaltung beendet. Wenn seitens der SPG Linz vorgebracht wird, diese Disqualifikation würde sich aufgrund der zeitlichen Nähe auch auf das zuvor beendete Spiel erstrecken, so ist dem Berufungsgericht für eine solche Rechtsansicht keine Rechtsgrundlage erkenntlich. Diese Disqualifikation hatte daher auf das Spielergebnis keinen Einfluss mehr und muss aus der Sicht des Disziplinarrechtes beurteilt werden.
10.
Zusammenfassung:
Die Begegnung zwischen der SG Stockerau 1 und der SPG Linz 1 endete durch eine Tatsachenentscheidung des SR mit einem 3:3. Das sechste Spiel zwischen Serdaroglu und Slatinsek ging mit 3:2 Sätzen an Stockerau.
Eine Revidierung einer bereits vom SR gefällten Tatsachenentscheidung durch diesen ist im Regelwerk des ÖTTV nicht vorgesehen, weshalb diese Abänderung seiner Entscheidung als regelwidrig aufzuheben und nicht geeignet ist, das bereits feststehende Ergebnis zu verändern.
Der Protest von Stockerau wurde rechtzeitig innerhalb der allgemeinen Protestfrist nach § 32 Abs 1 Regulativ erhoben. Mangels Vorliegens eines Tatbestandes des
§ 32 Abs 2 ist auch § 32 Abs 3 samt Anmerkung hier nicht anzuwenden. Doch selbst bei Berücksichtigung dieser Regelungen wäre der Protest für das Berufungsgericht als rechtzeitig angebracht anzusehen. Die Anbringung konnte gezwungenermaßen erst nach Spielende erfolgen, hier wären Beschränkungen von
Protestgründen gegeben, die jedoch eine Anfechtung einer regelwidrigen SR Entscheidung unmöglich machen und den notwendigen Rechtsschutz für solche Fälle verhindern würden. Aus diesem Grunde würde es das Berufungsgericht des ÖTrV für notwendig ansehen, auch regelwidrige Entscheidungen eines SR nach Spielende dem Protestregime zu unterstellen. Die dabei einzuhaltende Frist müsste interpretativ sinnvoll angewendet werden. Auch dieses Erfordernis wäre im Anlassfall für das Berufungsgericht erfüllt, weil der Protest noch vor Fertigstellung und Übergabe an den OSR angebracht wurde.
Ausall diesen Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Das Berufungsgericht des ÖTrV am 10.08.2019
13.08.2019