Basketball

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Gestern beendete der Österreichische Basketballverband die Saison 2019/20. Im Interview erklärt Präsident Gerald Martens die Hintergründe, was die aktuelle Situation für den heimischen Sport im Allgemeinen und den Basketball im Speziellen bedeutet und welche Chancen sich daraus ergeben.

Herr Präsident, wie erleben Sie die aktuelle Krise?

Was sich gerade abspielt, ist natürlich eine Katastrophe für die gesamte Gesellschaft. Es ist eine einschneidende Zeit, die aber auch etwas Positives mit sich bringt: Die Leute lernen zu verstehen, wie wichtig die tägliche Bewegung ist. Ganz egal, ob das die kleine Lauf- oder Radrunde, ein Spaziergang oder im Falle der zahlreichen Basketballer eben das Spielen am Freiplatz oder in der Halle ist. Erst, weil gewisse Dinge nicht mehr erlaubt sind, sieht man, wie lebensnotwendig sie für den Einzelnen sind.

Der Profisport ist von dieser Krise enorm betroffen. Was für Auswirkungen hat das aus Ihrer Sicht auf die Gesellschaft?

Ich denke, dass viele erst jetzt sehen, was Profisport für einen großen Teil unserer Gesellschaft bedeutet. Er ist ein Ventil, durch den der Druck des täglichen Lebens abgelassen werden kann. Für viele ist das Fantum die einzige reelle Chance, sich Ziele zu setzen, die man persönlich nie erreichen würde – als kleiner Teil von etwas richtig Großen. Bundeskanzler Sebastian Kurz streicht aktuell immer wieder das „Team Österreich“ heraus, dem wir alle angehören. Das ist natürlich vollkommen richtig. Aber gerade Sport fördert dieses „Team Österreich“ und dieses Team wird es immer geben, auch in Zeiten vor und nach der Krise.

Denken Sie, dass dieses Bewusstsein in der Politik vorhanden ist?

Sport schweißt uns alle zusammen. Der Erfolg genauso wie der Misserfolg. Dieses Gemeinschaftsdenken ist für uns Menschen so wichtig. Und es fehlt in Zeiten wie diesen natürlich völlig. Das kann viele in ein Loch fallen lassen. Die Politik tut gut daran, das wirklich ernst zu nehmen. Aber ich denke, dass die Lernkurve von Sportminister Werner Kogler sehr steil ist und er sieht in der derzeitigen Krise sehr konkret, wie lebenswichtig Sport für den Österreicher ist.

Basketball ist eine riesige Sportart. Sie müssen in diesen Zeiten also nicht nur für die Profiklubs Verantwortung übernehmen.

Basketball hat im nationalen „System Sport“ als zweitgrößte Sportart der Welt eine enorm wichtige Funktion – vor allem wenn man in die Zukunft blickt. Basketball wird in Österreich immer bedeutender, unser Zuwachs stützt sich stark auf Kinder der neuen Generationen und Zuwanderfamilien. Leider ist aufgrund der fehlenden öffentlichen Gelder permanent ein Vakuum vorhanden, dass es allen Vereinen schwer macht, den Sport nachhaltig und adäquat zu allen vergleichbaren Ländern in Europa weiterzuentwickeln. Basketball hat, obwohl die Leistungen innerhalb der Förderkriterien der BSG in den letztenJahren exzellent sind, nur einen Bruchteil der Förderungen anderer Sportarten in Österreich erhalten. Deswegen ist es umso wichtiger, konkrete Entscheidungen zum wohl aller Beteiligten zu treffen. Dazu gehört das Bewusstsein darüber, 23.000 aktive Sportler zu schützen, genauso wie alle Partner und die eigenen Mitarbeiter.

Natürlich sind auch die Top-Ligen betroffen. Gestern haben Sie die Saison für beendet erklärt. Wie kam es zu diesem Schritt?

Die Entwicklung in der letzten Woche war natürlich rasant. Für uns war dann relativ schnell klar, dass der Abbruch der Ligen der einzige gangbare Weg ist. Vor der Veröffentlichung war es uns aber wichtig, mit allen Betroffenen ausführliche Gespräche zu führen. Das Wichtigste war für uns, dass die Klubs diese Entscheidung mittragen. Und das tun sie zu 100%.

Was haben die Partner zum Abbruch der Ligen gesagt?

Wir haben da von allen Seiten vollste Unterstützung. Unser TV-Partner SKY Sport Austria hat der Bundesregierung bereits zu Beginn der Vorwoche die aktuellen Maßnahmen mit hoher Treffsicherheit vorweggenommen und das Wohl der eigenen Mitarbeiter vor die wirtschaftlichen Nachteile gestellt.Dafür steht SKY von allen Seiten die allerhöchste Anerkennung zu. Wie man sieht, wurde diese Strategie mit Verzögerung von den meisten anderen Medienhäusern übernommen. Es wurden letzte Woche in verschiedenen Sportarten Geisterspiele durchgeführt. Jeder hat dabei erleben dürfen, dass das nur begrenzten Wert und mit der Faszination Sport wenig zu tun hat. Wenn solche Spiele dann auch nicht mehr im Fernsehen übertragen werden, muss man wohl nicht lange über die Sinnfrage nachdenken.

Für die Vereine ist ein Abbruch der Liga natürlich katastrophal. Wie kann man Ihnen jetzt helfen?

Der Zeitpunkt ist richtig schlimm. Es trifft die Klubs vor der wichtigen Meisterschaftsendphase.Es ist einerseits tragisch, den Vereinen nach so vielen harten Spielen das bisher Erreichte wegzunehmen und das, was noch gekommen wäre, unmöglich zu machen. Meistertitel, Aufstieg, Abstieg, internationale Startplätze. Aber natürlich ist auch die wirtschaftliche Komponente ein riesiges Thema. Deswegen geht es für uns nun darum, die betroffenen Vereine dabei zu unterstützen, anfallende Schäden bestmöglich abzufangen. Zur Gänze werden sie sich nicht vermeiden lassen. Wir sind darauf aber gut vorbereitet und haben entsprechend wirkungsvolle Lizenzbestimmungen. Durch gemeinsame jährliche Budget- und Spielbetriebsplanungen in Anlehnung an strenge Kriterien werden gröbere Reaktionen auf eine derartige Krise weitestgehend ausbleiben.

Wie geht es nun weiter?

Wir hoffen und bitten auch um Unterstützung aller Partner und Sponsoren der Ligen, des Verbands und der Vereine, um die Weichen für die neue Saison zu stellen und den großartigen Sport Basketball in Österreich die Chance für eine schnelle Genesung zu ermöglichen. Im Gegenzug dürfen wir schon jetzt Versprechen, dass wir unmittelbar nach der Krise ein wahres Feuerwerk an Aktivitäten und Maßnahmen zünden, um den Sport nicht nur kurzzeitig anzukurbeln, sondern auch nachhaltig zu dem zu machen, was er überall ist – nämlich die zweitgrößte Sportart der Welt.

Es stehen zahlreiche Events an. Was heißt die aktuelle Situation für die weiteren Schritte?

Wir haben richtig viel vor, die weiteren Planungen werden und müssen ganz normal fortgesetzt werden. Das Projekt „3×3 School Jam“ liegt fix und fertig am Tisch. Sofort ab Wiedereröffnung der Schultore wird eine Serie an Landesturnieren gespielt. Wir sind der festen Überzeugung, dass der Appetit unserer Kleinsten auf solche Herausforderungen nach dieser schwierigen Zeit enorm sein wird. Dementsprechend ist schon jetzt eine riesige Beteiligung an den Turnieren absehbar. Für Ende Juni ist ein 3×3 Austrian Open angesetzt, das wir sehr gerne durchführen wollen. Im Juli haben wir die Hallen-Europameisterschaft der U18-Mädchen in der Steiermark/Burgenland. Ob diese stattfindet, wird der Weltverband FIBA erst Ende April entscheiden. Über den Sommer sollten in Summe 14 Nationalteams für Camps oder Endrunden-Teilnahmen zusammenkommen. Im September werden wir die 3×3 Junioren EM austragen. Dieser Event dient zur Vorbereitung auf den 3×3 World Cup 2021, bei dem dann hoffentlich die amtierenden Olympiasieger dabei sein werden. Es stehen bereits heute alle Landesverbände in den Startlöchern. Unsere Kollegen in den Bundesländern werden unmittelbar nachdem die Ampel auf Grün umspringt Turniere und Meisterschaften reaktivieren.

Und auch mit der Planung der Ligen müssen wir sofort beginnen. Das Gute ist: Die vielen Maßnahmen der aktuellen Saison werden dann enorme Früchte tragen. Wir hatten schon in der ersten Saison der ADMIRAL BSL 40% Zuwächse bei den Medienwerten und 20% mehr Zuseher in den Hallen. Und das obwohl die wichtigste Saisonphase noch nicht einmal begonnen hat. Wir sind hier eindeutig auf dem richtigen Weg.

Wenn Sie sich in Zeiten der Krise etwas wünschen dürften, was wäre das?

Ich bin am Sonntag, wie so oft, mit dem Rad nach Tulln gefahren – und ich habe dabei noch nie so viele aktive Menschen erlebt. Das ist großartig, die Leute bewegen sich überall im Land. Aber mein Appell an alle: Bitte befolgen wir die Regeln. Vermeiden wir Gruppenbildungen, betreiben wir den Sport alleine oder im Kreis unserer Wohngemeinschaft. Der größte Fehler wäre es, die gesetzten Maßnahmen nicht ernst zu nehmen. Es geht um die Gesundheit jedes Einzelnen – und das ist unser wichtigstes Gut. Ich bin mir sicher, dass das jeder respektiert. Auch unsere Basketballer werden verstehen, dass man zurzeit eben nicht auf den unzähligen Freiplätzen spielen kann. Aber die tägliche Bewegung darf nicht gefährdet werden. Mögen nicht nur all die Basketballverrückten, sondern das komplette Land diese Krise so schnell wie möglich überwinden.

Presseinfo Basketball Austria

17.03.2020