Mirna Jukic: „Die Welt liebt nur die Sieger“

Österreichs Schwimmstar im sportreport-Interview über ihre Sternstunden, ihre Krisen, ihre Pläne nach der Sportkarriere und über Interviews, die sie nie gegeben hat.
Sportreport: Du hast vor kurzem erst deinen 25. Geburtstag gefeiert. Nachträglich herzlichen Glückwunsch. Für die Sporthilfe bist du gar schon zur Legende (für die Aktion „Trag deine Legende“, Anm.) geworden. Ist es nicht etwas früh für dich?
Mirna Jukic: (schmunzelt) in meinem Alter schon zu den Legenden zu gehören ist ein komisches Gefühl. Aber mein Nachbar am Armband der jungen Legenden ist der Gregor Schlierenzauer. Der ist ja noch jünger als ich!
Wenn du auf so einem Armband berücksichtigt wirst, wird dir erst bewusst, was du in deinem Leben schon geleistet hast. Dann hast auch einiges für den österreichischen Sport erreicht. Als einzige Frau auf dem Armband der jungen Legenden zu sein ist natürlich eine besondere Ehre. Denn der Frauensport hat in der Öffentlichkeit geringeren Stellenwert. Dazu kommt, dass Schwimmen ein Sommersport ist. Das macht es am Ende noch schöner, von der Sporthilfe für diese Aktion auserkoren worden zu sein.
Sportreport: Im Rückblick auf deine Karriere: Wann hast du – unabhängig von der Platzierung – die beste Leistung deiner Karriere abgeliefert?
Jukic: Ganz oben steht natürlich die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen. Denn schon als kleines Kind habe ich zu meinen Vater gesagt, dass ich auch so etwas haben will. Mit zehn Jahren habe ich gedacht, dass du so etwas so einfach bekommst. Als Kind weißt du ja auch nicht so genau, wie man dazu kommt (lächelt). Als ich die Medaille hatte, ist so ein Druck von mir abgefallen. Auch bei meinem Vater. Denn mit der Bronzemedaille haben wir alles erreicht, was wir uns vorgenommen hatten.
Ein zweiter Moment war mit Sicherheit mein Europameistertitel mit 16. Es war ein wahnsinniges Gefühl, in diesem jungen Alter die etablierten Stars der Brustschwimmszene der Damen zu schlagen. Ich habe zwar vorher die Jugend-Europameisterschaft gewonnen, aber richtig ernst genommen wurde ich bis dahin nicht.
Aber es gab auch sonst noch viele schöne Momente. Ich war knapp zehn Jahre an der Spitze des Schwimmsports – und wenn ich ganz ehrlich bin: Ich möchte keinen Augenblick missen.
Sportreport: Die Öffentlichkeit applaudiert, wenn man gewinnt. Wenn man – wie du – lange zur Weltspitze gehört setzt es aber auch bittere Niederlagen. Wie schafft man es, diese Rückschläge zu verkraften?
Jukic: Die Öffentlichkeit möchte Siegertypen sehen. Die Welt liebt nur die Sieger. Ich persönlich hatte das Glück, dass ich daheim ein tolles Umfeld hatte. Meine Familie hat mich perfekt unterstützt. Ich hatte das Glück, dass ich einen tollen Vater habe, der auch mein Trainer war. Er hat ‚meinen Traum’ gelebt und nicht seinen!
Ich habe auch immer wieder zu mir gesagt: „Mirna, du bist nicht die einzige bei der es nicht läuft. Du schaffst das!“ Mit sportlichen Krisen ist man nicht alleine. Ein Michael Jordan hat im Basketball auch wichtige Würfe verfehlt – um nur mal eine Legende zu nennen. Trotzdem war er der beste Basketball-Spieler aller Zeiten.
Rückschläge gehören einfach zum Leben eines Sportlers dazu. Sie kommen – sie vergehen! Du musst immer hart und akribisch arbeiten. Das ist in Wahrheit wohl das Geheimnis wenn es darum geht, deinen Traum zu verwirklichen.
Sportreport: Was viele nicht mehr wissen, ist, dass du eine schwere Krankheit im Laufe deiner Karriere hattest. Was hat dir die Zuversicht gegeben, darüber hinweg zu kommen?
Jukic: Schwere Krankheit ist etwas übertrieben. Ich hatte das Pfeiffersche Drüsenfieber. Das ist eine Krankheit, wo dein Immunsystem völlig verrückt spielt. Als Spitzensportler bist du austrainiert. Plötzlich kommst du aber nicht mehr in den zweiten Stock, ohne eine Pause zu machen. Du fühlst dich komplett müde und kaputt. Du darfst dann auch keinen Sport ausüben – du darfst nicht trainieren. Das war für mich sehr schwierig. Denn in der Regel bin ich ein sehr aktiver Mensch. Ich habe mich in solchen Momenten dann sehr leer und verlassen gefühlt.
Bis auf mein Management, meine Familie, die Sporthilfe, meinen Sponsor ‚Ströck’ und noch ein, zwei Institutionen ist niemand zu mir gestanden. Weil die Öffentlichkeit nur Sieger sehen will. Aber dieser enge Kreis hat mich unterstützt und mir Halt gegeben. Sie haben niemals zu mir gesagt, dass aus mir „nichts mehr wird“ – so wie das manche Funktionäre des Wiener Landesschwimmverband über mich gesagt haben.
Natürlich war ich auch verzweifelt. Es gab eine Phase wo ich alles hinschmeißen wollte. Ich wollte nie mehr in ein Schwimmbad gehen. Dann habe ich mir eine Auszeit genommen, habe Urlaub in Kroatien gemacht. Da habe ich viel mit meinen Freundinnen gesprochen. Danach habe ich mir gesagt – ich gebe nicht auf. Das wäre nicht ich! Es war die richtige Entscheidung. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nicht alles erreicht was ich wollte. Es gab und gibt ein tolles Team, das immer hinter mir gestanden ist. Das hat mir die Kraft gegeben.
Natürlich hatte ich am Ende auch Glück, dass meine Krankheit schneller ausgeheilt war als wir angenommen hatten. Danach war ich so schnell wie noch nie. Wie gesagt: Es war die richtige Entscheidung, zu kämpfen und weiter zu machen. Hätte es aber die Sporthilfe und die anderen Helfer nicht gegeben – ich hätte wahrscheinlich aufgegeben.
Sportreport: In der NFL gibt es einen bekannten Quarterback – Brett Favre. Er hat in den vergangenen Jahren immer wieder mit seinem Rücktritt und seinem Comeback für Schlagzeilen gesorgt. Wie viel Brett Favre steckt in der Mirna Jukic? Ist ein Rücktritt vom Rücktritt für dich ausgeschlossen?
Jukic: Natürlich kenne ich den Brett Favre. Klar habe ich einiges verfolgt was er in den vergangenen Jahren so getrieben hat (schmunzelt).
Ich habe mir lange Zeit gelassen mit meiner Entscheidung. Ich habe keine Wehmut und kein Bedürfnis, wieder Leistungssportlerin zu sein. Es war eine wunderschöne Zeit – mit allen Höhen und Tiefen. Ich möchte keine Sekunde missen. Aber das Kapitel ist für mich abgeschlossen.
Sportreport: Nach dem Ende der Karriere hast du dich deinem Studium gewidmet. Was wirst du nach dem Ende machen? Wirst du vielleicht dem Schwimmverband in einer Funktion zur Verfügung stehen oder werden wir dich als Trainerin wieder sehen?
Jukic: Als erstes möchte ich im September meinen Master einschreiben. Der Schwimmverband hat mich schon etwas unter seine Fittiche genommen, weil ich auch einige Ideen habe und mich um den Nachwuchs kümmern will. Was ich weiß, möchte ich weitergeben. Denn es wäre sehr egoistisch von mir, das für mich zu behalten.
Ich habe so viele Ideen in meinen Kopf. Es gibt vieles umzusetzen. Ich weiß jetzt gar nicht, ob sich das in meinem Leben ausgeht (schmunzelt). Eines kann ich aber wahrscheinlich ausschließen: Ein Bürojob wird es bei mir wohl nicht werden. Dafür bin ich viel zu unruhig. Aber generell lasse ich alles auf mich zukommen – wie sagt der Franz Beckenbauer immer: „Schauma mal!“ (schmunzelt)
Sportreport: Du warst bis vor kurzem bei „Dancing stars“ aktiv im Einsatz. Wie war es für dich? Hand aufs Herz – bist du jetzt eine bessere Tänzerin als vorher?
Jukic: Es war ein wunderschönes Erlebnis für mich. Ich hatte großes Glück einen tollen Tanzlehrer gehabt zu haben. Er hat mir sehr viel beigebracht – nicht nur tänzerisch sondern auch philosophisch und pädagogisch. Mein Tanzlehrer hatte – aus meiner Sicht – immer das Interesse, mir Tanzen beizubringen. Er wollte mich dahin bringen, dass ich bei einem Fest zum Beispiel bei einem Tango einige Schritte kann oder ein paar Figuren. So gesehen bin ich jetzt mit Sicherheit eine bessere Tänzerin. Ich würde mir jetzt zutrauen, zu tanzen. Aber gut oder perfekt? Da würde ich wohl einige Perfektionsstunden brauchen (schmunzelt).
Sportreport: Über dein Privatleben wird sehr viel geschrieben und spekuliert. Du sprichst nicht gerne darüber. Darum lass mich diese Frage etwas unkonventionell stellen. Kommt es häufig vor, dass du in den Medien etwas über dich liest, von dem du weißt, dass es nicht den Tatsachen entspricht?
Jukic: Aber natürlich – das passiert oft! Ich habe mich sehr gewundert, denn ich war in den letzten beiden Jahren schon drei Mal schwanger. Ich glaube, dass viele dieser Journalisten nicht wissen was sie mit solchen Artikeln anrichten. Das kann oft sehr wehtun.
Meiner Meinung nach habe ich ein Recht auf ein Privatleben – wie jeder andere Mensch auch. Nur weil ich in der Öffentlichkeit stehe heißt es noch lange nicht, dass jeder herumschnüffeln darf! Ich rede einfach nicht gerne darüber, weil ich sowieso weiß, dass jeder das schreibt, was er schreiben will. Da brauche ich oft gar nichts sagen.
Ich habe oft Interviews von mir gelesen, die ich gar nicht gegeben habe.
Zum Beginn habe ich mich darüber sehr aufgeregt. Mittlerweile denke ich mir aber, dass solche Dinge ein Zeichen von Armut sind. Ich bin sehr glücklich – mir geht es gut. Den geringen Anteil von Privatleben möchte ich jedoch für mich behalten. Das können mir einige als egoistisch auslegen – mag sein. Aber ich finde, ich habe ein Recht darauf.
Sportreport: Letzte Frage. Denkst du haben die Medien zuviel ‚Macht’ wenn es um das Privatleben des Sportlers geht?
Jukic: Eine Verallgemeinerung wäre unfair. Es gibt seriösen Journalismus, bei dem es um Fakten geht – und es gibt Sensationsjournalismus. Die zweite Sorte glaubt, dass sie jetzt etwas enthüllen können. Auf der einen Seite bin ich froh, dass wir in Österreich leben. Denn im Ausland sind die Sitten noch rauer – da ist es schlimm.
Ich finde es einfach unfair und ungerecht. Nur weil ich mit einem berühmten Sportler zusammen lebe, darf ich kein Privatleben haben? Vor allem gibt es niemanden das Recht, sich hier etwas auszudenken. Ich habe da einige schlimme Dinge lesen müssen. Das sich die Menschen Spiele vom Jürgen anschauen ist toll für ihn. Wenn aber dann Journalisten schreiben, dass ich mich beispielsweise sehr gefreut habe – obwohl ich mit ihnen gar nicht gesprochen habe – dann ist das nicht richtig. Natürlich bin ich stolz auf meinen Partner und seine Leistungen. Aber es wäre fair, wenn ich mit Dingen in der Öffentlichkeit zitiert werde, die ich auch wirklich gesagt habe.
Natürlich ist auch wichtig, wie ich angezogen war und wie meine Sitzhaltung war. Geschrieben wird dann beispielsweise, dass ich einen rosa Schal hatte. Dass er aber in Wahrheit blau war, interessiert niemanden.
Sind wir uns ehrlich. Wenn ich bei einem Spiel von Jürgen bin, dann zählt er. Schreibt doch, wie gut er gespielt hat – oder weniger gut! Ich bin nicht wichtig. Ihm gehört das Rampenlicht. Aber das können oder wollen einige nicht verstehen.
Natürlich gibt es aber auch viele Menschen die solche Artikel lesen wollen. So ist aber wohl unsere Zeit. Ich werde versuchen, mich weniger darüber aufzuregen.
Das Gespräch führte Thomas Muck
19.05.2011