ECC-Champion Thomas Gross: Ich könnte mich noch selbstbewußter verkaufen!

 Bowling, Thomas Gross

Der österreichische Bowling-Sport ist dank Thomas Gross seit vielen Jahren in den Schlagzeilen. Sportreport traf den Gewinner des ECC – wir berichteten – zum Gespräch über das Turnier und über den Bowling-Sport in Österreich.

Sportreport: Thomas nochmals herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der ECC. Wie war das Turnier aus deiner Sicht. Wie waren deine Eindrücke?
Thomas Gross: Natürlich war es rückblickend eine ganz tolle Sache. Wenn du gewinnst kannst du nicht allzu viel falsch gemacht haben. Denn gewinnen macht immer Spaß. Dann ist jedes Turnier – im Nachhinein betrachtet – ein sehr schönes!

Die Erwartungshaltung im Vorfeld war neutral wie immer. Der Modus verlangt, dass du unter die letzten acht kommen musst. Dann hast du dich für den Finaltag qualifiziert und dann ist alles möglich. Denn dann werden die Karten neu gemischt. Das habe ich in der Vergangenheit schon einige Male erleben dürfen.

Finnland ist mit Schweden die stärkste Bowling-Nation in Europa. Das Turnier ist perfekt organisiert gewesen. Die Veranstaltungshalle gehört einem ehemaligen Nationalspieler. Er weiß was die Bedürfnisse der Spieler sind. Der Verband hat es uns Spielern im Endeffekt leicht gemacht. Das Turnier selbst ist ohne Besonderheiten über die Bühne gegangen. Mein Eindruck war ein total positiver!

Sportreport: Das Ambiente im österreichischen Bowling-Sport darf getrost als familiär bezeichnet werden. Wie war es beim ECC in Lahti? Wie war die Resonanz in den Medien?
Thomas Gross: In Finnland arbeitet schon seit vielen Jahren eine Pressebetreuerin sehr professionell. Es gibt immer einen Tagesbericht und Ergebnisdienst. Sie sind in diesem Bereich absolut musterhaft. Wenn du zu spielen aufgehört hast, hast du sofort das Resultat gewusst. Das ist kein Novum mehr. In Österreich haben wir auch so ein Service. Es ist einfach über die Jahre gewachsen.

Sportreport: Du hast zum zweiten Mal die ECC gewonnen. Du bist an der europäischen Spitze im Bowling. Merkst du etwas von deinem sportlichen Ruhm?
Thomas Gross: Überhaupt nicht! Das einzige was ich merke ist, dass ich mit der Presse jetzt mehr zu tun habe. In erster Instanz ist das mit Sicherheit auf Eigeninitiative der betreffenden Leute zurückzuführen, um an Medienvertreter heranzukommen.

Natürlich liegt es aber auch an uns von Bowlingsport-Events tagesaktuell zu berichten. Wir sind eine Randsportart. Es ist klar, dass uns Redakteure nachfahren werden und berichten. Da muss man auch von sich selbst aktiv werden. Das tun wir am Ende sehr gerne.

Sportreport: Du bist in einer Bank in einer leitenden Funktion beschäftigt. In deinem Beruf benötigst du analytische Herangehensweise in Problemsituationen. Nutzt dir das auch auf der Bowling-Bahn?
Thomas Gross: Also leitende Funktion ist etwas übertrieben. Die Frage ist, was war früher da: Die Henne oder das Ei? (überlegt kurz) In meiner Jugend war ich schon mathematisch begabt. Ich war nie der Spitzenmathematiker, aber es ist mir leicht gefallen mit Zahlen umzugehen.

Im Sport bin ich gewachsen – er hat mich erwachsener gemacht. Die Bank hat das ihrige dazu beigetragen, um ein gesundes Gleichgewicht für mich herzustellen.

Auch wenn das blöd klingt, aber ich habe mich über die Jahre viel mit mir beschäftigt. Ich habe mich stets kritisch hinterfragt. Ich habe auch Dinge auf der mentalen Seite probiert – ohne aber einen Mental-Coach gehabt zu haben. Die Analyse des Bowling Spiel ist wichtig.

Sportreport: Was würdest du als deine größte Stärke – was als deine größte Schwäche als Bowlingspieler bezeichnen?
Thomas Gross: (überlegt kurz) Die größte Stärke? In kritischen Situationen behaupten Freunde, dass ich 110 Prozent Leistung bringen kann. Ich weiß, dass ist mathematisch zwar nicht möglich, aber ich glaube, dass ich in solchen Situationen mein stärkstes Bowling abrufen kann.

Die größte Schwäche? (überlegt kurz) Understatement. Ich hätte mich bei den großen Turnieren weltweit besser, selbstbewusster verkaufen können.

Sportreport: Dir wird von den meisten Experten das Niveau „auf der US-Profitour spielen zu können“ attestiert. Aus beruflichen und familiären Gründen verzichtest du darauf. Wie wichtig ist für dich dein persönliche Umfeld?
Thomas Gross: Ich bin sehr überzeugt davon, dass die finanzielle Unabhängigkeit die ich genieße, mir ermöglichte Dinge zu erreichen, die ich sonst nicht geschafft hätte. Es ist ein großer Unterschied, ob ich die nächste Runde erreichen muss um meine Miete bezahlen zu können oder ob sie erreichen kann und ich ein schönes Zuckerl habe, einen Bonus.

Familie bedeutet für mich Stabilität, ist Herzlichkeit, ist Freundlichkeit, schlicht es ist alles, was du als Mensch zum Leben brauchst. Man freut sich mit seinen engsten Freunden und Familie. Dementsprechend leidet man auch mit dem engsten Umfeld. Nicht nur auf der Bowlingbahn. Denn irgendwann gehe ich aus der Bowlinghalle und bin nicht mehr der Sportler.

Sportreport: Im Bowling ist gibt es die magische 300. Ein perfektes Spiel mit zwölf Strikes. Beginnt man eine Partie auf Spitzenniveau die maximale Punktzahl zu erreichen oder denkt man nur von Wurf zu Wurf?
Thomas Gross: Ich habe meine erste 300 gespielt, als ich mir gedacht, dass es mir egal ist ob ein perfektes Spiel erreiche oder nicht. In Wahrheit bringt eine 300 nicht so viel, wenn du in den anderen Spielen nicht so erfolgreich bist. Da bringen dir vier Spiele mit 279 für den Schnitt mehr. Denn nach einer 300 setzt gerne eine „normale Schwäche“ ein. Denn da ist dann die Luft draußen.

Wenn du es nicht schaffst von Wurf zu Wurf zu denken, ist eine 300 sehr, sehr schwierig zu erreichen. Aber prinzipiell fange ich nie ein Spiel mit dem Ziel „300“ an. Mein Ziel ist es immer möglichst viele gute Würfe hintereinander zu machen?

Sportreport: Wo siehst du den österreichischen Bowlingsport in fünf Jahren?
Thomas Gross: (überlegt kurz) Es ist eine sehr schwierige Frage! Wir überaltern – ganz radikal! Wir haben sehr wenig Nachwuchs. Der ist zum Teil finanziell sehr schlecht aufgestellt. Denn Bowling ist ein teurer Sport. Sollten zwei, drei Spieler aus der Spitze aufhören, dann wird die verwöhnte Bowlingnation einige Jahre keine Medaillen gewinnen.

Es darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass nur die meisten Medaillen von einer sehr kleinen Gruppe von Spielern gewonnen wurde. Fast mehr als diesem Land zusteht. So ehrlich muss man das aussprechen.

Sportreport: Was könnten Wege sein, dass der Nachwuchs zum Bowling kommt?
Thomas Gross: (überlegt) Ich zögere aus einem Grund sehr lange. Ich weiß es einfach nicht! Wir haben uns diese Gedanken schon oft gemacht. Bowling bringt in vielen Punkten alles mit was du als Eltern nicht haben willst. Man ist permanent in einer Halle. Es hat noch immer den Ruf von Alkohol und übergewichtigen Menschen. Dazu kommt das Klischee: „Das ist ja kein Sport“.

Bowling hat noch immer keinen guten Ruf als Sport. Es ist anerkannt als Hobby. Jeder war schon mal Bowlingspielen. Den meisten gefällt es auch. Das aber am Ende als Sport auszuüben ist am Ende noch immer ein ‚no go’. Unter diesen Voraussetzungen und auch unter dem Aspekt, dass Bowling ein teurer Sport ist fällt es schwer die Eltern zu gewinnen. Dadurch ist es auch schwierig Kinder davon zu überzeugen, dass Bowling etwas schönes sein kann.

Sportreport: Wie oft trainierst du? Arbeitest du nur auf der Bowlingbahn oder gehört auch Krafttraining für dich dazu?
Thomas Gross: Kraftkammer habe ich nie gemacht, weil ich lange Zeit dazu einfach keine Zeit hatte bzw. mir die Kondition aus dem Training geholt habe. Meine persönliche Meinung ist auch, dass zuviel Krafttraining der Motorik im Bowling schadet.

In meiner Blütezeit habe ich vier- bis fünfmal pro Woche trainiert. Dazu kommt, dass ich dann noch einen Bewerb gespielt habe. Also war ich sechs Tage pro Woche in der Halle.

Dank der Familie, und meines gesetzteren Alters, habe ich das jetzt etwas eingeschränkt. Ich bin zwei Mal pro Woche beim Training. Dazu kommt, dass ich einen Bewerb am Wochenende spiele. Das reicht mir im Normalfall aus! Habe ich eine längere Pause gemacht, dann kann es sein, dass ich mein Pensum über einen kurzen Zeitraum deutlich erhöhe.

Sportreport: Auch für Amateure ist das Resultat am Ende eines Spiels wichtig. Was würdest du solchen Spielern raten, um ihr Resultat zu verbessern?
Thomas Gross: Zuerst würde ich ihm raten, dass er sich klar werden soll was er machen – was er erreichen – will. Wenn das definiert ist, sollte man die bestmöglichste – professionelle – Unterstützung in Anspruch nehmen. Sprich mit einem Trainer gemeinsam arbeiten – aber auch nicht jeden Tag. Wenn du zum Beispiel dreimal in der Woche trainieren willst, dann einmal mit Coach und zweimal alleine.

Sportreport: Hauptproblem für Amateurspieler ist, dass bei langen Bowlingabenden die Finger der ausführenden Hand anschwellen. Gibt es hier ein ‚Hausmittel’ um das zu verhindern? Welchen Tipp hat der Profi?
Thomas Gross: Die Bälle, die gespielt werden, sind in der Regel Hausbälle. Sie haben in der Regel Normalmaße. Die Fingerlöcher sind nicht an den Spieler angepasst. Dementsprechend passen sie in den seltensten Fällen. Viele Bälle sind auch ausgeschlagen. All das trägt dazu bei, dass die Finger anschwellen.

In Wirklichkeit kannst du dagegen nur sehr wenig dagegen machen. Einziges ‚Gegenmittel’ ist sich einen eigenen Ball zulegen.

Sportreport: Was sind deine nächsten Ziele? Was sind deine nächsten Turniere, welche du bestreiten wirst?
Thomas Gross: Das nächste ganz große Ziel ist das Vienna Open. Da ist die europäische – aber auch zum Teil die Weltelite – in Wien zu Gast. Das ist nicht nur auf der Tour ein sehr beliebtes Turnier. Wir können uns hier professionell präsentieren. Das ganze Team der ‚Plus-Bowling’ Halle und die ganzen Helfer im Hintergrund. Das Turnier war in den vergangenen Jahren immer ein Fest.

Nächstes Jahr ist es dann so weit. Europameisterschaft im eigenen Land! Das ist ein großes Ziel von mir. Ich möchte mich dort einfach nur gut verkaufen. Ich habe schon sehr viel erreicht, aber daheim mit der Mannschaft eine Medaille zu gewinnen, das wäre das non plus ultra – die Krönung!

Sportreport: Letzte Frage: Wo siehst du dich als Bowlingspieler in fünf Jahren?
Thomas Gross: Wenn ich fit bleibe und unverletzt bin glaube ich, dass ich – mal mehr, mal weniger erfolgreich – an der Spitze mitspielen kann. Es gibt keinen Grund, dass man sagt, es ist mit 40 aus. Es gibt viele gute Spieler die weltweit jenseits der 50 sehr gute Leistungen bringen. Aber nicht mehr jede Woche, sondern vielleicht nur noch jede dritte oder vierte.

Das Gespräch führte Thomas Muck

06.09.2011