Ach, Du liebe Ente: Hadzic wechselt nicht nach England!

 SV Ried

Die Meldung, dass der Rieder Anel Hadzic zum FC Middlesbrough wechselt, entpuppte sich als klassische Ente. Wie die Falschmeldung entstand – und warum:

Es gibt schreibende Kollegen, denen ein paar schnelle Klicks auf eine windschiefe Story eventuell eine tiefe Befriedigung – mit Sicherheit aber ein paar Stunden weniger Stress an diesem Tag – verschaffen. Nicht nur ihnen, auch ihren Chefs. Die stehen nämlich seitens der Verleger unter großem Druck, mehr Klicks zu bringen. Am Ende des Tages, wenigstens am Ende des Monats brauchen sie alle nur eines: Mehr Klicks.

Ein Beispiel…
Das ist in etwa so, als müssten Sie jeden Tag mit dem Auto die gleiche Strecke durch den Stadtverkehr fahren und am Ende steht ein Mensch in Designerjeans und sagt Ihnen mit einem Blick auf seine lächerlich überdimensionierte Uhr: „Die Zeit war nicht schlecht. Aber morgen schaffen WIR das noch fünf Sekunden schneller.“ Sie steigen also am nächsten Tag wieder in ihren Wagen und wissen: Zeitmäßig ist nicht mehr viel drin. Sie fahren los, doch dann kommt die eine rote Ampel dazwischen, und ums nächste Eck wartet der Stau. Die Zeit läuft, und sie läuft GEGEN Sie. Was tun? Sie werden unruhig, Sie hupen – aber es hat keinen Zweck, kein Weiterkommen in Sicht. Es gäbe da noch eine Abkürzung, sie müssten allerdings gegen eine Einbahn fahren. Es ist aber nur ein kurzes Stück. Lächerlich kurz. Sie ignorieren also die Verkehrsregel, und siehe da: Am Ende haben Sie es gerade noch einmal geschafft. Drei Sekunden schneller als gestern. Da steht der Typ mit der großen Uhr: „Gut gemacht. Ich wusste ja, dass WIR das schaffen. Aber es waren nur drei Sekunden. Morgen müssen WIR wieder um fünf schneller sein.“ Obwohl ER nichts anderes tut, als IHRE Zeit zu messen.

Hintergrund und Vorgeschichte – Achtung: rein fiktiv!
Da sitzt er also, der Sportredakteur, und stiert auf die Echtzeit-Statistik, die unbestechlich die Klicks protokolliert. Die Kurve zeigt nach unten. Tja, das Weihnachtsloch. Nicht viel los. Die halbe Welt imitiert Besinnlichkeit, der Agentur-Ticker gibt kaum etwas her. Nur die Geschichten, die ohnehin alle haben. Den Vorbericht zur Vierschanzentournee. Klickt kein Mensch. Auch kein Skandal in Sicht. Verzweifelt holt der Chefredakteur seine Jungs und Mädels in die Sitzung. „Wir brauchen dringend eine Geschichte“, fleht er. Es gibt nichts, antworten die Schreiber. Sie blicken sorgenvoll auf die Echtzeit-Statistik. „Aber jetzt ist doch Transferzeit im Fußball“, sagt einer plötzlich. „Da sind doch nur Gerüchte im Umlauf“, erwidert ein anderer. Langsam kommt Leben in die Bude. Man könnte ja mal ein solches Gerücht… Schnell wird man sich einig: „Ja, wir machen es einfach wie jedes Jahr.“

So lief die Hadzic-Ente
Gesagt, getan. Unverzüglich schwirren die fleißigen Sportredakteure aus, gehen in Fanforen auf Jagd. Wo werden Namen genannt, wer könnte wohin wechseln? Das ist angenehmer als mühsame Recherche, man verlässt sich auf Schwarm-Intelligenz.
BINGO!
Am 27. Dezember (12.15 Uhr) schreibt ein User im Ried-Thread des Austrian Soccer Board ein paar englische Zeilen über einen möglichen Wechsel von Anel Hadzic zu Middlesbrough. Als Quelle erwähnt er skysports.com. Es ist offensichtlich ein Versuchsballon, denn einen Link zur angeblichen Quelle skysports.com gibt er nicht an.

Schnell muss es gehen!
Sie erinnern sich an das Beispiel mit dem Auto – nehmen Sie die Abkürzung, sonst kommen Sie zu spät!
Nur zwei Stunden später (14.18 Uhr) berichtet das erste Online-Medium über den Hadzic-Transfer und beruft sich auf skysports.com.
Am 3. Jänner erwachte auch die Presse-Agentur aus ihrem „Silvesterschlaf“ und verbreitete eine Hadzic-Wechsel-Meldung. Fast alle Medien (auch sportreport.biz) nahmen sich der Geschichte an. Wohl auch deshalb, weil Hadzic-Manager Darko Smoljan auf den schneller werdenden Zug aufsprang und dem Internetportal sport10 sagte: „Middlesbrough ist bereit, eine fällige Ablösesumme für Anel Hadzic zu bezahlen.“ Auf Aussagen seines Beraters aufbauend, wird Hadzic auf sport10 zitiert: „Nachdem ich jetzt schon zu sportmedizinischen Tests nach England fahre, ist es wohl so gut wie fix, dass ich wechsle.“

Die Geschichte wurde so groß, dass sich der FC Middlesbrough genötigt sah, einen möglichen Wechsel zu dementieren. Hadzic stehe nicht auf der Transferliste.

Nachwehen – Achtung: rein fiktiv!
Da sitzt sie nun, die Redaktion, und stiert auf den Echtzeit-Monitor. Die Klicks waren gar nicht mal so schlecht. Stimmt die kaum recherchierte Geschichte nicht, kann man sich immer noch darüber beschweren, dass man eben böswillig „getäuscht“ und „hereingelegt“ wurde.

Doch Empörung der Abschreibe-Künstler ist nur ein Ablenkungsmanöver von der Einbahnfahrt zuvor, von der schlampigen Recherche. Aber auch Empörung bringt Klicks: Endlich ein SKANDAL!

Eine Bitte – Achtung: echt!
Eine Dank an Sie, lieber Leser, dass Sie bis hier durchgehalten haben – und gleichzeitig eine Bitte: Schenken Sie uns Klicks!
Es kostet ja nichts.

Conrad Kleiner

05.01.2012