Den Grunddurchgang der Erste Bank Eishockey Liga beenden die Vienna Capitals auf Rang vier. Mit einem Bonuspunkt gehen die Wiener in die Zwischenrunde Platzierungsrunde. Zeit für eine Zwischenbilanz – gezogen von Thomas Muck.
Ein Wort charakterisiert die Saison 2015/16 bisher: Achterbahnfahrt! Etlichen Höhepunkten standen auch viele negative Erlebnisse gegenüber.
Die Wiener starteten die Saison mit der Teilnahme in der Champions Hockey League, wo sie in der Gruppenphase auf Kärpät Oulu (FIN) und den Krefeld Pinguinen (GER) trafen.
In den Spielen gegen das finnische Spitzenteam Kärpät Oulu sahen die Wiener sportlich „kein Land“. Im Duell mit dem DEL-Team Krefeld Pinguinen hingegen, konnte sich der EBEL-Vizemeister klar durchsetzen. In der ersten Runde der k.o.-Phase gab es gegen den HC Litvinov das Ende der europäischen Saison. Ein gleichwertiger Gegner beendet, nach einem völlig verkorksten Heimspiel und einer sehr starken Auswärtsleistung, die internationalen Träume der Wiener.
Ein Umstand, der sich auch durch die bisherige Saison der Erste Bank Eishockey Liga zieht. Wie nahe dabei Freud und Leid beieinander im Lager der Hauptstädter liegen, zeigen die ersten vier Saisonspiele in der EBEL. Einem Sieg bei Meister Red Bull Salzburg folgte eine Heimniederlage gegen den Dornbirner EC und ein glatter Erfolg im heimischen Eissportzentrum Kagran gegen den HC Orli Znojmo. Im vierten Spiel gab es eine 5:2-Auswärtsniederlage bei Schlusslicht Olimpija Ljubljana. Eine Achterbahnfahrt für das von Jim Boni gecoachte Caps.
„Mangelnde Konstanz“, so könnte man den Umstand bezeichnen, der den Vienna Capitals eine bessere Platzierung nach dem Grunddurchgang verbaute. Der Grat zwischen „Glanzleistung“ und „Enttäuschung“ war ein sehr schmaler. Die Gründe dafür liegen breit gefächert:
Leistungsschwankungen
Ein Problem in der Saison 2015/16 bei den Vienna Capitals sind die Performanceschwankungen der Leistungsträger. Selten haben bisher mehrere Leistungsträger gleichzeitig zur Hochform gefunden. So haben auch vermeidbare Fehler zu Gegentoren und am Ende auch zu Punkteverlusten geführt. Es gilt nun in der wichtigen Phase der Saison Konstanz im Leistungsbild zu finden.
Nur eine Sturmlinie erreicht Hochform
Der Angriff der Vienna Capitals wird von einer Formation getragen. Die beiden Flügel Gamache und Rotter sind das dynamische Duo, das für die Scorerpunkte sorgt. Dahinter hält MacGregor Sharp mit viel Arbeit den beiden offensiven Flügelspielern den Rücken frei und sorgt ebenfalls für etliche Scorerpunkte.
Hinter dieser Linie hält sich die offensive Durchschlagskraft in Grenzen. Head Coach Jim Boni fand keine weitere Formation, welche die Linie rund um Rafael Rotter entlasten konnte. Ein Punkt, der sich im weiteren Saisonverlauf ändern muss.
Ausrechenbare Spielweise
An den Vienna Capitals der Saison 2015/16 gibt es auch durchaus berechtigte Kritik. Die Spielweise ist in vielen Situationen ausrechenbar. Darauf können sich auch die Gegner einstellen.
Nach Spielen erklärten Spieler und Trainer, dass sie „nicht überrascht waren, von dem was sie sahen“. Nach dem Trainerwechsel in der Vorsaison war dies noch anders. Werden „taktische Varianten“ auch möglicherweise nur für die Play-offs aufgespart?
Jim Boni
Der Trainerwechsel in der vergangenen Saison von Tom Pokel zu Jim Boni entfachte Euphorie bei den Vienna Capitals. Davon ist gefühlt wenig über – im Gegenteil!
Wie die „Kronen Zeitung“ berichtete, soll der Head Coach der Wiener auch Probleme außerhalb des Eises haben. „Verstimmungen“ mit der Vereinsspitze, „Stimmungsprobleme“ mit Teilen der Mannschaft pfeifen die Spatzen von den Dächern rund um die Attemsgasse im 22. Wiener Gemeindebezirk.
Aus Sicht der Vienna Capitals ist für einen erfolgreichen Saisonverlauf zu hoffen, dass der Head Coach seine Motivationskünste findet und somit wieder eine Euphorie entfachen kann. Trotz fixer Play-off-Qualifikation könnte man das Gefühl gewinnen, dass die Vienna Capitals unter dem ominösen Strich stünden. Eine Trendumkehr im Stimmungsbereich wird dringend benötigt.
War aber alles „schlecht“ an der bisherigen Saison? Nein! Es gab durchaus auch etliche Aspekte die für einen weiteren positiven Saisonverlauf sprechen.
Goalie-Duo Lawson/Kickert
In den ersten Wochen der laufenden Spielzeit hatten Nate Lawson und David Kickert sportlich kein leichtes Leben. Vermeidbare Fehler, die zu leichtfertigen Gegentoren führten, und eine schwache Form sorgten für Sorgenfalten. Ein Umstand der sich glücklicherweise rasch umkehren sollte.
Praktisch zeitgleich kam das Goalie-Duo der Vienna Capitals in Form und zeigte die erwartet starken Leistungen. Mit Glanzparaden wurden so einige Punkte festgehalten. Da es in den Play-offs in der Regel auch auf die Formkurve der Schlussmänner ankommt, können die sportlich verantwortlichen der Caps – aufgrund der Leistungssteigerung – sprichwörtlich „ruhig schlafen“.
Tyler Cuma
Er kam im Laufe der Saison und sollte die erhoffte Stabilisierung für die Verteidigung werden. Tyler Cuma ist kein Spieler, der für offensive Schlagzeilen sorgt. Mit seiner Spielweise ist der 26-jährige Austro-Kanadier jedoch ein wichtiger Faktor. Defensiv stark und im Aufbauspiel fehlerfrei, gibt Tyler Cuma den Vienna Capitals die erhoffte defensive Stabilität.
Simon Gamache und MacGregor Sharp
Auf dem Papier bilden Simon Gamache, MacGregor Sharp und Rafael Rotter die zweite Angriffslinie. Auf dem Eis ist das Trio längst zur bestimmenden Kraft im Angriffsspiel der Vienna Capitals geworden. Phasenweise kann die Formation an die legendäre erste Linie der einzigen Meistersaison der Caps erinnern.
Wiener Nachwuchs
Junge Spieler wie Hackl, Maxa oder Nissner zeigen einen weiteren Umstand auf. Der Wiener Nachwuchs hat durchaus das Zeug, auf höchstem Niveau zu bestehen. Jedoch gibt es sowohl körperlich, aber auch Eishockey-spezifisch Steigerungspotential.
Die Vienna Capitals wollen – mal wieder – in Zukunft auf den eigenen Nachwuchs setzen. Die Qualität im Spielerbereich wäre da. Nun gilt es die vorhandenen Ressourcen anzunehmen und sie weiter zu verfeinern.
Jim Boni
Am Head Coach der Vienna Capitals, Jim Boni, kann man Kritik äußern, jedoch gibt es auch etliche positive Aspekte. Das größte Plus in der Bilanz der ersten 44 Spiele ist, dass die Mannschaft unter ihm den Wege findet, knappe Spiele zu gewinnen. Arbeitssiege mögen zwar nicht immer schön sein, im Laufe einer Saison sind sie jedoch äußerst wichtig.
Ein weiterer positiver Punkt ist, dass der Cheftrainer weiter hohen Kredit bei den Zuschauern und Fans hat. „In Jim we trust“ lautet das Motto des größten Fanklubs. Ein Umstand der den Druck auf die Mannschaft von außen senkt.
Zu den persönlichen Auszeichnungen:
MVP im Grunddurchgang: Rafael Rotter
Die Offensive der Vienna Capitals steht und fällt mit dem Nationalspieler. Nach 36 Spielen stehen acht Tore und 28 Vorlagen zu Buche. Mit seiner kämpferischen Spielweise avancierte der 28-Jährige zu einer unverzichtbaren Stütze.
Aufsteiger und gleichzeitig Pechvogel des Jahres – Dominic Hackl
Der Nachwuchs-Nationalspieler zeigte zum Saisonstart in einigen Begegnungen sein Potential. In sieben Spielen in der EBEL steht zwar kein Scorerpunkt, aber ein Wert von +1 in der Plus/Minus-Wertung. Leider hatte Dominic Hackl auch großes Verletzungspech. Nach einem sehr unglücklich verlaufenen Unfall fiel der Verteidiger wochenlang aus. Erst kürzlich feierte der 19-jährige sein Comeback. Bleibt zu hoffen, dass der Head Coach dem Talent in der Zwischenrunde wieder sein Vertrauen schenkt.
Ausblick: Alles ist möglich!
Was ist den Vienna Capitals im weiteren Saisonverlauf zuzutrauen? In Wahrheit mehr als man auf den ersten Blick erwarten dürfte. Wenn einige Legionäre zur Hochform finden, scheint vieles möglich zu sein. Die Favoritenrolle im weiteren EBEL-Saisonverlauf wird bei Meister Red Bull Salzburg und den Black Wings Linz liegen. Die Außenseiterrolle lag den Vienna Capitals bereits im Vorjahr. Wieso nicht auch in der Spielzeit 2015/16? Wenn die sportlichen Baustellen gelöst werden und eine Stimmungsumkehr gelingt, ist dem Vize-Meister der letztjährigen Saison einiges zuzutrauen.
22.01.2016








