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Mit dem Trainingsstart am Donnerstag haben die Vienna Capitals offiziell die Saison 2021/22 eingeläutet. Bei den Hauptstädtern hat sich seit ihrer Halbfinalniederlage gegen den HC Bozen einiges getan.

Ein Großteil der Legionäre wurde ausgetauscht und ein neuer Head Coach sowie ein Backup-Goalie mussten verpflichtet werden. Darüber hinaus wurde Fanliebling Rafael Rotter nicht verlängert, zudem werden auch die beiden jungen Top-Stars Ali Wukovits und Benjamin Nissner erstmals für ein anderes IceHL-Team auflaufen. Zwischen hochkarätigen Transfers und bestenfalls fragwürdigen Vertragsentscheidungen bleibt für Fans, Verein und Experten die Frage, ob die Wiener weiterhin zu den Top-Teams der Liga gezählt werden dürfen.

Der Wechsel auf der Trainerbank spricht durchaus dafür. Ex-Head Coach Dave Cameron hat in der Offseason ein Angebot aus der Heimat bekommen, das er nicht ablehnen konnte. Während er sich bei den Wiener Fans höchster Beliebtheit erfreuen durfte, wird seine Rückkehr in die Heimat von den dortigen Zuschauern und Medien mit wenig Freude erwartet. Zweifellos besitzt der 63-Jährige durchaus gewisse Qualitäten in der Ausbildung junger Spieler, die Kritik der Experten richtet sich jedoch vorrangig auf seine taktischen Fähigkeiten. Auch in der IceHL hat Cameron die Kompetenz, sich an sich verändernde Spielsituationen anzupassen, vermissen lassen. Vorgänger Serge Aubin führte die Caps mit seinem taktischen Genie zum zweiten Meistertitel, besonders die Finalserie gegen den KAC erwies sich vor allem als Duell zwischen den Coaches. Dass die Donaustädter Fans eine Parade abhalten, um Camerons Abgang zu feiern – wie von einem prominenten kanadischen Medienvertreter vorgeschlagen -, ist jedoch zweifelhaft.

Doch genug vom Alten. Der „Neue“ bei den Wienern ist Dave Barr. Der 60-Jährige hat einen ähnlichen Lebenslauf wie sein Vorgänger und wurde erst vor wenigen Monaten U18-Weltmeister mit Kanada. Auf Klubebene wurde er mit Guelph Storm 2004 OHL-Sieger. Zwei Jahre später traf er dort auf Rafael Rotter während dessen Abstecher nach Nordamerika. Anders als Cameron war Barr niemals NHL-Head Coach, wird dafür in seiner Heimat deutlich höher angesehen.

Ebenso ist die Rückkehr von David Kickert in die Hauptstadt als wichtiger Schritt zu sehen. Gemeinsam mit Bernhard Starkbaum bildet der Wiener Meistergoalie eines der besten Tandems der Liga. Der mittlerweile 27-Jährige, der vergangene Saison in Linz und Augsburg nicht allzu sehr von sich überzeugen konnte, könnte von der reduzierten Arbeitslast durchaus profitieren und wieder bessere Leistungen auf das Eis bringen.

In der Verteidigung mussten die Wiener auf das frühzeitige Karriereende von Leistungsträger Patrick Peter reagieren. Mario Fischer wurde aus der kurzen Eishockeypension reaktiviert, Philippe Lakos wird eine (letzte?) Saison anhängen. Mit Alex Wall wurde nur ein einziger Legionär verlängert, neu verpflichtet wurden aber bisher* nur zwei weitere. Der verletzungsgeplagte Dominic Hackl sowie die Youngsters Timo Pallierer, Bernhard Posch und Lukas Piff vollenden die (derzeit) neun Mann starke Defensivabteilung.

Auch die Offensive hat über den Sommer einen komplett neuen Anstrich erhalten. Kein einziger Importspieler wurde verlängert und fünf komplett neue ins Team geholt. Zudem bleibt dem Team mit den fragwürdigen Abgängen von Wukovits, Nissner und Rotter kein einziger heimischer Leistungsträger. Während der Wechsel des langzeitverletzten Veterans nach Linz durchaus nachvollziehbar ist, bleibt die Nicht-Verlängerung der beiden jüngeren Eigenbauspieler eine fragwürdige Entscheidung. Die beiden Österreicher haben sich zu wichtigen Stützen des Vereins entwickelt. Abgesehen von den ohnehin großartigen Leistungen ist der Wert, den einheimische Spieler, die noch dazu einen Großteil ihrer Karriere im Verein verbrachten, haben, nahezu unermesslich.

Hat sich das Personal also grundlegend geändert, ist am Auswahlprozess alles beim Alten. Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass guten Österreichern von den Caps die Türe gezeigt wurde. In der Donaustadt herrscht seit Jahren die Devise vor, dass nordamerikanische Legionäre das Zentrum eines jeden Kaders sein müssen und heimische Spieler vorwiegend als Lückenfüller dienen. Ausnahmen wie Bernhard Starkbaum und Rafael Rotter reihen sich hier selten ein. Den Wienern fehlt es aber nicht nur am Gespür für den Wert rot-weiß-roter Cracks – wie vor Nissner und Wukovits auch unter anderem bei David Kickert bewiesen wurde -, auch die ungleiche Wertung ausländischer Spieler verwehrt den Caps so manch guten Spieler. Die Ablehnung eines Verteidigers – der in der darauffolgenden Saison in seiner Heimat sensationelle Leistungen erbrachte -, nur weil er als Finne in der Donaustadt nicht dasselbe Ansehen wie Kanadier oder US-Amerikaner genießt, ist bei Vereinen wie Salzburg und dem KAC undenkbar, in der Bundeshauptstadt so vor einigen Sommern jedoch geschehen.

Die beiden erfolgreichsten heimischen Vereine der letzten Jahrzehnte zeigen eindrucksvoll vor, wie ein guter Mix zum Erfolg führt. Die Capitals müssen sich vor den roten Bullen und den Klagenfurtern zwar in Sachen Budget keinesfalls verstecken, bei den Resultaten – und hier kann für alle drei Mannschaften nur der Meistertitel zählen – hinken die Wiener gewaltig hinterher. Während die Heinrichs, Pallestrangs, Raffls, Kochs, Geiers, Ganahls und Hundertpfunds der Liga seit Jahren fixe Größen im Stamm ihrer Vereine sind, musste man mit Rafael Rotter den einzigen Caps-Spieler, der diesen Status auch weiterhin – so ihn seine Verletzungen nicht zu sehr einschränken – halten könnte, davonziehen lassen; Philippe Lakos ist trotz seines Legendenstatus in den vergangenen Jahren nur noch ein Ergänzungsspieler. Ein Verbleib von Wukovits und Nissner wäre sicherlich im Rahmen des Möglichen gewesen, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass ihre Plätze keineswegs von teureren Spielern eingenommen wurden.

Zweifellos ist den Wienern hoch anzurechnen, dass nun noch mehr auf jüngere Spieler gesetzt werden soll. Es bleibt jedoch der Eindruck, dass gerade die beiden Neo-Salzburger ihren Youngster-Kollegen aus ihrer Erfahrung heraus einiges beibringen hätten können – wovon letztlich alle profitiert hätten. Und, dass sich jene jungen, vielversprechenden Wiener in einigen Saisonen in einem ähnlichen Dilemma wie Wukovits und Nissner wiederfinden werden: mehr Gehalt und/oder Eiszeit verlangen und deshalb sein Glück bei einem anderen Verein versuchen müssen oder nur als Randfigur in der Donaustadt verweilen.

Ebenso kurios scheint die Entscheidung, die beiden Leistungsträger nicht zu verlängern, aus eine kompetitiven Sicht. In der Bundeshauptstadt zählt seit Jahren nur der Meistertitel. Der Abgang der beiden Stürmer macht den Kader der Kagraner jedoch erheblich schwächer, ein klarer Ersatz ist, wie erwähnt, nicht verpflichtet worden. Sollte das Wiener Management trotzdem von einem Titelgewinn ausgehen, dürfte es ein böses Erwachen geben. Ist man sich des „Rebuilds“**, in dem man sich befindet, bewusst, kann man keinesfalls davon ausgehen, die beste Mannschaft der Liga zu sein.

Dies wirft jedoch ein letztes Problem auf. Zwar gibt es in der Bundeshauptstadt eine beträchtliche Anzahl an eingefleischten Fans, die ihre Mannschaft durch erfolgreiche wie auch sportlich katastrophale Zeiten hindurch begleiten, die Erfahrung zeigt jedoch, dass das Gros an Zuschauern bei ausbleibendem Erfolg lieber zu Hause bleiben. Die Einnahmen, die dadurch ausfallen, dürften die nach eigenen Angaben gar nicht mehr so finanzkräftigen Caps aber sehnlichst brauchen.

Lukas Hörmandinger für Sportreport

*15.8.2021
**Ausdruck aus der NHL, „Neuaufbau“ mit jungen Spielern

15.08.2021


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