
Am Freitag stand am Arbeits- und Sozialgericht in Wien der erste Verhandlungstag im Verfahren zwischen Shawn Lalonde und den Vienna Capitals auf dem Programm.
Unter dem Vorsitz der sehr besonnen und umsichtig agierenden Fr. Mag. Lang-Dubsky wurden bei der vorbereitenden Tagsatzung erste Grundsatzfragen beantwortet.
Die behandelten Punkte in chronologischer Reihenfolge:
Gleich im ersten Thema ging es um die Zulassung der Nebenintervention (Erklärung –> Link) durch die ICE Hockey League. Die klagende Partei, also die rechtliche Vertretung des Spielers Shawn Lalonde (Anm.: Wurde im Verfahren durch die Eishockeyspieler:innen Gewerkschaft UNION vertreten), beantragte die Abweisung dieses Antrages und verwies dabei auf das „wirtschaftliches Interesse“ und nicht auf den vorhandenen rechtlichen Aspekt.
Rechtsanwalt Dr. Palka brachte hier mögliche Regressforderungen der Caps gegenüber der Liga bei seiner Begründung ins Treffen. Dies wurde von Seiten der Vienna Capitals, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Götz, zurückgewiesen. Sollte der „Covid-Waiver“, tatsächlich rechtswidrig sein, würde es sehr wohl wirtschaftlich, wie auch ein rechtliches Interesse bestehen. Dementsprechend könne er sich der Argumentation der Gegenseite nicht anschließen. Der Rechtsvertreter der ICE Hockey League meinte daraufhin aufbauend, dass die Liga rechtlich darauf ausgereichtet ist Profi-Eishockey zu bieten bzw. zu erhalten. Natürlich gibt es wirtschaftliches, aber auch rechtliche Interessen. Ohne den „Covid-Waiver“ wäre ein Spielbetrieb in der aktuellen Saison nicht möglich. Ohne Rechtssicherheit und gleiche Standards über das gesamte Ligagebiet würde sich das Liga-System „ad absurdum“ führen. Die Vorsitzende protokollierte in der Folge diese Ausführungen.
Weiter ging es mit dem Austausch rechtlicher Standpunkte. Demnach ist die Kampfmannschaft der Vienna Capitals kein Mitglied des Eishockeyverbands ÖEHV (Anm.: Heimische Kampfmannschaften sind Kapitalgesellschaften in der ICEHL und können daher nicht direkt Mitglied des Verbandes sein!). Dementsprechend wäre eine generelle Gültigkeit des „Covid-Waiver“ auf Verbandsebene und somit eine internationale Gültigkeit anzuzweifeln. Der Vertreter der ICEHL erwiderte, dass es möglicherweise Regressansprüche gegen die Liga aufgrund des „Covid-Waivers“ geben könnte und daher die Nebenintervention mehr als zulässig ist.
In der Folge unterbrach die Vorsitzende für eine kurze Beratung die Tagsatzung.
Nach einigen Minuten Verhandlungspause hielt Fr. Mag. Lang-Dubsky fest, dass der Antrag von Nebenintervention stattgegeben wird.
Als nächstes Thema stand die Forderung nach einer Sicherheitsleistung von Seiten der Vienna Capitals gegenüber der klagenden Partei im Mittelpunkt der angeregten, aber von allen Beteiligten sehr fair geführten Diskussion. Die Vienna Capitals führten hier die Begründung an, dass dieses Verfahren möglicherweise am Ende beim Verfassungsgerichtshof landen könnte. Daher wäre dieser Antrag zulässig und berechtigt. Dieser Argumentation hat sich die Liga angeschlossen. Der Anwalt von Shawn Lalonde widersprach diesem Argument in Berufung auf § 57 ZPO (Erklärung -> Link). Eine Entscheidung der Vorsitzenden Richterin in diesem Punkt gab es nicht.
In weiterer Folge ging es um den „Covid-Waiver“ selbst. Aus den Akten hielt die Vorsitzende eine Kopie des unterschriebenen Papiers des Spielers vor (Anm.: Ob es sich tatsächlich um die letzte Seite des Waivers handelte, war vom Presseplatz nicht erkennbar). Die klagende Partei sprach dabei davon, dass die Unterschrift deshalb erfolgte, weil von Vereinsseite angeboten wurde, später einen leicht modifizierten Waiver vorzulegen und dieser würde einzeln, sprich nur für Lalonde, gelten. Dies sei in unterschriftsreifer Form nicht geschehen. Daher wurde auch die Unterschrift postwendend widerrufen, weil eben eine individuelle Regelung angeboten wurde und nicht das Standarddokument. Von Seiten von Lalonde war besonders wichtig, dass dabei auch unverschuldete Verstöße abgehandelt wird. Der Caps-Anwalt konnte diesen Aspekt weder bestätigen noch dementieren. Er müsse hier Rücksprache halten, um ein „verbindliches Statement“ abzugeben.
Danach ging es um das Engagement von Shawn Lalonde in Finnland. Der Verteidiger hat kürzlich einen Vertrag bei Ässät Pori bis zum Saisonende unterschrieben (Sportreport berichtete – Link). Der Anwalt des Vereins stellte in den Raum, dass der Spieler kein Interesse mehr an seiner Verpflichtung in Wien hätte bzw. auch gar nicht zurückkommen möchte. Auch weil die Post, welche dem Spieler an seine österreichische Adresse zugestellt wurde, mit „unbekannt verzogen“ retourniert wird. Demnach müsse die Klage auf eine „Leistungsklage“ (Erklärung -> Link) umstellen. Der Anwalt von Lalonde erklärte, dass sein Manadant sofort nach Wien zurückkehren könnte, wenn dies von der beklagten Partei gefordert werden sollte.
In der Folge gab es noch Diskussionen über Vertragsdetails bzw. seinem Vertragsstatus. Ist es für den Spieler „nur eine Trainingsmöglichkeit“ (mit Spieloption?) oder ist der Kanadier vertraglich ohne Ausstiegsklausel an seinen finnischen Verein gebunden? Die Vienna Capitals verlangten die Vorlage des Spielervertrags des 31-Jährigen. Das hat im weiteren Verlauf des Verfahrens zu erfolgen.
Nach dem Kontrakt ging es thematisch zurück zum „Covid-Waiver“ und wann die Unterschrift verlangt wurde. Hier wurde von der Spielerseite festhalten, dass zuerst der Vertrag und deutlich danach der „Corona-Zusatz“ vorgelegt wurde. Dies würde die rechtliche Situation für den Arbeitnehmer (Spieler) verändern und verdiene daher eine inhaltliche Bewertung. Darauf entgegnete die Caps-Seite, dass dieser Waiver eine „Reihe von Dingen ist, welche von der Liga vorgegeben werden, welche die Spieler unterschreiben müssen“. Dieser Satz sorgte für Emotion auf der Gegenseite. „Müssen, tut ein Spieler gar nichts. Von diesen nicht mehr zeitgemäßen Denken sollte man sich rasch im Eishockey verabschieden“, widersprach Spieleranwalt Dr. Palka.
Beide Seiten tauschten in der Folge ihre Ansichten für Fürsorge- und Sorgfaltspflichten des Arbeitgebers aus. Hier überraschte der Anwalt der Wiener mit der Feststellung, dass, wenn ein Spieler den Waiver unterschreiben würde, „wäre es sogar gut für den Spieler auf mehreren Ebenen“. Dies sorgte wieder für angeregte Diskussionen! So stellte die Spielerseite fest, dass man „nicht dienstfähig“, sprich nicht spielberechtigt, ist, weil er den Waiver nicht unterschrieben hat, obwohl er, also der Spieler, körperlich fit ist. Dies würde rechtlich aber auch in der Sache „keinen Sinn“ ergeben. Die Liga reagierte übrigens damit, dass die Arbeitsverhältnisse zwischen dem Spieler und den Teams geschlossen sind und der „Covid-Waiver“ davon nicht betroffen ist. Daher wäre man von Seiten der ICEHL der falsche Ansprechpartner, und dies wäre eine Vereinssache.
Weiter ging es noch um die Verfahrenslänge und die Vertragslaufzeit. Shawn Lalonde unterschrieb einen befristeten Arbeitsvertrag bis zum 30. April 2022. Die Vereinsseite stellte erneut in Abrede, ob der Spieler rechtliches und generelles Interesse an einer Anstellung aktuell, aber auch in Zukunft, bei den Caps hätte. Dies wurde wiederrum von der Gegenseite beantwortet, dass der „Mandant gegen einige Stunden Vorlaufzeit und je nach Flugverbindung mehr oder weniger sofort die Reise nach Wien antreten würde“. Lalonde hat sich auf Wien gefreut und hätte auch gerne die Stadt und die Menschen erlebt.
Die Vorsitzende wollte von der Klagevertretung wissen, ob sein Mandat bereit wäre für eine Aussage nach Wien zu bekommen. Dies wurde vom Anwalt bejaht. Aus Pandemiegründen würde der Anwalt allerdings eine Videoschaltung bevorzugen bzw. anregen. Dies wurde von der Vorsitzenden mit einem Nicken zur Kenntnis genommen.
Die finale Phase des Gerichtstermins: Von der Vorsitzenden Richterin wurde der klagenden Partei eine dreiwöchige Frist für den nächsten Schriftsatz aufgetragen. Den Vienna Capitals und der Liga steht derselbe Zeitraum für die Antwort darauf zur Verfügung. Der Verein stellte danach offiziell den Antrag auf Vertragsoffenlegung um festzustellen, ob es tatsächlich eine „Wien-Klausel“ gibt. Dies wurde von der Vorsitzenden angenommen.
Danach wurde das Verfahren auf unbestimmte Zeit vertagt. Eine Fortsetzung ist somit erst im ersten Quartal des kommenden Jahres realistisch.
Beide Seiten wollten sich direkt nach dem Verfahren übrigens mit dem Hinweis auf das laufende Verfahren nicht weiter äußern.
– Eishockey-Gewerkschaft: Vienna Capitals haben Star-Verteidiger Shawn Lalonde entlassen
08.11.2021