Nach einem „Ereignis“ in der Wiener Innenstadt liegt Rapid-Stürmer Guido Burgstaller derzeit in einem Krankenhaus und erholt sich von einer schweren Kopfverletzung. Dieser Vorfall verdeutlicht, wie sensibel journalistisches Arbeiten sein kann. Die Gratwanderung zwischen „Berichterstattung“ und „Wahrung der Privatsphäre“ ist ein schmaler Pfad. Ein Kommentar von Thomas Muck.
Die Faktenlage
Ein 23-Jähriger verletzte den Ex-Nationalspieler in der Wiener Innenstadt schwer, indem er ihm einen Schlag versetzte. Aufgrund der Kopfverletzung wird Burgstaller mindestens drei Monate als Fußballprofi ausfallen; ein vorzeitiges Karriereende steht im Raum. Er befindet sich in einem Krankenhaus und ist auf dem Wege der Besserung. Der Täter befindet sich in Untersuchungshaft. Laut mehreren übereinstimmenden Medienberichten hat er die Tat gestanden und zeigt Reue. Ein „fußballerischer Hintergrund“ als Tatmotiv ist laut aktuellen Informationen „mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit gänzlich auszuschließen“. Sein Vater wird, ebenso wie weitere Familienmitglieder, als „glühender Rapid-Fan“ bezeichnet. Soweit die bisher bekannten Fakten.
Journalismus auf einem schmalen Grat
In Fällen wie diesem bewegen sich Journalisten auf dünnem Eis. Einerseits sollen sie informieren und Fakten präsentieren. Andererseits müssen sie Rücksicht auf drei zentrale Parteien nehmen:
1. Das Opfer und sein Umfeld
Guido Burgstaller ist eine öffentliche Person und hat selbstverständlich ein Recht auf Privatsphäre. Es liegt in der Verantwortung der Journalisten, private oder auch berufliche Hintergründe, die in praktisch jeder Extremsituation eine Rolle spielen, zu respektieren und zu schützen. So manche Aspekte haben in der Öffentlichkeit schlicht und ergreifend nichts zu suchen. Egal, ob es sich hier um einen Fußball-Profi oder um einen „normalen Mitbürger“ handelt.
2. Den Täter und sein Umfeld
Selbst die Weitergabe kleinster Details könnte dazu führen, dass die Identität des Täters oder seines Umfelds offengelegt wird. Bei emotionalen Fans eines Vereins wie Rapid muss dies besonders bedacht werden, da unüberlegte Worte Konsequenzen nach sich ziehen können.
Dabei kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass dies eine (kleine) Minderheit betrifft. Meine Kontakte in die Fan-Szene zeigen, dass eine „sehr deutliche Mehrheit“ ein feines Gespür „für die jeweilige Lage“ hat. Auch jene ihres Gegenübers! Manchen würde ich auch „großes soziales Feingefühl“ attestieren. Trotzdem gilt es, den Täter, trotz „des Ereignisses“, eben auch vor genannter Minderheit zu schützen. Auch das ist die Aufgabe eines Journalisten.
3. Die ermittelnde Exekutive
Nach der Tat kursierten zahlreiche Gerüchte, von haltlosen Behauptungen bis hin zu „spekulativen Wahrheiten“. Unbedachte Berichterstattung oder Postings in sozialen Netzwerken können öffentlichen Druck auf die Behörden ausüben und die Ermittlungen somit (indirekt) behindern. Dies ist nicht die Aufgabe von (Sport-)Journalisten. Es gilt, Fakten zu prüfen und mit Verantwortung seiner Aufgabe nachzugehen. Wurde dies in der Vergangenheit immer von allen Kollegen so gehandhabt?
Verantwortung im Journalismus
Medienvertreter tragen in solchen Situationen definitiv eine große Verantwortung. Es mag verlockend sein, mit einem „Clickbait“-Artikel Aufmerksamkeit zu generieren, doch dies kann langfristig mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen – sowohl für das Opfer als auch für den Täter. Aber auch für den Journalisten selbst!
Auch Verzicht gehört somit zu dieser Verantwortung. Es ist nicht immer notwendig, jeden (möglicherweise doch relevanten) Aspekt einer Causa zu veröffentlichen. Die Wiederholung von bereits bekannten Fakten ohne Mehrwert mag das „(eigene) Ego bedienen“, aber was ist der Sinn solcher Artikel? Haben in dieser Angelegenheit, aber auch in der Vergangenheit, Journalisten immer diese Schutzfunktion wahrgenommen? Die Antwort ist eindeutig: Nein!
Ein komplexes Berufsbild
Das Berufsbild des Journalisten ist vielfältig, und nicht alles lässt sich in Schwarz-Weiß-Kategorien einordnen. Manchmal hilft „Bauchgefühl“, und manche Aspekte – wie interne Gespräche innerhalb des Vereins, betreffend des „Ereigniszeitpunkts“ oder der Vorbildfunktion, sowie die Rehabilitation einer zum erwähnten Zeitpunkt „bestehenden körperlichen Blessur“ – bleiben zu Recht unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auch Journalisten werden darüber keine Informationen bekommen. Weder offiziell, aber auch nicht inoffiziell!
Zusätzlich laufen die Ermittlungen weiter, diese werden von Experten und nicht von Medienvertretern oder der Öffentlichkeit geführt. Am Ende wird ein Gericht entscheiden. So wie es sich für einen Rechtsstaat wie Österreich gehört.
Schuld und Gerechtigkeit
Eine generelle Frage, die auf der Hand liegt: Wird eine Verurteilung des Täters vor Gericht für „Gerechtigkeit“ sorgen? Solche Fragen sind seriös nicht zu beantworten. Der Versuch ist in Wahrheit nichts Anderes als die „öffentliche Meinung anzuheizen“. Das ist keine journalistische Aufgabe!
Bleiben wir wieder bei den Fakten. Die Tat hat das Leben von Guido Burgstaller drastisch verändert. Jenes des Täters ist so oder so zerstört. Spekulationen darüber, wie Burgstaller persönlich dazu steht, sind respektlos. Rückschlüsse von seiner öffentlichen Rolle als Fußball-Profi auf den Privatmenschen sind unangebracht. Weite Teile der Öffentlichkeit und so mancher Journalist tendieren trotzdem dazu, sie trotzdem zu ziehen.
„Zwischen Comeback und Neubeginn: Guido Burgstallers Weg in die Zukunft“
Guido Burgstaller hat einen schweren Einschnitt in seinem Leben erfahren. Es bleibt zu hoffen, dass er sich vollständig erholt und seinen nächsten Lebensabschnitt nach der sportlichen Karriere (die bekanntlich höchstwahrscheinlich im Sommer 2025 endet) in bester Gesundheit antreten kann. Die Ärzte arbeiten im Hintergrund daran, dies zu ermöglichen – oft geschehen wahre Wunder. Dies kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen! Eine Krankheit begleitet mich seit 2023 …
Ist ein „sportliches Comeback“ von Guido Burgstaller gänzlich ausgeschlossen? Eine Antwort auf diese Frage werden die nächsten Monate zeigen. Für den Sportler Guido Burgstaller darf man – bei aller angebrachten journalistischen Neutralität – darauf hoffen. Ein Karriereende aufgrund eines Ereignisses „außerhalb des eigenen Einflussbereichs“ würde vermutlich Spuren hinterlassen und viele Gedanken auslösen! Auch hier spricht der Autor aus eigener (leidvoller) Erfahrung … Man darf für den bekennenden Eishockey-Fan hoffen, dass er seine Energie für positive Aspekte im Leben investieren kann.
Ein (genereller) Appell gegen Gewalt
Öffentlich Solidarität zu zeigen und dem Opfer gute Wünsche zu übermitteln, ist eine Frage des Anstands. Dieser Wunsch gilt jedoch nicht nur Guido Burgstaller, sondern jedem Opfer von Gewalt. Gewalt ist keine Lösung und wird es auch niemals sein!
Vielleicht erkennen einige Menschen dies erst nach einem solchen Ereignis – doch diese Erkenntnis sollte nicht erst durch Leid entstehen müssen. Es sollte in jedem Menschen stecken – egal ob „normaler Bürger“ oder Journalist, der in solchen Situationen beruflich und in ihrer Funktion als Berichterstatter mit Bedacht und Verantwortung agieren sollte.
19.12.2024