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Unter der neuen Vereinsführung erhofften sich die Vienna Capitals in der Saison 2024/25 die Rückkehr in sportlich erfolgreichere Zeiten. Doch die bisherigen Spiele im Grunddurchgang haben gezeigt: Der Weg zurück ist lang, und unpopuläre Wahrheiten müssen offen angesprochen werden. Ein Kommentar von Thomas Muck.

Die aktuelle Saison im Schnelldurchlauf zusammengefasst: Der frische Wind durch die neue Vereinsführung und die Aufbruchsstimmung zum Start waren deutlich spürbar. Wer jedoch „Wunderdinge“ von den Wienern erwartet hatte, lebt in einer Illusion. Die Planung für eine Profi-Eishockey-Saison beginnt lange vor dem Jahreswechsel, und hier hatte der sportliche Leiter Christian Dolezal, damals neu im Amt, einen enormen Startnachteil. In einem ohnehin kleinen Markt so spät einzusteigen, ist alles andere als ideal. Auf der wirtschaftlichen Seite arbeiten die Geschäftsführer Lukas Garhofer und Patrick Wondra mit Herzblut daran, die Rückstände der letzten Jahre aufzuholen. Trotz ihrer Dynamik ist dies jedoch nicht innerhalb weniger Wochen zu bewältigen.
Zurück zu den sportlichen Aspekten: Die Zeiten wo in Wien „Spitzengehälter bezahlen werden“, sind längst vorbei. Der Markt an „qualitativ geeigneten Legionären“ war und ist somit weiter eingeschränkt. Kein idealer Start, und im Saisonverlauf kamen zwei Konstanten hinzu: vermeidbare individuelle Fehler und Verletzungspech.

Verletzungspech: Eine hartnäckige Konstante
Körperliche Blessuren gehören zum Eishockey wie das Riesenrad zum Prater, das Schnitzel zu Wien oder der Stephansdom zur Wiener Innenstadt. Eine Saison ohne Ausfälle ist ein kleines Wunder. Bei den Vienna Capitals traf es jedoch ausgerechnet designierte Leistungsträger. Gefühlt stats zum ungünstigsten Moment!

Ein (bitteres) Beispiel: Wer erinnert sich noch an die starken Leistungen von Goalie Tyler Parks in der Vorbereitung und der Frühphase des ICE Hockey League-Grunddurchgang? Kaum jemand, da er seit einigen Monaten mit einer schweren Oberkörperverletzung ausfällt. Zwar hat die sportliche Leitung mit dem ehemaligen U20-Teamgoalie Sebastian Wraneschitz diese Lücke fast geschlossen. Fast, aber nicht zur Gänze! Weitere wichtige Spieler wie Dominique Heinrich, Jack Dougherty, Dominic Hackl, Peter Krieger, Brett Kemp, Leon Wallner und Niki Hartl mussten verletzungsbedingt pausieren. Chemie oder Rhythmus aufzubauen, war unter diesen Umständen nahezu unmöglich.

So mancher Fan fordert(e) indirekt ein „zurück in die Vergangenheit“. Aber das ist definitiv der falsche Weg. Die Zeiten, in denen zwei bis zweieinhalb Linien für mittelfristigen Erfolg ausreichten, sind längst vorbei. Eine Eishockeymannschaft ist ein sensibles Konstrukt, und ohne vier durchstrukturierte Linien ist Misserfolg vorprogrammiert. Diese notwendige Einheit konnte auf dem Eis nicht zusammenwachsen. Eine unbequeme Wahrheit, die keine Ausrede für die aktuelle Tabellenposition ist, aber ein Teil der Erklärung!

Individuelle Fehler: Heimspiele als Achillesferse
Besonders in Heimspielen stechen gravierende Fehler hervor, die unter die Rubrik „Darf nicht passieren“ fallen: unerklärliche Fehlpässe, Stellungsfehler und mangelnde Defensivarbeit. Es wäre falsch, hier allein die Verteidiger in die Kritik zu nehmen. Oft fehlt es an sportlicher Unterstützung auf dem Eis. Frei nach dem Motto: „Lieber macht mein Mitspieler den Fehler, als dass ich der ‚Depp‘ bin.“

Ein mentaler Aspekt spielt hier mit hinein. Untypisch für Profi-Eishockey: Trotz lautstarker Unterstützung der Fans fehlt den Vienna Capitals der „echte Heimvorteil“. Die Angst vor Eigenfehlern führt zu verkrampften Aktionen. Zudem hapert es oft an den Basics: Vor dem eigenen Tor fehlt die Konsequenz, den Gegenspieler eng zu decken oder seinen Schläger aus dem Spiel zu nehmen. Die Gegentore sind die logische Konsequenz.

Zwischenbilanz: Eine durchwachsene Saison mit (etwas) Licht und (viel) Schatten
Aktuell rangieren die Vienna Capitals auf Tabellenplatz 10. Die direkte Play-off-Qualifikation ist utopisch, und der Kurs geht Richtung Pre-Play-offs. Ein kleiner Fortschritt im Vergleich zum Vorjahr – aber es hätte mehr sein können, vielleicht sogar müssen. Vermeidbare Heimniederlagen gegen Tabellennachzügler stehen Glanzleistungen gegen Spitzenteams wie Fehérvár und Red Bull Salzburg auswärts gegenüber.

Wer soll daraus schlau werden, …? Die Unkonstante war in der aktuellen Saison gefühlt die einzige „sportliche Konstante“ in Wien-Kagran.

Der Blick nach vorne
Was können die Vienna Capitals jetzt tun? Ein Transfer, sprich auf dem (aktuell qualitativ überschaubaren) Spielermarkt tätig werden, oder ein Teampsychologe um die Heimblockade zu lösen wären keine Garantie für kurzfristigen Erfolg. Jahr eins des Rebuilds war, aufgrund der aktuellen Situation, „nur ein kleiner Schritt“. Weitere müssen folgen!

Die Mannschaft der kommenden Saison wird vollständig die Handschrift von Christian Dolezal tragen. Das bedeutet unpopuläre Entscheidungen: Verdiente Spieler verabschieden, neue Legionäre (mit erhöhtem Budget gezielter) verpflichten und den österreichischen Stamm verbessern bzw. verjüngen. Gleichzeitig müssen auch Spieler aus dem eigenen Nachwuchsbereich näher an die Kampfmannschaft heranführen. Ob dies gelingt, bleibt abzuwarten, denn die Qualität der Nachwuchsspieler für Top6-Eiszeit war in den letzten Jahren nicht ausreichend.

Auch auf dem österreichischen Spielermarkt müssen die Capitals aktiver bzw. attraktiver auftreten und vielleicht auch einen neuen Weg einschlagen. Gerüchte, dass die Wiener bereits Neuzugänge für die kommende Saison fixiert hätten, wollen nicht verstummen. Im Gegenteil! Die sprichwörtliche Tinte, unter dem Vertragswerk, ist in so mancher Causa bereits getrocknet …
Es sieht danach aus, dass der Verein wieder „sexy“ ist, was er in den Saisonen davor nur bedingt der Fall war.

Fakt ist, dass ein starker österreichischer Stamm essenziell für den Erfolg ist. Die Qualität in diesem Aspekt ist seit Jahren rückläufig.

Vier Gründe für Optimismus
Auch wenn die aktuelle Saison durchwachsen verläuft, gibt es Grund für Optimismus. Dieser hat vier Säulen.

1. Christian Dolezal: Der sportliche Leiter lebt für seine Funktion. Mit seinem internationalen Netzwerk und seiner strukturierten Arbeitsweise bringt er die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Rebuild mit.

2. Die Geschäftsführung: Lukas Garhofer und Patrick Wondra haben das „Produkt Eishockey“ neu positioniert und dafür auch Sponsorenzuspruch erhalten. Die positive Dynamik im wirtschaftlichen Bereich gibt Hoffnung.

3. Die Fans: Trotz sportlicher Schwäche bleiben die Fans treu. Der beachtliche Zuschauerzuspruch lässt auch in schwierigen Zeiten konstant planen. Die Fans der Vienna Capitals sind definitiv keine Erfolgsfans!

4. Das Betreuerteam: Obwohl der sportliche Erfolg überschaubar ist, gibt es dennoch Grund zum Optimismus, besonders was das Betreuerteam betrifft. Hier einige Beispiele: Unter Goalie-Coach Bernhard Starkbaum hat Sebastian Wraneschitz einen sportlichen Entwicklungsschritt gemacht. Assistenztrainer Fabian Scholz wird zu Recht als vielversprechendes Talent im heimischen Trainersektor gehandelt. Head Coach Gerry Fleming hatte eine herausfordernde erste Saison, insbesondere aufgrund der bereits erwähnten Verletzungsprobleme. Mit einem breiteren und qualitativ stärkeren Kader sollte seine Arbeit die erhofften Früchte tragen.


Fazit

Der Umbruch benötigt Zeit und Geduld – beides Raritäten im Sport. Der eingeschlagene Weg zeigt in eine vielversprechende Richtung. Christian Dolezal arbeitet mit Nachdruck daran, und die Zukunft der Vienna Capitals erscheint positiv. Die wohl unpopulärste Wahrheit ist jedoch: Der Erfolg dieses Weges wird sich erst Ende 2025 zeigen. Bis dahin gilt es durchzuhalten, geduldig bleiben und dem eingeschlagenen Weg der Entscheidungsträger vertrauen.

Sollte dieser keinen Erfolg bringen, wird die Vereinsspitze die „Gesetze des Marktes“ anwenden und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Auch das sind die üblichen Mechanismen im Profisport. Auch das ist Teil einer nicht immer „populären Wahrheit“.

26.01.2025


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