Nach knapp drei Jahrzehnten ist Österreich endlich wieder bei einer WM-Endrunde vertreten! Ein Meilenstein für die Karriere der Spieler, des Trainerstabs und des Verbands. Erreicht hat die Mannschaft damit aber noch nichts. Nichts historisches! Eine harte These, die jedoch bei näherer Betrachtung verständlich wird. Ein Kommentar von Thomas Ernstson.
Die 77. Minute im Spiel gegen Bosnien wird Michael Gregoritsch wohl nie vergessen. Sein Treffer versetzte der Großteil des Ernst-Happel-Stadions in Ekstase. Das WM-Ticket ist gelöst, der Geist von 1998 vertrieben. Jetzt kann die Mannschaft ihre eigene Geschichte schreiben – doch das WM-Ticket alleine ist noch kein Meilenstein, obwohl er doch einer ist!
Bei der EURO 2024 zeigte Österreich, dass der ÖFB aktuell über eine goldene Generation verfügt. Der Gruppensieg gegen Frankreich, Niederlande und Polen war alles andere als selbstverständlich. Die 1:2-Niederlage im Achtelfinale gegen die Türkei sorgte jedoch für lange Gesichter. Viel wäre möglich gewesen, am Ende hat man noch kein historisches Ergebnis erreicht, obwohl der Erfolg in der Gruppenphase doch in diese Kategorie fallen.
Mit der erfolgreichen WM-Qualifikation hat die ÖFB-Auswahl zwar Geschichte geschrieben, doch der Blick muss nach vorne gehen. In diesem Kader gibt es Teamgeist wie selten zuvor und eine Gewinnermentalität, die „untypisch österreichisch“ ist. Trotz Pausenrückstand wollte man gegen Bosnien gewinnen. Mit Teamchef Ralf Rangnick wird es keine „rot-weiß-rote Gemütlichkeit“ geben. Die Spieler entwickeln sich weiter – und damit auch die Mannschaft.
Wie das U17-Nationalteam kann diese Auswahl sportliche Ausrufezeichen setzen. „Nur wer groß denkt, wird Großes erreichen“, sagte der ehemalige deutsche Nationalspieler und jetzige Geschäftsführer Sport bei Bayer Leverkusen, Simon Rolfes. Genau darum geht es jetzt: In etwas mehr als einem halben Jahr kann diese Mannschaft wirklich Großes erreichen – harte Arbeit und etwas Glück vorausgesetzt. Letzteres hatte das Team gegen die Türkei bei der EURO 2024 nicht.
Daher: Was spricht dagegen, dass Österreich die Gruppenphase übersteht und auch in der K.o.-Phase für Furore sorgt? Zu groß gedacht? Untypisch österreichischer Gedanke? Gelingt es, hätte man wirklich Großes erreicht. Und wer weiß – vielleicht liegt sogar das „neue Cordoba“ in Arlington, Atlanta oder East Rutherford. Die sportliche Zukunft des Fußball-Nationalteams wird definitiv spannend!
Ja, der 18.11.2025 ist ein historischer Tag: Österreich löst nicht jedes Mal das Ticket für die WM-Endrunde. Doch es ist erst der Startschuss für eine hoffentlich historische Endrunde. Hat das Team von Rangnick das Zeug dazu? Ja! Die Euphorie der Fans kann diese Mannschaft weit tragen.
Im Hintergrund muss Rangnick aber auch den Grundstein für die Zukunft legen. Leistungsträger wie Marko Arnautovic werden nicht jünger und Rücktritte aus dem Nationalteam stehen im Raum. Die kommende EM-Qualifikation wird zeigen, wie neue Hierarchien auf und abseits des Feldes entstehen – damit es nicht wieder 28 Jahre dauert, bis Österreich erneut eine WM-Endrunde erreicht.
19.11.2025








