Tom Pokel, Vienna Capitals

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Sportreport-Leser fragen – Vienna Capitals-Trainer Tom Pokel antwortet. Im ersten Teil des Gesprächs mit Thomas Muck sind die Mannschaft, Verletzungen und die möglichen Grüunde und die Goalie-Situation die Themen.

Sportreport: Wir haben unseren Lesern die Möglichkeit gegeben Fragen einzusenden. Uns haben wie immer sehr viele erreicht. Ist es das erste Interview in dieser Art?
Tom Pokel: Nein, nicht dass ich mich erinnern kann!

Sportreport: Einer der Hauptpunkte war die Vertragssituation. Offiziell hat Tom Pokel bei den Vienna Capitals einen Vertrag bis zum Saisonende mit Option auf eine weitere Spielzeit. Hat es dazu schon Gespräche gegeben? Wie sieht die persönliche Planung von Tom Pokel aus? Planen sie nur für die laufende Saison oder wollen sie längerfristig in Wien arbeiten?
Tom Pokel: Eigentlich kann ich über meinen Vertrag gar nicht reden. Gespräche haben schon stattgefunden, am Rande auch in allgemeinen Themen. Mein Ziel ist – und es war von mir so geplant – das ich längerfristig bleiben möchte.

Sportreport: Kommen wir zur Mannschaft: Stichwort Mannschaftsplanung: Inwieweit haben Sie sich in die Mannschaftsplanung einbringen können? Ist es ein „Tom Pokel-Team“ oder steckt darin noch die Handschrift des Vorgängers Tommy Samuelsson?

Tom Pokel: Es ist meine Mannschaft in dem Sinn, dass ich bei den neuen Spielern mit involviert war. Es gibt ein Gremium bestehend aus Franz Kalla, Phil Horsky und mir. Wir lassen uns dort beraten und sprechen uns dort ab wer kommt. Natürlich hängen davon auch die finanziellen Bedingungen ab. Es waren aber – glaube ich – um die 15 Spieler aus der vergangenen Saison, die bereits Verträge für diese Saison hatten. Etwa drei Viertel der Mannschaft hatten schon Verträge. 

Sportreport: Bei den heimischen Spielern im Kader ist das Urteil der Leser gespalten. Als positive Beispiele werden Großlercher und Fischer genannt, die sich gut entwickelt haben. Auf der anderen Seite gibt es Cracks, bei denen eine gewisse Stagnation festzustellen ist. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Tom Pokel: Aus meiner Sicht gibt es dazu verschiedene Punkte. Jeder einzelne Spieler ist anders und ich werde darauf nicht eingehen. Natürlich gibt es viele Spieler, die uns sehr positiv überraschen. Es gibt auch einige, wo wir sagen, dass es Verbesserungsmöglichkeiten gibt. 

Die individuelle Leistung vieler Spieler in dieser Mannschaft hängt davon ab, dass wir seit September nicht mehr die Mannschaft sind, die wir im Juli vorgestellt haben. Von Anfang an hatten wir eine große Anzahl von Verletzungen. Ich möchte das nicht immer erwähnen, aber es ist ziemlich schwer, ohne die ersten beiden Mittelstürmer eine ganze Saison zu spielen. Sprich Benoit Gratton und Adam Naglich fehlen uns. Benoit ist für uns leider schon lange abgehakt, weil seine Saison wegen der Verletzung bereits seit August vorbei ist. Das hat niemand mitberechnet, weil es nicht vorhersehbar war. Ben und Adam sind Schlüsselspieler für uns. Ein Mittelstürmer ist einer, der das Spiel leitet und delegiert. Ein Center ist das Gehirn der Sturmlinie. 

Wir hatten nie geplant, dass Peter MacArthur Mittelstürmer spielt. Ich denke, dass aufgrund vieler Situationen sind einige Spieler auch forciert worden, dass sie eine etwas andere, ungewohnte Rolle nehmen müssen. Jetzt sind diese Spieler gezwungen das Spiel zu leiten und den Puck zu verteilen. Das ist ein Rollenwechsel zur letzten Saison. Ich denke sie geben ihr Bestes. Es ist aber kein Geheimnis, dass wir mit eineinhalb Beine die ganze Saison sprichwörtlich am „humpeln” sind aufgrund der Verletzungen. 

Sportreport: In der Kritik stehen zum Teil einige Legionäre. Manchen wird zum Teil auch mangelnde Leidenschaft vorgeworfen. Generell gesprochen – Wie zufrieden ist der Trainer der Vienna Capitals mit den Imports?
Tom Pokel: Ich denke das kann man allgemein beantworten. Es ist eine große Herausforderung, dass eine Mannschaft immer 100 Prozent abruft. Wenn du von 4. August bis zum letzten Spiel im Grunddurchgang am 1. Februar hatte die Mannschaft keine Pause. Ich würde nicht sagen, dass es ein Einstellungsproblem gibt. Natürlich gab es ein, zwei Spiele, wo ich nicht zufrieden war. Da gibt es aber mehrere, andere Gründe dazu. Wir spielen praktisch mit drei Reihen und fünf Verteidigern. Einige der Spieler sind „überspielt“ in Punkto Eiszeit. Wenn du viele Spiele über einen kurzen Zeitraum hast – wir sind nicht wie Salzburg oder Znojmo, wo der Kader sehr tief ist. Unser Kader ist tief wenn wir gesund sind, aber nicht wenn wir vier oder fünf Spieler ständig verletzt haben. 

Wenn du dann zwei Spiele in drei Tagen oder das Programm mit drei Spielen in fünf Tagen oder vier Spiele in acht Tagen, da gibt es immer „ups and downs“. Da ist es phasenweise nicht möglich die 100 Prozent abzurufen, die er im Spiel davor hatte. Deswegen gibt es auch inkonstante Leistungen. Wir spielen in einen Spiel sehr gut und im nächsten nicht. Das können sich die Leute nicht vorstellen oder erklären. Aber die Leute können sich vorstellen, was du an Kraft benötigst, um ein Spiel in dieser Liga zu gewinnen. 

Ich gebe ein Beispiel: Graz war in der Phase als wir auf Platz Eins waren zweiter. Die sind auf den neunten Platz abgerutscht aufgrund von Verletzungen. Die Mannschaft ist mit drei Spielen in der Woche mit dezimierten Kader nicht zu Recht gekommen. In diesen rund drei Wochen ist es unmöglich, dass die Mannschaft in jeden Spiel immer 100 Prozent abrufen kann.

Graz hat die Verletzungen nicht so gut ertragen wie wir. Wir sind vom ersten auf den dritten Platz und dann zugegeben auch auf Rang vier abgerutscht. Aber Graz ist vom zweiten auf den neunten Rang. Das ist ein hervorragendes Beispiel. Der Zustand, die Gesundheit der Mannschaft in dieser Liga ist eine entscheidende Rolle über Erfolg und Misserfolg. Ich rede nicht über Verletzungen von ein, zwei Spielern, wo er vielleicht für ein Wochenende fehlt. Alle Verletzungen, über die wir reden, sind immer zwei, drei Monate oder gar länger. Die kürzeste Verletzung, die wir hatten, glaube ich war Phil Lakos mit vier oder fünf Wochen. Und das ist schon lange genug!

Nochmal ein Beispiel zu den Verletzungen. Linz hatte Verletzungen. Sie sind auf den fünften oder sechsten Platz abgerutscht. Als die Spieler zurück waren, ist Linz wieder nach vorne marschiert. Ich kenne keine Mannschaft, die in eine solche Verletzungssituation gut verkraften kann. Ich denke, unter diesen Umständen haben wir es relativ gut gemanagt, dass wir es am Ende auf den dritten, vierten Platz geschafft haben mit einer Mannschaft, die sehr viel in junge Spieler investiert hat. Von dieser Situation haben Sascha Bauer und Julian Großlercher am meisten profitiert. 

Sportreport: Laut Meinung unserer Leser fehlt ein klassischer „Center der ersten Linie“ aber auch die Energie und die Emotionen eines Benoit Gratton. Was fehlt dem Trainer Tom Pokel mehr von diesen beiden Punkten?
Tom Pokel: Ich denke beide Punkte. Da gibt es keinen Punkt wo du sagst, dass ist wichtiger oder das fehlt. Daher ist ein Leistungsträger wie Benoit Gratton sehr wichtig für die Mannschaft. Niemand konnte erahnen, dass seine Saison schon im August mit dem zweiten Champions Hockey League-Spiel vorbei ist. Wir haben Benoit auch als eine Führungskraft eingeplant. Wir haben immer gewusst was er gebracht hat und plötzlich ist es nicht mehr da. Das war ein dementsprechender Verlust für uns.

Sportreport: Die Vienna Capitals haben eine lange „Historie“ mit verletzten Spielern. Woran liegt es ihrer Meinung nach? Ist es einfach „Pech“ oder gibt es hierfür Gründe? Laut Meinung vieler Leser ist auch der dichte Spielplan daran Schuld? Sind da nicht Verletzungen auch vorprogrammiert? 
Tom Pokel: Das habe ich leider kennengelernt. Alle unsere Verletzungen waren entweder als Schläge oder Kollisionen. Wir haben keine Muskel- oder Bänderverletzungen. Also wir haben keine Probleme, die in Richtung „Muskelüberbelastung“ gehen. Die Knieprobleme bei Spielern resultieren aus „Crashes“ in den Ecken. Dustin Sylvester ist einem Beinstellen im ersten Saisonvorbereitungsspiel gegen Stavanger in Slowenien zum Opfer gefallen. Das war eine böse Aktion. Wir alle wissen, dass es bei Benoit Gratton ein Check von hinten gegen die Bande mit dem Kopf zuerst. Patrick Peter war praktisch Knie an Knie in der Ecke. Niki Hartl ist mit dem Fußgelenk umgeknickt bei einem Zweikampf in der Ecke. All diese Verletzungen sind in Zweikämpfen passiert. Die hatten nichts mit einem schlaffen Trainingsprogramm oder fehlender Kondition zu tun. Ich denke es war viel Unglück dabei. 

(überlegt kurz) Ich denke auch, dass mit der Champions League und der EBEL zusammen haben wir Ende Jänner/Anfang Februar über 50 Spiele absolviert. Das ist mehr als die NHL gespielt hat.

Sportreport: Sind es am Ende dann auch zu viele Spiele über einen zu kurzen Zeitraum? Spielen die Vienna Capitals salopp gesagt zu häufig?
Tom Pokel: Sagen wir so – es ist eine große Belastung. Wenn du mich als Trainer oder die Spieler fragst, würden sie zustimmen. Wir sind es gewöhnt ab und zu zwei Mal oder drei Mal die Woche zu spielen. Die englischen Wochen mit der Champions League sind kein Problem über einen kürzeren Zeitraum. Bei uns war eine Pause dringend nötig im November. Aber wir hatten die Champions Hockey League. Da hatten wir die 2 Spiele mit Kärpät. Das waren die beiden härtesten und intensivsten Spiele, die wir über die ganze Saison gespielt haben. Einige Tage später haben wir gegen Znojmo gespielt. Alle haben erwartet, dass wir unsere beste Leistung zeigen, weil wir sehr gut in der Champions League gespielt haben. Znojmo war frisch und hat auf uns gewartet. Die Mannschaft hat wieder 110 Prozent gegeben. Dann spielen wir gegen einen schwächeren Gegner. Und unser „Lawinen-Effekt“ ist, dass wir nach unten abgebaut haben. Wenn eine Mannschaft in einem Tief ist – mental und körperlich am Ende – das kannst du nicht in 2 oder 3 Tagen reparieren. So schnell kannst du das nicht verbessern oder ist erledigt. Wenn du in der Kurve zu weit unten bist von der Belastung, dann brauchst du normal fast 2 Wochen bis die Erholung da ist. Wir haben es ab und zu versucht mit einem freien Tag probiert. Aber dann ist das heftige Programm gekommen. Da bin ich mir mit vielen Trainern einig. Die Phase rund um Weihnachten und Silvester im letzten Jahr und heuer war einfach zuviel. 

Sportreport: Kommen wir zu den Goalies. Hier gab es zum Teil sehr kontroverse Einsendungen. David Kickert wird viel Talent attestiert. In bestimmten Situationen stagniert er aber laut der Meinung vieler Leser seit dem Abgang von Goalie-Coach Sam Liebkind. Haben die Vienna Capitals hier Aufholbedarf?
Tom Pokel: (Antwortet bestimmt) Moment – Time out! Zuerst mal die stagnierenden Leistungen kann ich nicht beurteilen, weil ich letztes Jahr nicht sein Trainer war. Nummer zwei: Wieviele Spiele hat Kickert gespielt letztes Jahr? Vier? Mir ist gesagt worden es waren vier bis sechs Spiele letztes Jahr. 

Ich kann seine Leistungen aus dem Vorjahr nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass er wesentlich mehr gespielt hat dieses Jahr. Wir haben offiziell einen Goalie-Coach mit Stefan Laddhe. Er coacht die Goalies im schwedischen Nationalteam. Er ist eine Woche im Monat in Wien. Er ist seit Montag in Wien. Es ist nicht dass ein Goalie Coach fehlt!

Sportreport: Ist die Gefahr gegeben, dass David Kickert den Status des „ewigen Talents“ hat der den Durchbruch nicht schafft?
Tom Pokel: (antwortet bestimmt) Nein! Auf keinen Fall! Diese Angst habe ich nicht zum Beispiel. 

Sportreport: Matt Zaba hatte im Grunddurchgang tolle Spiele dabei. Kann er aus Ihrer Sicht in den Playoffs noch drauflegen?
Tom Pokel: (Antwortet bestimmt) Ja!

13.02.2015