Die Saison 2015/16 der Vienna Capitals ist nach der Viertelfinal-Play-off-Serie gegen den VSV beendet. Der frühe „Urlaubsantritt“ des Vize-Meisters der Vorsaison kommt alles andere als überraschend. Mal wieder gibt es eine Saison der vergebenen Möglichkeiten rückblickend zu beachten. Ein Kommentar von Thomas Muck.
Die Saison 2015/16 hatte eigentlich alle Zutaten, um historisch zu werden. Ein Trainer, der in der Vorsaison Euphorie entfachte. Es herrschte Aufbruchstimmung im 22. Wiener Gemeindebezirk. Wie jedoch bereits im Fazit des Grunddurchgangs erwähnt,d war diese rasch verflogen. Wer sich in den Play-offs eine Trendumkehr erwartete wurde enttäuscht. Der für seine Motivationskunst bekannte Head Coach konnte im Umfeld nicht mehr für positive Stimmung sorgen.
Die Zwischenrunde und die Play-offs tröpfelten vor sich hin. In der Vorsaison lautete das Motto der Vienna Capitals “Es geht um Leidenschaft“. Die Mannschaft präsentierte sich körperlich und geistig stets leidenschaftlich, kämpferisch. Trotzdem gelang es nicht, wie in der Vorsaison, „Feuer“ und „Leidenschaft“ im Umfeld zu erzeugen. Was waren die Gründe dafür?
Mangelnde offensive Durchschlagskraft
In der Zwischenrunde und in den Play-offs wurde eine Achillessehne der Vienna Capitals offensichtlich. Die mangelnde offensive Durchschlagskraft. Trotz starker kämpferischer Leistungen blieb der spielerische Esprit auf der Strecke. Das Wiener Publikum ist in den letzten Jahren genügsam geworden. Neben körperlich intensiver Spielweise möchte man jedoch in der Hauptstadt auch Zug zum Tor und Kombinationen sehen. Über weite Strecken der Saison 2015/16 war dies jedoch nicht der Fall.
Nach dem Trainerwechsel im Vorjahr von Tom Pokel zu Jim Boni holte der Italo-Kanadier auch mit seiner direkten Spielweise die Zuschauer ins Boot. Davon blieb in der nun abgelaufenen Spielzeit kaum übrig. Ausrechenbar im Offensivbereich und ohne entsprechende Dynamik im Bereich vor dem Tor, waren die Vienna Capitals defensiv alles andere als schwer zu verteidigen.
Nur eine Linie punktet konstant
Ein Punkt der auch aus dem Grunddurchgang geändert hat ist die Besetzung der Sturmlinien. Nur eine Angriffsformation sorgte kontinuierlich für Punkte. Die Reihe rund um Rafael Rotter, MacGregor Sharp und Simon Gamache trug das Offensivspiel der Vienna Capitals. Dahinter klaffte eine gewaltige Lücke. War es die Chemie in den Angriffslinien? War es die Charakteristik der Einzelspieler? Nüchtern betrachtet wurde die Mannschaft von einer Linie getragen. Nach der Verletzung von Rafael Rotter war auch diese Formation alles andere als „durchschlagskräftig“.
Leistungsträger „müde gespielt“
Häufig fühlte man sich in der Saison 2015/16 in einem Punkt an die Vienna Capitals unter Ex-Trainer Kevin Gaudet erinnert. Jim Boni setzte verstärkt auf drei Linien. Die vierte Angriffsformation kam über „Entlastungseinsätze“ nicht hinaus. Ein Umstand der sich mit Fortdauer der Zwischenrunde negativ auswirkte. Körperlich stieg die Verletzungsanfälligkeit – mental wurden die Spieler müde. Ausfälle und Fehler waren vorprogrammiert.
Trainer Jim Boni
Sportlich, inhaltlich, aber auch in der Außendarstellung, zeigte Jim Boni in den vergangenen Monaten Schwachstellen. Zeitweise fühlte sich an die letzte Saison, der ersten Amtszeit von Jim Boni, erinnert.
Damals, wie auch in der laufenden Saison, sprach Jim Boni davon, mit seiner Wunschmannschaft arbeiten zu dürfen. Heuer machten früh Gerüchte die Runde, dass der Kader doch nicht nach den Wünschen des Head Coaches zusammengestellt sein soll. In diesem, wie auch in anderen Punkten, wiederholt sich die Geschichte.
Kaderzusammenstellung
Eine berechtigte Frage die sich im Rückblick stellt ist, wer für die Kaderzusammenstellung verantwortlich war. Ist es die Wunschtruppe von Jim Boni oder hat General Manager Franz Kalla eine Mannschaft ohne den „Segen“ seines Cheftrainers zusammengestellt? Eine interessante Frage auf die es wohl offiziell keine Antwort gibt. Fakt ist, dass es einige interessante Aspekte in diesem Themenkomplex gibt.
Fakt ist auch, dass die Mannschaft zwar charakterlich und kämpferisch vorbildlich war, im Offensivbereich fehlte es jedoch an Geschwindigkeit und einem jungen, dynamischen Torjäger. An Schnelligkeit war einzig Niki Hartl herausragend. Der 24-Jährige Salzburger wurde jedoch in der Regel in der vierten Linie eingesetzt – mit überschaubarer Eiszeit.
Der Rest der Mannschaft spielte ein langsameres Tempo. Mittel, wie ein Steilpass, um eine Penaltysituation zu provozieren, gab es in der kompletten Saison kaum zu sehen. Die mangelnde Geschwindigkeit war auch gegen den VSV ein Faktor der zur Niederlage führte.
Kris Foucault – ein Spieler aus der Vorsaison, der sich zum Goldgriff entwickelte. Ein unbekannter Spieler, der die Verantwortung übernahm und für viele wichtige Tore sorgte. Genau ein solcher Mann fehlte. Ein junger, schneller, dynamischer Perspektivspieler der wusste, wo „die Hütte“ stand.
Die Saison 2015/16 wird Simon Gamache als Top-Scorer beenden. Der 35-Jährige Kanadier profitierte jedoch davon, dass er in einer Linie mit Rafael Rotter spiele und er stets mustergültig bedient wurde. Ein Typ wie Foucault, der auch aus dem sprichwörtlichen „nichts“ für Scorerpunkte sorgen konnte fehlte an allen Ecken und Enden.
So blieb es mal wieder bei einer Saison der vielen vergebenen Chancen. Das frühe Saisonende 2015/16 war alles andere als eine Überraschung. Viele Aspekte waren hausgemacht. Die Vienna Capitals stehen nun vor sehr interessanten, zukunftsweisenden Wochen. Hier gilt es Chancen zu nutzen. Welche? Hier einige im Überblick:
Trainerfrage
Die zweite Ära von Jim Bon in Wien ist beendet. Es gilt nun einen Nachfolger für den einzigen Meistertrainer der Vereinsgeschichte zu finden. Die Anforderungen sind hoch. Der neue Coach der Vienna Capitals muss erfolgreich sein, aber auch Talente weiterentwickeln. Mal wieder haben die Wiener ausgerufen, dass man auf den eigenen Nachwuchs setzen will. Für diese Aufgabe wäre Jim Boni definitiv der falsche Mann gewesen.
Es gilt nun einen Trainer zu finden, der diese Mentalität mittragen wird, aber gleichzeitig auch erfolgreiches, mitreißendes Eishockey zeigt. Auf General Manager Franz Kalla wartet die Suche nach der sprichwörtlichen „Nadel im Heuhaufen“.
Kaderumbau
Nach der Saison 2015/16 ist ein Umbau des Kaders unausweichlich. Nicht weniger als 15 (!) Verträge laufen aus. Langjährige Spieler, wie Fraser oder Ferland (besitzt Vertrag für die Saison 2016/17), blieben hinter den Erwartungen zurück. Legionäre, aber auch heimische Cracks, haben sich mit „Glanzleistungen“ nicht gerade für eine Vertragsverlängerung aufgedrängt. Hinter einigen Spieler stehen aufgrund von Verletzungen Fragezeichen.
General Manager Franz Kalla muss gemeinsam mit dem neuen Trainer eine neue Mannschaft formen. Bleibt zu hoffen, dass der Kader für die kommende Saison mit einer Portion „Weitblick“ zusammengestellt wird. Das jährliche „von Saison zu Saison wurschteln“ darf nicht gerade als „ideale Rahmenbedingung für sportlichen Erfolg“ bezeichnet werden. Können die Fehler aus der Saison 2015/16 abgestellt werden und die richtige Mischung gefunden werden?
Wiener Nachwuchs
Dominik Hackl. Felix Maxa, Benjamin Nissner oder ein Patrick Bolterle. Vier Namen und ein Hintergrund. Sie sind Spieler aus dem Wiener Nachwuchs, die heuer eines unter Beweis stellten: Diese Gruppe hat das Zeug, um in der Erste Bank Eishockey Liga und der Champions Hockey League ihren Mann zu stellen. Nun gilt es Rahmenbedingungen zu schaffen. um junge Spieler zu entwickeln und diese auch in der Kampfmannschaft dauerhaft zu entwickeln.
Nachwuchschef Christian Dolezal leistete in der vergangenen Saison ausgezeichnete Arbeit. Diese gilt es jedoch weiter auszubauen und zu vertiefen. Etliche Fehler der Vergangenheit konnten nicht innerhalb weniger Monate ausgebessert werden. Nun gilt es den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und den Talenten eine Perspektive zu bieten.
Wartungserlass
Im österreichischen Profisport ändert sich durch den Rahmenerlass einiges. Davon auch betroffen sind die Teams der Erste Bank Eishockey Liga und somit auch die Vienna Capitals. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben bzw. werden sich ändern. Ein Umstand an dem es nichts zu rütteln gibt.
Wie die Vienna Capitals darauf reagieren ist noch nicht bekannt und wird auch wohl nicht öffentlich werden. Ob die Vienna Capitals – wie allgemein erwartet – den Kader um einen, oder zwei, (Profi-)Spieler verkleinern werden ist offen. Fakt ist, dass auf General Manager Franz Kalla sehr intensive Wochen im wirtschaftlichen Bereich warten.
Wie erzeuge ich erneut eine Aufbruchstimmung?
Die Stimmung rund um die Vienna Capitals ist im Keller. Das frühe Ausscheiden gegen den VSV hat Wunden hinterlassen. Die PR-Abteilung der Vienna Capitals schaffte in den vergangenen Saisonen stets eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Mit einem passenden Saisonmotto schaffte man es Zuschauer, Sponsoren aber auch die Journalisten ins Boot zu holen. Eine der vielen Ebenen, wo auf die Vienna Capitals viel Arbeit wartet.
Sie sehen, auf die Verantwortlichen der Vienna Capitals warten sehr intensive (Arbeits-)Wochen. Es gilt aus den Fehlern der Saison 2015/16 die richtigen Schlüsse zu ziehen, um nicht auch in der kommenden Saison ein Fazit ziehen zu müssen, dass man etliche Chancen ausgelassen hätte. Das Fazit der Saison 2015/16 wird die Sympathisanten der Vienna Capitals noch etliche Wochen verfolgen. Denn das Ausscheiden gegen den VSV hat definitiv Spuren hinterlassen.
09.03.2016









