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Das Sechsstundenrennen am 6. Mai in Spa-Francorchamps (BE) stellt für Porsche weit mehr dar als den zweiten Lauf zur FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC: Es gilt als Generalprobe für Le Mans. Das Porsche LMP Team setzt in Spa wie auch beim 24-Stunden-Klassiker in Le Mans (17./18. Juni) zwei Porsche 919 Hybrid mit den sechs Stammfahrern ein. Der amtierende Weltmeister Neel Jani (CH) startet mit der Nummer 1 und wechselt sich im Cockpit mit André Lotterer (DE) und Nick Tandy (GB) ab. Das Schwesterauto mit der Startnummer 2 pilotieren Earl Bamber (NZ), Timo Bernhard (DE) und Brendon Hartley (NZ). Nach den Plätzen zwei und drei beim Saisonauftakt in Silverstone (GB) kommt Porsche als Führender der Herstellerwertung in die Ardennen.

Im Duell mit Toyota hat Titelverteidiger Porsche in Spa und in Le Mans einen Pfeil weniger im Köcher, denn das Siegerteam von Silverstone bringt drei Prototypen an den Start. Bei der aerodynamischen Auslegung des 919 Hybrid liegt der Fokus unverändert auf der Vorbereitung für den Saisonhöhepunkt in Frankreich. Allerdings hat das Paket mit geringem Abtrieb auf den langen Volllastpassagen in Spa durchaus auch Vorteile. Darüber hinaus ist schiere Leistung gefordert, denn der 7,004 Kilometer lange Grand-Prix-Kurs wartet mit beträchtlichen Höhenunterschieden auf.

Das in vier Klassen eingeteilte WEC-Feld aus Prototypen und GT-Sportwagen zählt in Spa 30 Fahrzeuge. Der Start zum Sechsstundenrennen erfolgt am Samstag um 14:30 Uhr. Es wird via Internet und TV praktisch weltweit übertragen.
Das Porsche LMP Team vor dem Rennen in Spa

Fritz Enzinger, Leiter LMP1: „Der zweite WM-Lauf ist einerseits eine Art Generalprobe für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans im Juni, andererseits aber auch unsere nächste Chance, Punkte für die Titelverteidigung zu holen. Der Auftakt in Silverstone war für unsere aktuelle, mit geringem Abtrieb auf Le Mans ausgerichtete Aerodynamik eine große Hürde. Das Team hat sie sehr gut genommen. Wir kommen als Führender in der Hersteller-WM nach Spa, und diese Position wollen wir halten.“

Andreas Seidl, Teamchef: „Die Berg- und Talbahn in Spa stellt derart vielfältige Ansprüche, dass man dort immer Kompromisse eingehen muss. Eine Fahrzeugabstimmung zu finden, die für die langen Volllastpassagen passt, mit denen die Fahrer aber auch noch in den Kurven des Mittelsektors zurechtkommen, ist ein Spagat. Bezüglich der aerodynamischen Auslegung sind wir reglementbedingt 2017 weniger flexibel als im Vorjahr, aber ich sehe den 919 Hybrid auch diesbezüglich gut gerüstet. In punkto Zuverlässigkeit und Mannschaftsleistung war Silverstone optimal. Wir wollen auch in Belgien ein fehlerfreies Rennen abliefern.“

Fahrer Porsche 919 Hybrid Startnummer 1
Neel Jani (33, Schweiz): „Wir können uns auf das Rennen in Spa freuen. Dass wir in Silverstone trotz der aerodynamischen Auslegung für Le Mans so gut abgeschnitten haben, hat Mut gemacht. In Spa wird dieses Aero-Paket auf den langen Vollgaspassagen im ersten und dritten Streckensektor gut passen. Im kurvigen Mittelsektor wäre mehr Abtrieb besser, aber es bleibt abzuwarten, wie sehr wir da im Vergleich zur Konkurrenz bluten müssen. Ein anderer Aspekt ist das Wetter: Sollte es richtig regnen, sehe ich Toyota leicht im Vorteil.“

André Lotterer (35, Deutschland): „Für mich ist Spa wie ein Heimrennen. Ab meinem dritten Lebensjahr bin ich ganz in der Nähe aufgewachsen, und später hatten wir einen Kart-Tuner an der Strecke. Der Kurs ist einer der schönsten der Welt, eingebettet in eine tolle Landschaft. Ich mag jeden Meter der Strecke. Die Senke Eau Rouge bleibt eine Mut-Passage, wenn es mit Vollgas durchgeht. Man muss dort auch gut mit dem Überrundungsverkehr taktieren und gegebenenfalls beizeiten den Gasfuß lupfen, um auf jeden Fall viel Schwung auf die ansteigende Kemmel-Gerade mitzunehmen. Belgien ist ja ein eher kleines Land, hat aber bemerkenswert viele Motorsport-Fans. Ich freue mich sehr darauf, dort erstmals im Porsche zu starten.“

Nick Tandy (32, Großbritannien): „Ich erinnere mich gern an meinen ersten Renneinsatz mit dem 919, das war 2015 in Spa. Die Strecke ist super für unsere Hochleistungs-Prototypen. Am meisten Spaß habe ich an den Kurven im Mittelsektor. Aber ich schätze auch die letzte Passage sehr: Wenn man aus Höchstgeschwindigkeit über Bodenwellen die enge Bus-Stop-Schikane anbremsen muss. Dort können die Fahrer und gute Abstimmungsarbeit mit den Ingenieuren einen großen Unterschied bewirken. Bezüglich der Wettbewerbssituation sind wir nach Silverstone auf jeden Fall zuversichtlich. Außerdem wird es interessant, die Toyota zu beobachten, wenn sie in verschiedenen Fahrzeugkonfigurationen antreten.“

Fahrer Porsche 919 Hybrid Startnummer 2
Earl Bamber (26, Neuseeland): „Der Kurs von Spa ist eine der wenigen Strecken, auf denen ich zumindest etwas Erfahrung mit dem 919 Hybrid habe. Als ich zur Vorbereitung auf den Einsatz 2015 im Porsche-Simulator in Weissach trainiert habe, war ich überrascht, wie schnell ich mit dem 919 durch Eau Rouge fahren konnte. Das dann wenig später real zu erleben, war sehr beeindruckend. Diese Rennstrecke ist definitiv etwas ganz Besonderes, und ich bin sicher, dass unser Aerodynamik-Paket mit wenig Abtrieb dort viel besser passt als das in Silverstone der Fall war.“

Timo Bernhard (36, Deutschland): „Spa ist für mich nach dem Nürburgring praktisch ein zweites Heimrennen. Die Strecke liegt nur 200 Kilometer von meinem Zuhause entfernt und sie ist großartig! Sie hat einen ganz natürlichen, unverwechselbaren Charakter. Dort mit einem Le-Mans-Prototyp eine richtig gute Runde zu schaffen, ist ungeheuer befriedigend. Denn der Kurs ist nicht einfach: Es gibt schnelle und langsame Kurven, die ineinander übergehen. Ich habe mich schon 1998 in die Strecke verliebt. Damals wurde ich in einem riesigen Feld der Formel-Ford-EM auf Anhieb Sechster. Ich bin auch schon drei 24-Stunden-Rennen in Spa gefahren. Bislang ist die Beziehung zwischen mir und der Strecke aber einseitig: Ich habe in Spa schon oft geführt, aber noch nie ein Rennen gewonnen. Das möchte ich 2017 ändern.“

Brendon Hartley (27, Neuseeland): „Beim Auftakt in Silverstone haben wir eine starke Teamleistung gezeigt, auf die wir stolz sein können. Aber wir sind sechs Sekunden nach dem Sieger ins Ziel gekommen. Jetzt werden wir alles daran setzen, in Spa eine Stufe höher auf dem Podium stehen zu können. Es wird erneut ein enger Wettkampf werden, aber wir treten voller Zuversicht an.“

Zeitplan:
Donnerstag, 4. Mai 2017
11:45-13:15 Uhr Freies Training
16:45-18:15 Uhr Freies Training
Freitag, 5. Mai 2017
10:25-11:25 Uhr Freies Training
15:25-15:50 Uhr Qualifying LMP1 & LMP2
Samstag, 6. Mai 2017
14:30-20:30 Uhr Rennen

TV und Livestream (Angaben in CEST):
– Kostenloser Livestream www.sport1.de: Samstag, Rennen, 14:00-21:00 Uhr
– Sport 1, Free TV:
Samstag, Rennen – live, 14:00-15:00 Uhr und 18:30-19:00 Uhr
60 Minuten Highlights sonntags ab 00:00 Uhr
– Sport 1+, Pay TV:
Samstag, Rennen – live, 15:25-16:45 Uhr und 19:00-21:00 Uhr
– Eurosport 1: Samstag, Rennen und Siegerehrung – live, 19:30-20:40 Uhr
– n-tv: PS Spezial WEC, 42 Minuten Dokumentation
Dienstag, 02.05.2017 – 16:10 Uhr
– RTL: 10 Minuten Zusammenfassung am 13.05.2017 vor dem Formel-1-Qualifying zum Großen Preis von Spanien
– Die offizielle FIA WEC App ist in der Basis kostenlos und bietet gegen Gebühr eine erweiterte Version inklusive Livestream des kompletten Rennens und Zeitnahme. Der Livestream wird betreut und kommentiert vom FIA WEC TV-Team inklusive der Live-Interviews aus den Boxen.

Der Porsche 919 Hybrid:
Der Porsche 919 Hybrid wurde für die WM 2017 umfassend überarbeitet. 60 bis 70 Prozent des Le-Mans-Prototyps sind Neuentwicklungen. Sie betreffen vorrangig die Bereiche Aerodynamik, Fahrwerk und Verbrennungsmotor. Das Antriebsprinzip des innovativen Hybrid-Rennwagens wurde beibehalten: Er entwickelt rund 900 PS (662 kW) Systemleistung aus einem kompakten Zweiliter-V4-Turbobenziner (knapp 500 PS/368 kW) in Kombination mit zwei verschiedenen Rückgewinnungssystemen – Bremsenergie von der Vorderachse und Abgasenergie. Während der Verbrenner die Hinterachse antreibt, wirkt beim Boosten ein E-Motor mit über 400 PS (294 kW) an der Vorderachse. Als Zwischenspeicher für den aus Brems- und Abgasenergie gewonnenen elektrischen Strom dient eine flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen-Batterie.

Zahlen und Fakten:
– Das Effizienzreglement der WEC begrenzt die Energiemenge, die der Porsche 919 Hybrid pro Runde einsetzen darf. Auf dem 7,004 Kilometer langen Kurs von Spa-Francorchamps sind es 6,37 Megajoule elektrische Energie aus den Rückgewinnungssystemen und 1,784 Kilogramm/2,464 Liter Benzin.

– Bei normalem Rennbetrieb muss der 919 spätestens alle 24 Runden tanken.

– Betankung und Reifenwechsel dürfen nur nacheinander durchgeführt werden. Beim Radwechsel dürfen nur vier Mechaniker gleichzeitig arbeiten. Es darf auch nur ein Schlagschrauber zur Zeit eingesetzt werden. Der Boxenstopp dauert also viel länger als etwa in der Formel 1.

– Fahrerwechsel erfolgen normalerweise, wenn neue Reifen gebraucht werden.

– Die Reifenauswahl umfasst drei unterschiedlich harte Mischungen Slicks für trockene Strecke, einen ebenfalls profillosen Hybrid-Reifen mit weicherer Lauffläche für gemischte Bedingungen sowie Regenreifen. Es stehen vier Sätze Trockenreifen pro Fahrzeug für Qualifying und Rennen zur Verfügung. Das sind zwei Sätze weniger als 2016.

– Der Circuit de Spa-Francorchamps ist für eine permanente Rennstrecke ausgesprochen lang und gespickt mit 19 teilweise spektakulären Kurven. Direkt nach dem Start folgt die Rechts-Haarnadelkurve „La Source“. Danach rauscht das Feld in die Senke „Eau Rouge“ mit einer Links-Rechts-Kurvenkombination in der Kompression. Die „Kemmel“-Gerade führt in den kleinteiligeren hinteren Streckenabschnitt. Nach dem Geschlängel durch „Malmedy“, „Rivage“, „Pouhon“ und „Fagnes“ wird ab der Rechtskurve „Stavelot“ wieder Vollgas gegeben bis zur extrem engen „Bus-Stop“-Schikane kurz vor Start-und-Ziel.

– Der Kurs im Dreieck zwischen den Orten Stavelot, Spa und Malmedy liegt nur 20 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt und zieht viele Fans aus dem Nachbarland an.

Rückblick:
– 2016 standen die beiden 919 in der ersten Startreihe. Bernhard und Hartley, die sich das Cockpit damals noch mit Mark Webber (AU) teilten, holten mit einer Durchschnittszeit von 1.55,739 Minuten die Poleposition vor dem Schwester-Porsche von Jani, Romain Dumas (FR) und Marc Lieb (DE).

– Im Rennen kamen Jani/Dumas/Lieb trotz Schwierigkeiten mit dem Hybridsystem auf Platz zwei ins Ziel. Der 919 von Bernhard/Hartley/Webber stand nach zwei Reifenschäden über anderthalb Stunden für Reparaturen von Folgeschäden (Karosserie und Vorderachsgetriebe) an der Box und wurde schließlich noch als Fünfter in der Klasse gewertet.

– Zuvor war Hartley die schnellste Rennrunde (1.58,431 Minuten) gefahren.

Medieninfo: Porsche

29.04.2017