Stanley Cup, NHL

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Die Stanley Cup-Qualifiers sind absolviert. Spaß, Überraschungen und wegweisende Maßnahmen für die Zukunft inklusive. Lukas Hörmandinger wirft einen Blick auf die vier Lehren der ersten Phase der Postseason 2019/20.

Sport ohne Pandemie Oder: Wie die NHL das perfekte Comeback erlebt Eishockey im Hochsommer?
Eigentlich nichts, was man gewohnt ist. Doch nach knapp fünf Monaten ohne über das Eis schlitternde Pucks war das Comeback der NHL vor etwas mehr als zwei Wochen Balsam für die Fan-Seele. Und die beste Liga der Welt hat zudem einen perfekten Lauf erwischt. Nach akribischer Planung und dem doch etwas länger als erwartet dauernden Abschluss der Verhandlungen mit der NHLPA über ein neues Collective Bargain Agreement schaffte es das nordamerikanische Profi-Eishockey, in kürzester Zeit alle an der Postseason teilnehmenden Teams in Toronto und Edmonton zu isolieren und ein neuartiges Playoff-Format zu etablieren – mit großem Erfolg. Seit Anfang Juli gibt es keinen positiven Corona-Test, auf dem Eis wird spektakuläres Eishockey geboten – dass keine Fans in der Rängen sitzen, wirkt sich so gut wie gar nicht auf den Spaß aus, den man beim Verfolgen der unzähligen Partien hatte und weiterhin haben wird.

Während die Baseball-Liga MLB durch steigende Corona-Zahlen und zalreiche Spielabsagen sowie Ausstiegen von Spielern immer weiter im Chaos versinkt, hat die NHL also gemeinsam mit der NBA – die in der Covid-Hochburg Florida jeden Tag um das Weiterführen ihrer Playoffs zittern muss – ungeteilte Aufmerksamkeit.

Doch nicht nur für das Beenden der Saison 2019/20 dient die NHL immer öfter als Vorbild. Denn ob bei einem Saisonstart im Dezember Fans in allen einunddreißig Eishallen erlaubt sein und die gesundheitliche Lage vor allem in den USA ein unbeschwertes Reisen durch Nordamerika überhaupt zulassen werden, steht weiter in den Sternen. Daher könnte ein erweitertes Bubble-System zumindest zeitweise auch für die kommende Spielzeit angedacht werden.

Großes Lob erhält die Liga zudem auch von vielen Seiten für das Play-In-Format. Zwar gibt es berechtigte Kritik daran, dass Teams wie Montréal und Chicago nun nicht nur an der ersten Runde der Postseason teilnehmen durften, sondern jetzt sogar in den Playoffs stehen, doch wird ein erweitertes Wild-Card-System von vielen Fans und Experten positiv diskutiert.

Konkret sollen sich neben den zwei mal drei Division-Teams pro Conference nunmehr nicht nur zwei, sondern vier Wild-Card-Teams ein Ticket für das K.O.-Format sichern können. Diese vier Mannschaften würden – ähnlich wie in der vergangenen Woche – in einer Vorrunde um die zwei verbliebenen Startplätze spielen. Die Sieger würden die acht Playoff-Teams komplettieren, die Verlierer wären jedoch von der Draft Lottery ausgeschlossen.

Jung über alt? Oder: Wie die Penguins von ihrem Thron gefallen sind
Hätte mir jemand vor einer Woche gesagt, dass meine Canadiens, die von allen Experten – und selbst mir – als krasse Außenseiter in dieser Serie benannt worden waren, über Sidney Crosby und seine Pittsburgh Penguins in vier Spielen triumphieren würden, hätte ich ihm wohl nicht geglaubt. Doch wie kam es dann letztendlich dazu, dass Pittsburgh nun zum ersten Mal seit 2006 nicht in den Playoffs steht?

Nur allzu einfach wäre es, zu sagen, dass Montréal nichts zu verlieren hatte und daher ohne Druck aufspielen konnte. Selbsverständlich haben die Leistungen der Jungspunde des Traditionsvereins und ein überragender Carey Price ihren Anteil am Ausscheiden der Penguins, doch findet der Verfall des einstigen Powerhouses bereits seit einiger Zeit statt. Nach zwei Stanley Cups in 2016 und 2017 kam 2018 letztendlich die Niederlage gegen Erzrivale Washington und dann das enttäuschende Aus gegen die New York Islanders in der ersten Runde der letztjährigen Playoffs – dem erst zweiten Mal, dass die Pens gesweept wurden. Die Play-In-Niederlage gegen die Habs ist nur der nächste Beweis für den natürlichen Abstieg. Denn die Devise „Never change a winning team“ hält selbst bei den erfoglreichsten Vereinen nicht ewig, die Penguins ließen nach dem zweiten Meistertitel in Folge jedoch den Großteil des Kaders unverändert; gleich dreizehn Spieler aus dem 2017er Kader standen auch dieses Jahr wieder für Pittsburgh auf dem Eis. Während sich die anderen Teams in ihrer Division teilweise sogar grundlegend neustruktiert hatten, blieben die Pens auf ihrer Schiene – und verpassten die Abzweigung in eine neue Ära.

Zudem ist eines klar: jeder Erfolg hat seinen Preis. Und in der amerikanischen Sportwelt bedeutet dies zumeist, mit alternden Vielverdienern, deren Beitrag nach und nach schwindet, umgehen zu müssen.

Dieser Fakt offenbart sich vor allem in der Defensive der Penguins. Vorrangig sticht hier der noch weitere drei Jahre laufende, sich auf 3,25 Mio.$ Cap Hit belaufende Vertrag von Jack Johnson (33) hervor. Doch auch Star-Verteidiger Kris Letang (33) kann nicht ewig Weltklasse-Eishockey spielen, kostet Pittsburgh aber noch zumindest zwei weitere Jahre 7,25 Mio. Dollar an Cap Space – viel Spielraum ist bei derzeit knapp 800.000 verfügbaren Dollar nicht. Etwas Erleichterung erhält das Team durch den in dieser Off-Season auslaufenden 5,5 Mio.$-Vertrag von Justin Schulz (30). Eine Verlängerung des Stanley-Cup-Siegers wäre eine Überraschung.

Doch ein Blick auf die Stürmergruppe der Penguins lässt nicht zwingend Hoffnung aufkommen. Zwar spielen die beiden Center Sidney Crosby (33; 8,7 Mio.$ bis 2025) und Evgeni Malkin (34; 9,5 Mio.$ bis 2022) weiterhin auf hohem Niveau, doch macht das Alter auch vor ihnen keinen Halt. Unterstützung aus den Farmteams kommt für die beiden keine – ein weiterer Nebeneffekt langjährigen Erfolgs. Auf den Flügeln stehen mit Jake Guentzel (25), Brian Rust (28), Jason Zucker (28), Patric Hörnqvist (33) und Brandon Tanev (28) fünf Spieler mit einem Cap Hit von insgesamt 23,8 Mio.$ für die nächsten zwei bis fünf Jahre unter Vertrag. Zucker, Hörnqvist und Tanev haben zudem eine modifizierte No-Trade-Klausel, können also nicht ohne Weiteres zu anderen Teams transferiert werden.

Das große Kopfzerbrechen ereilt Penguins-Fans allerdings beim Blick auf die noch unerwähnten Spieler. Mit den Torhütern Matt Murray und Tristan Jarry sowie den Stürmern Conor Sheary, Jared McCann, Evan Rodrigues und Dominik Simon häufen sich die in wenigen Wochen auslaufenden Verträge.

Mit einem alternden Kader, kaum jungen Nachzüglern, die frischen Wind in den Kader bringen, und wenig finanziellen Spielraum, um die nötigen Veränderungen durchnehmen zu können, scheint sich das Erfolgsfenster des Teams geschlossen zu haben.

Totgesagte leben länger Oder: Wie Chicago alle verstummen ließ
Dass man ehemals erfolgreiche Teams mit einer handvoll Starspieler niemals abschreiben sollte, bewiesen die Chicago Blackhawks. Die gegen die Edmonton Oilers mit Connor McDavid und Leon Draisaitl als krasse Außenseiter geltenden Hawks belehrten alle Experten eines besseren. Zwei zentrale Punkte gaben hier den Ausschlag.

Einerseits zeigte sich bei den Oilers abermals, dass zwei Superstars alleine nicht ausreichen, um letzten Endes die Saison als Meister beenden zu können. Die bereits erwähnten Washington Capitals dienen hier als perfektes Beispiel. Nach jahrerlangem Scheitern und den beiden Zweitrunden-Aus gegen Pittsburgh in den Playoffs von 2016 und 2017 fanden die Hauptstädter in der Saison 2017/18 den richtigen Mix an Spielern und überkamen schlussendlich alle Hindernisse, die ihnen in den Weg gelegt worden waren. Bezeichnend ist hierbei, dass das Championship-Winning-Goal nicht etwa Kapitän und Topscorer Alex Ovechkin oder einer der anderen Stars der Caps erzielte, sondern Drittlinien-Center Lars Eller, der seinem Team bereits die gesamte Saison über eine der wichtigsten Stützen gewesen war.

Andererseits brachten die Blackhawks den perfekten Mix aus erfahrenen Routiniers und hungrigen Youngsters mit. Sowohl Patrick Kane, als auch Jonathan Toews und Duncan Keith ließen noch einmal ihre besten Jahre aufleben und hielten ihre womöglich letzte Chance auf den Meistertitel am Leben. Unterstützung erhielten sie dabei von der nächsten Generation an Chicago-Stars wie Dominik Kubalik und Kirby Dach, die die enttäuschenden Auftritte des Teams in den vergangenen Jahren vergessen lassen und den Hawks-Fans eine großartige Zukunft versprechen.

Defense wins championships Oder: Wie Torontos Play-In-Aus hausgemacht ist
Es hätte das Jahr für die Maple Leafs werden sollen. Zum ersten Mal seit 2013 sollte das Traditionsfranchise aus Kanadas größter Metropole die zweite Runde und eventuell sogar mehr erreichen. Stattdessen ist es nach drei aufeinander folgenden Ertrunden-Ausscheidungen das elfte Mal in den vergangenen fünfzehn Jahren, dass die Leafs die Playoffs zur Gänze verpassen. Und das, obwohl das Team mit John Tavares, Auston Matthews, Mitch Marner und William Nylander vier absolute Superstars in ihren Reihen weiß. Doch genau hier liegt das Problem der Ahornblätter. Denn knapp 40,5 Mio. der 81,5 Mio.$ an Cap Space fallen allein auf diese vier Spieler, alleine 33,527 Mio.$ auf Tavares, Matthews und Marner.

Darunter leidet vor allem die größte Problemzone der Mannschaft: die Verteidigung. Cody Ceci und Tyson Barrie, die zur Stabilisierung der rechten Seite geholt worden waren, blieben in ihrer Zeit in Toronto hinter den Erwartungen zurück. Zu allem Überfluss laufen die Verträge beider Spieler in Kürze aus; die Spieler, die Toronto in den jeweiligen Trades hergeben musste, können bei ihren Teams auf durchaus gute Saisonen verweisen. Neben den gestandenen Verteidigern Morgan Reilly und Jake Muzzin sowie den Youngsters Rasmus Sandin und Travis Dermott sieht die Defensivabteilung der Maple Leafs trotz der Verlängerungen von Martin Marincin und Justin Holl also recht dünn aus.

Doch bleibt Toronto wenig Spielraum, um diese Probleme zu beheben. Denn selbst wenn Ceci und Barrie nicht verlängert werden, macht das nur etwas mehr als 7 Mio.$ an Cap Hit frei.
Hier kommt Neo-Kapitän John Tavares ins Spiel. Der Ex-New York Islander kam im Sommer 2018 nach Toronto. Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass die Leafs mit Matthews, Marner, Nylander und einigen anderen jungen Spielern eine ausgezeichnete Offensivabteilung für das kommende Jahrzehnt im Kader stehen hatten. Großes Manko des Teams war schon damals die eher mittelmäßige Verteidigung. Doch anstatt Tavares‘ 11 Mio.$ in die Hand zu nehmen und die Defensivabteilung aufzuwerten, wurde der Superstar in seine Heimatstadt gelotst. Zwar löste die Verpflichtung des Startcenters für Enthusiasmus in der Metropole aus und war der ehemalige Kapitän der Islanders mit einhundertachtundvierzig Punkten aus eindhunertfünfundvierzig Grunddurchgangsspielen bisher jeden Cent wert, doch stellt sich nach dem enttäuschenden Aus gegen die Columbus Blue Jackets – deren gesamte Offensive nur rund 40 Mio.$ an Cap Space verschluckt – erneut die Frage, ob dieser Transfer für die Zukunft der Maple Leafs alles andere als förderlich ist.

für Sportreport: Lukas Hörmandinger

11.08.2020