Das Nationalteam ist vor dem entscheidenden WM-Qualifikationsspiel in Irland im Stimmungstief. Teamchef Marcel Koller ist an dieser Entwicklung gefühlt nicht unschuldig. Die Pressekonferenz bei jener der Kader präsentiert wurde und die für Nachwehen, Kopfschütteln und zum Teil heftiges Unverständnis sorgt. In Kürze startet die Vorbereitung auf das so wichtige WM-Qualifikationsspiel in Irland. Die Frage die sich aufdrängt: Herr Koller, wohin führt der Weg? Ein Kommentar von Thomas Muck und Dominik Hana.
Dienstagmittag in einem Nobelhotel an der Wiener Ringstraße. Das Thema und das Podium lassen auf einen ruhigen Medientermin schließen. Der Kader für das WM-Qualifikationsspiel in Irland wird präsentiert. Am Ende sollte alles anders kommen! Viele Punkte platzten auf, Fragen auf Antworten blieben schuldig und der öffentliche Umgang mit einigen Spielern scheint fragwürdig.
Der Reihe nach. Zuerst wurde Sebastian Prödl öffentlich abgewatscht für seine Kritik am Länderspieltermin im Juni. Wer eine Saison in der Knochenmühle Premier League absolviert der hat durchaus einen – berechtigten – Gedanken: Etwas Abstand vom Fußball gewinnen und die Akkus aufladen! Danach gilt es körperlich und geistig wieder voll auf der Höhe zu sein. In Wahrheit ist es ein Luxusproblem, welches aber durchaus nachvollziehbar ist. Das Teams wie Watford in ein FA Cup-Finale oder gar im Champions League Endspiel steht darf getrost als unrealistisch bezeichnet werden.
Wie gesagt Sebastian Prödl hat ein Luxusproblem angesprochen. Für Teams aus dem Mittelfeld ist die Saison bereits seit zwei Wochen beendet, ehe es noch mal zum Nationalteam geht. Die öffentliche Erläuterung dieses Umstandes ist keinesfalls verwerflich. Trotz aller körperlichen und geistigen Beanspruchung – Es ist Jammern auf sehr hohem Niveau! Ja, es ist ein Luxusproblem für das viele Fans zum Teil wenig Verständnis haben. Denn so mancher Anhänger des Nationalteams kann es sich wirtschaftlich nicht leisten ein oder zwei Mal pro Jahr in den Urlaub zu verreisen. Sebastian Prödl ist ein Vollprofi in der wohl härtesten Liga Europas. Ob sie die Beste ist? Darüber kann ausgiebig diskutiert werden. Aber zurück zum Innenverteidiger des FC Watford. Gefühlt hat er den falschen Kanal und die falsche Wortwahl getroffen, dass der Rahmenterminplan auf Spieler keine Rücksicht nimmt ist ein legitimes Argument und sollte auch diskutiert werden.
Man kann also darüber diskutierten, dass ein Nationalspieler in Punkto Kommunikation einen Fehler machte. Die Replik von Teamchef Marcel Koller war jedoch ein schweres Foul. Der Teamchef hat Sebastian Prödl am Nasenring durch die öffentliche Manege gezogen. Wenn der Schweizer Kritik an seinem Innenverteidiger öffentlich äußern will, dann hätte die Wortwahl eine andere sein müssen. Die Art und Weise war an der Grenze zu einer Demütigung. Diese wurde im TV und ins Internet von rund zehn Kameras und mehreren Radiosendern transportiert…
Marcel Koller ist ein erfahrener Trainer und sollte die öffentlichen Spielregeln kennen. Wer in einer Phase der suboptimalen Resultate zu einer solchen öffentlichen Attacke greift, hat entweder die Kontrolle über die Mannschaft verloren oder ist am besten Weg dazu. Die Journalisten werden rund um das Irland-Spiel nun die Wortmeldungen und die Taten auf dem Feld besonders genau unter die Lupe nehmen. Eine unnötige Baustelle wurde somit aufgerissen.
Aber nicht Sebastian Prödl sondern Andreas Ulmer sollte am Ende für hohe Wellen sorgen. Im Rahmen der Pressekonferenz attackierte Marcel Koller den Linksverteidiger von Red Bull Salzburg scharf. „Wie kann er nur die Hochzeit während des Teamlehrgangs abhalten und nicht mit dem ÖFB Rücksprache halten?“ Heftige Worte die der Teamchef möglicherweise trotz anders lautender Informationen tätigte? Der Konter von Red Bull Salzburg-Sportdirektor Christoph Freund sorgt für Aufsehen. Laut seiner Aussage war Marcel Koller und Sportdirektor Willi Ruttensteiner über eine Knieverletzung informiert, die ihn nach der Saison zu einer Pause zwingt. Wieso hat dann Marcel Koller einen Spieler öffentlich abgewatscht, der in der Vergangenheit in Wahrheit vierte Wahl war? Wieso führt der Teamchef einen Spieler vor, der körperlich wohl nicht in der Lage ist körperlich gegen die sehr robusten Iren dagegen zu halten??
Die suboptimale öffentliche Darstellung lässt sich auch an zwei weiteren Themen ableiten. Die Torhüter und die Linksverteidiger-Position. Werfen wir einen Blick auf die Situation der Schlussmänner: Die Verletzung zweier Stammspieler in ihren Vereinen und der Rücktritt eines Goalies – der in Deutschland seinen Stammplatz auf der Ersatzbank hat – hinterlassen den Teamkader mit einer interessanten Personalauswahl. Der Stammplatz von Heinz Lindner bei Eintracht Franfurt ist auf der Ersatzbank. Daniel Bachmann schaffte es in der Premier League 2-Saison gerade Mal auf fünf (!) Einsätze. Markus Kuster ist der einzige Stammspieler im direkten Kader. Der SV Mattersburg ist aber in der heimischen Meisterschaft im unteren Mittelfeld anzufinden. Er wird wohl über die Rolle des dritten Torhüters nicht hinaus kommen. Österreich hat qualitativ gute Torhüter mit Matchpraxis. Das beste Beispiel für diese These spielt in der 2. Bundesliga. Warum bei dieser Bilanz ein Spieler wie Marco Knaller dezent ignoriert wird ist fachlich nicht begründbar. Wer in 35 Einsätzen, beim SV Sandhausen, der bestenfalls als unterer Mittelständler in der 2. Bundesliga in Deutschland bezeichnet werden darf zwölf Mal sein Tor sauber hält hätte zumindest eine Einladung in den Kader verdient. Österreich hat definitiv kein Torhüter-Problem. Nur gilt es mögliche persönliche Animositäten für den Erfolg der Mannschaft hinten anzustellen.
Die Baustelle auf der Linksverteidiger-Position ist vor dem Qualifikationsspiel in Irland offener denn je. Natürlich wird jetzt wieder die Frage aufgewärmt, ob David Alaba sich tatsächlich verweigerte die Position links hinten in der Viererkette einzunehmen. Was macht man nun um einen der besten Spieler auf dieser Position zu bewegen den Platz links einzunehmen? Marcel Koller stellte das System um. Dreierkette und die Außenverteidiger ins Mittelfeld ziehen – Ein Schritt der aber nicht zum Erfolg führt. Der Teamchef selbst meinte, dass eine komplette Systemumstellung im Nationalteam rund zwei Jahre dauern würde. Warum also damit starten während einer Qualifikation?
Mal eine generelle Frage: Was sind die aktuellen Alternativen zu David Alaba? Qualitativ sind sie sehr, sehr rar gesät. Markus Suttner hat entnervt seinen Rücktritt erklärt, Andreas Ulmer ist unter Marcel Koller kein Thema mehr. Ob der 31-Jährige nach dem 23. Mai 2017 unter dem Schweizer freiwillig zur Verfügung stehen würde darf stark bezweifelt werden. Kevin Wimmer (Zugegeben: Er ist kein echter Linksverteidiger, spielte diese Position aber im Nationalteam!) hat bei Tottenham keine Spielpraxis. Selbiges gilt für Stefan Stangl bei Red Bull Salzburg. Weitere Alternativen an gelernten Linksverteidiger? Wer qualitativ gute Spieler mit österreichischem Pass kennt, darf sie gerne öffentlich kundtun.
Was lernen wir aus dem 23. Mai 2017? In Wahrheit viel! Teamchef Marcel Koller wird von praktisch allen Sportmedien des Landes den Ansatz einer Wutrede attestiert. Ja, der Schweizer war ungewohnt emotional. Auf den zweiten Blick deutet jedoch vieles auf eine „bewusste Aktion“ hin. Die Wortwahl und der Ablauf der ersten Minuten der Pressekonferenz lassen jedoch den Rückschluss zu, dass dies nicht „ungeplant“ geschah. Die Wortwahl und die Änderungen in der Stimmlage lassen diesen Rückschluss durchaus als berechtigt erscheinen. Solche „öffentlichen Ausbrüche“ werden in den nächsten Tagen die Gerüchteküche weiter anheizen. In der Regel hat der Trainer da den „Bezug zur Mannschaft verloren“. Marcel Koller ist ein intelligenter Trainer – Möglicherweise waren diese Worte auch ein Schachzug um die Spieler in die Pflicht zu nehmen und scheinbar vorhandenen Problemen abzulenken.
Bleiben wir aber noch bei Marcel Koller. Der öffentliche Umgang mit einem aktuellen Nationalspieler und einen „Dauergast auf der Abrufliste“ dürfen getrost als bedenklich bezeichnet werden. Die traurige Wahrheit die man daraus schließen kann? Die „Wohlfühloase Nationalteam“ aus der EM-Qualifikation für Frankreich gibt es nicht mehr!
Sportlich benötigt Österreich einen Sieg in Irland. Die Vorzeichen deuten überhaupt nicht darauf hin. Von der Kompaktheit, vom selbstbewussten Auftritt und dem Esprit der EM-Qualifikation ist die ÖFB-Auswahl gefühlt so weit entfernt wie die Erde vom Mond.
Man kann nur hoffen, dass in Irland die Wende zum Guten gelingt. Dann wird die (berechtigte!) Kritik an Teamchef Marcel Koller sehr rasch leise sein. Für den Fall einer Niederlage ist die Ära des Schweizers beendet. Eine erfolgreiche Epoche würde aufgrund der letzten Monate mit einem bitteren Beigeschmack zu Ende gehen. So ehrlich muss man auch bei berechtigter Kritik sein – Das hätte sich Marcel Koller nicht verdient! Denn seine Verdienste um den österreichischen Fußball und das Nationalteam hätten einen langen positiven Eintrag in den Geschichtsbüchern verdient!
Wir glauben trotz negativer Vorzeichen an das Positive im Leben! Daher kann man dem Teamchef und er Mannschaft nur folgendes Statement übermitteln:“ Burschen gewinnt’s das Spiel. Wie ist egal!“
01.06.2017