Mit dem 328. Wiener Derby endete das Bundesliga-Kalenderjahr 2018. Die Austria deklassierte Rapid mit 6:1. Ein Spiel, welches viele Fragezeichen hinterlässt. Auf und abseits des Spielfeldes. Ein Kommentar von Thomas Muck.
Zuerst hat der Sport das Wort
In den ersten 30 Minuten gab es in der Generali-Arena einiges zu bewundern. Zwei Mannschaften, die sich an Intensität wenig schenkten. Für eine harte Attacke von Jeggo hätten die Gäste gerne Rot gesehen, beim Torraub-Foul von Ljubicic hatte der Unparteiische keine andere Wahl. Was danach geschah, sollte beide Lager nachdenklich stimmen.
Die Austria fertigte Rapid zwar deutlich ab, die Chance auf einen einzigartigen, historischen Sieg hat man aber wegen zu wenig Nachdruck leichtfertig weggeworfen. Ja, die Austria hätte deutlich mehr als sechs Tore machen können. Wohl eher müssen!
Auf der anderen Seite zerbrach Rapid in ihre Einzelteile. Nach dem 2:1 gab es keinerlei Gegenwehr, kein Aufbäumen mehr. Auch Schlüsselspieler wirkten wie „teilnahmslose Mitläufer“.
Die 1:6-Abfuhr ging nach ansprechendem Beginn in Ordnung. Ausreden, dass der Schiedsrichter das Spiel entschieden hätte, sind billig und falsch. Nach dem erneuten Führungstreffer der Veilchen hatten die Hütteldorfer in Wahrheit genug Zeit, alle Möglichkeiten mit personellen Optionen zu reagieren. Diese Möglichkeit wurde schlicht und ergreifend weggeworfen.
Wenn alles nach Plan läuft wird die Meisterrunde ohne den Rekordmeister über die Bühne gehen. Ist dadurch aber die Bundesliga-Saison 2018/19 gleich ein verlorenes Jahr? Nein! So komisch es klingt, Rapid hat weiter alle Chancen!
Platz sieben in der „Abstiegsrunde“ und der Traum von der Europa League lebt weiter. Die Hütteldorfer könnten der große Profiteur des neuen Modus sein. Wer hätte das vor dem Saisonstart gedacht…
Auf der Gegenseite beendet die Austria mit einem Erfolgserlebnis das Kalenderjahr 2018. Die Veilchen überwintern auf Platz fünf. Grund zum Jubeln? Überhaupt nicht! Die Mannschaft von Trainer Letsch zeigt weiterhin bestenfalls phasenweise ihr Potential. Das Offensivspiel war im Herbst weitgehend durchwachsen und uninspiriert. Ein Spiel zeugt jetzt noch nicht davon, dass man von einer Trendumkehr sprechen kann. Die Austria hat Probleme, auf dem Spielfeld und in ihren Strukturen. An der Behebung wird nicht nachhaltig gearbeitet. Ein Umstand, den übrigens die beiden „Wiener Großklubs“ teilen.
Am Rasen ist einiges Stückwerk, aber auch abseits des Spielfeldes merkt man, dass beide Teams sich aktuell in keiner guten Phase befinden. Mit knapp über 16.600 verkauften Karten war das Stadion nicht ausverkauft. Ein neues Stadion alleine verkauft am Ende doch keine Karten. Diese Lektion gab es am 16. Dezember für alle Beteiligten nochmals im Nachhilfeunterricht.
Abseits des Stadions gab es aber eine weitere Frage: Was war zuerst? Die Sperre der A23 oder der Wurf von Gegenständen auf die Südosttangente? Die veröffentlichen Statements der Wiener Polizei und der Rechtshilfe Rapid stehen in konträrer Gegenüberstellung. Auch hier gibt es Fragen über Fragen.
Sind alle Fans, die an diesem Marsch beteiligt waren, Verbrecher oder Opfer? Gibt es Beweise oder ist eine Verleumdung gegenüber den Teilnehmern des Fanmarsches, dass Gegenstände auf die Autobahn geworfen wurden?
Sollte dies der Wahrheit entsprechen ist ein energisches und rigoroses Vorgehen der Polizei nicht nur das gute Recht, es ist sogar verpflichtend! Die Exekutive hat die Allgemeinheit zu beschützen. Ein Wurf von Gegenständen auf eine Autobahn durch erwachsene Menschen ist in Wahrheit eine nicht zu entschuldigende Straftat. Menschen kommen dabei sehr leicht zu Schaden. Der Polizeieinsatz selbst dauerte am Ende rund sieben Stunden. Eine Länge, die ein mögliches „Revanchefoul“ an der organisierten Fanszene durchaus vermuten lassen könnte. Die Fanchoreografie (über die übrigens auch witzigerweise der offizielle UEFA-Twitter-Account berichtete – LINK) am vergangenen Donnerstag gegen die Rangers lässt solche Gedanken hochkommen.
Am Ende stehen nach dem 16. Dezember 2018 viele Fragezeichen. Warum zeigt die Austria nicht den nötigen Nachdruck, um den sportlichen Erzrivalen noch klarer abzufertigen? Warum zerlegt es Rapid nach einer halben Stunde in die sportlichen Einzelteile? Wie war das nun mit dem Polizeieinsatz, und was war der Auslöser?
Wenn man sich danach übrigens die Kommentare im Netz durchliest, werden die Fragen größer. Ist es wirklich nur ein Fußballspiel zweier sportlicher Lokalrivalen? Einige Poster in den Kommentarspalten (übrigens mit Klarnamen!) lassen Zweifel aufkommen, ob der Sinn einer sportlichen Veranstaltung noch verstanden wird.
Eine Woche vor dem Heiligen Abend ist von Weihnachtsfrieden im Wiener Fußball kaum etwas zu merken. Quo vadis, Wiener Derby? Quo vadis, „Wiener Großvereine“? Eine Frage die nach der Herbstsaison 2018 einer detaillierten, schonungslosen Analyse bedarf! Ob sie wirklich gemacht wird? Zweifel sind angebracht. Unbequeme Dinge bei Austria und Rapid werden gerne auf die lange Bank geschoben. Das sportliche Jahr 2018 ist vorbei, wobei man bei beiden Vereinen das berechtigte Gefühl hat, dass es sich um ein vergeudetes handelt.
17.12.2018