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Marco Rossi ist ein NHL-Spieler. Mit der Unterzeichnung seines Entry Level Contracts bei der Minnesota Wild ist der 19-jährige gesamtneunte Pick des vergangenen NHL-Drafts nun offiziell berechtigt, in der besten Liga der Welt aufzulaufen. Doch so groß dieser Erfolg auch sein mag, richtet er jedoch kein besonders gutes Licht auf die heimischen Nachwuchsakademien.

Rossi’s bisherige Laufbahn zeichnet ein typisches Bild. Als Vorarlberger hatte es der Center nicht weit in die Schweiz und konnte so ab 2011 in den verschiedenen Nachwuchsligen der Eidgenossen Erfahrung sammeln. Die letzten drei Jahre vor seinem Sprung nach Kanada verbrachte sogar in den Ausbildungsmannschaften der ZSC Lions und konnte dort sogar dreiundvierzig Mal in der Elite Junior A sein Können unter Beweis stellen.

2018 folgte dann der Wechsel in die OHL, eine der drei kanadischen Top-Nachwuchsligen. In Ottawa konnte er in der darauffolgenden Saison mit sechsundfünfzig Punkten aus dreiundfünfzig Spielen in der Gruppenphase und zweiundzwanzig Punkten in siebzehn Playoff-Partien einen eindrucksvollen Einstand feiern. Der Durchbruch gelang dem Linksschützen in der bekanntlich etwas verkürzten vergangenen Spielzeit. Mit einhundertzwanzig Zählern aus sechsundfünfzig Grunddurchgangseinsätzen war der gebürtige Feldkircher unangefochtener Top-Scorer der Liga – und damit der erste Europäer, dem das gelang. Dass er dann doch „erst“ an neunter Stelle gedraftet wurde, überraschte viele Experten.

Der Anteil Österreichs an dieser Erfolgsgeschichte: Rossi wurde in Vorarlberg geboren.

Dass fünfzehn Jahre nach dem NHL-Debut von Thomas Vanek das nächste heimische Eishockeywunder im Ausland ausgebildet worden ist, kommt aber nicht von irgendwo. Auch Österreichs erfolgreichster Spieler lernte sein Handwerk außerhalb der Grenzen seines Geburtslandes. Nach ständigen Leistungssteigerungen bei Rochester (NAHL), Sioux Falls (USHL) und der Universität von Minnesota (NCAA) wurde Vanek 2003 an gesamtfünfter Stelle des NHL Drafts von den Buffalo Sabres gedraftet und startete 2005 mit einer soliden Saison in seine vierzehnjährige Zeit in der besten Liga der Welt.

Auch Michael Grabner wechselte in jungen Jahren vom VSV nach Übersee und startete dort nach einer schwachen Rookie-Saison in der WHL ab der Spielzeit 2005/06 durch. Michael Raffl hielt es immerhin bis in seine beginnenden 20er in Villach und überzeugte bei den Adlern mit starken EBEL-Leistungen. 2011 wagte er jedoch den Sprung nach Schweden, ehe er zwei Jahre später zu den Philadelphia Flyers fand, wo er bis heute unter Vertrag steht.

Von Österreichs namhaften Exporten in der laufenden Saison kann wohl nur bei Raphael Herburger eine rot-weiß-rote Handschrift nachgewiesen werden. Der 31-Jährige wurde in seiner Heimatstadt Dornbirn ausgebildet, ehe er im EBEL-Kader des KAC unterkam. Von 2013 bis 2016 spielte der Vorarlberger in der NLA, wo er nach zuletzt vier Saisonen bei Salzburg in der laufenden Spielzeit abermals unter Vertrag steht.

Stefan Ulmer und Dominik Zwerger (Schweiz) sowie Peter Schneider (Tschechien) wurden früh in Österreichs Nachbarländern ausgebildet, ehe sie den Sprung nach Nordamerika wagten. Ulmer und Zwerger laufen mittlerweile wieder bei den Eidgenossen auf, Peter Schneider steht nach einem Jahr in der NLA derzeit bei Kometa Brno in der tschechischen Extraliga unter Vertrag. Unterdessen verbrachte KHL-Legionär Konstantin Komarek einen bedeutenden Teil seiner frühen Karriere in Schweden.

Alles andere als zufällig ist darüber hinaus auch der diesjährige Sechstrundenpick der New Jersey Devils Benjamin Baumgartner in dieser Liste wiederzufinden. Der gebürtige Zeller durchlief alle Akademie-Mannschaften des HC Davos, wo der 20-Jährige seit drei Jahren Teil der Kampfmannschaft ist.

Österreichs erfolgreichste Eishockeyspieler mussten also meist ohne heimische Unterstützung auskommen. Will Österreich bei Weltmeisterschaften wieder relevant(er) werden, muss jedoch im Nachwuchsbereich eine Trendwende her.

Egal ob Schweden, Finnland oder Schweiz, für die heimischen Akademien sollten Europas Top-Nationen ein klares Vorbild sein. Alle drei Länder vereint, dass in SHL, Liiga und NL sehr früh sehr viele Youngsters im Kader der Kampfmannschaft eingesetzt werden. Das Ergebnis sind junge Spieler, die bereits wichtige Erfahrungen in den besten Ligen ihrer Heimat gesammelt haben. Der Erfolg, gerade bei den Eidgenossen oder CHL-Rekordmeister Frölunda, spricht Bände.

Damit Marco Rossi aufgrund seiner Nähe zur Schweiz kein Einzelfall bleibt, muss es bei Österreichs IceHL-Vereinen ein klares Bekenntnis zur Nachwuchsarbeit geben. Gerade die laufende Saison hätte dafür aufgrund der prekären finanziellen Lage die Möglichkeit geboten, verstärkt auf Rookies aus der eigenen Talentschmiede zu setzen und so für die kommenden Spielzeiten aufzubauen. Stattdessen war die Strategie in der Off-Season, eine starke (ausländergeladene) Offensivabteilung aufzubauen. Ein bedeutendes Mehr an jungen Spielern lassen die Kader fast aller Mannschaften vermissen.

Die unverändert angespannte Lage und die auch daraus resultierenden Vertragsauflösungen könnten zwar letztendlich doch noch dazu führen, dass die Saison 2020/21 als wichtiger Meilenstein in Österreichs Nachwuchsausbildung in die Geschichte eingeht. Dass dazu jedoch eine weltweite Pandemie und gravierende wirtschaftliche Einbußen notwendig sind, ist dabei aber kein Ruhmesblatt.

für Sportreport: Lukas Hörmandinger

12.11.2020


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