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Wie jedes Jahr stellt sich in den Playoffs unter anderem eine ganz zentrale Frage: kommt es zu einer Überraschung und kann ein Team aus der Qualifikationsrunde in das Halbfinale vorstoßen? In Wahrheit steht diese Überlegung stellvertretend für ein langjähriges Problem der internationalen Spielgemeinschaft EBEL/IceHL. Nur allzu gern wird die Liga für eine „Zwei-“ oder sogar „Mehrklassengesellschaft“ kritisiert. Die Einführung der Punkteregelung zur Saison 2007/08 sollte den Bewerb ausgeglichener gestalten, doch ist er das auch geworden?

Um eine gute Sicht auf den Zustand der im Englischen genannten „parity“ der Liga zu gewinnen, sind zwei Aspekte essentiell: die Anzahl der Teams, die Meister werden konnten samt Anzahl ihrer gesammelten Titel, und die Aufteilung der Meistertitel sowie Finalteilnahmen auf die verschiedenen Playoffstartplätze.

Für Ersteres reicht ein schneller Blick in die Geschichtsbücher. In den zwölf Saisonen seit Einführung der Punkteregelung konnten nur fünf verschiedene Teams Meister der Erste Bank Eishockey Liga werden. Der EC Salzburg führt diese Liste mit insgesamt fünf Titeln an, gefolgt von KAC (3), Bozen (2) sowie Linz und Wien (jeweils 1). Fünf Mannschaften in zwölf Jahren mag einem nun viel, wenig oder „normal“ vorkommen – diese Zahl wird jedoch vor allem im internationalen Vergleich interessant.

Bleiben wir jedoch zuerst im Alpen-Donauraum und werfen einen Blick auf den zweiten Faktor dieser Analyse. Mit Playoffstartplätzen ist in diesem Fall ganz einfach die Reihung, das „seeding“ der Teams zu Beginn der Post Season gemeint. Der HC Bozen konnte in der laufenden Saison die Pick Round für sich entscheiden und wird damit als erstes Team gesetzt. Der Last-Minute-Sieg des VSV bescherte den Adlern den letzten und damit achten Platz der Playoffs.

Für den Aspekt einer ausgeglichenen und spannenden, weil unvorhersehbaren Liga würde man in diesem Zusammenhang nun gerne eine möglichst breite und halbwegs gleichmäßige Verteilung der Meistertitel bzw. Finalteilnahmen, also Vizemeistertitel auf die Startplätze vorfinden. Diese sucht man in der EBEL jedoch vergeblich. In den genannten zwölf Saison von 2007 bis 2019 konnte gleich sechs Mal der Sieger der Zwischenrunde den Meistertitel holen. In der Hälfte des betrachteten Zeitraums wurde also stets das vermeintlich beste Team der Pick Round auch Sieger der Liga. Darüber hinaus wurden sowohl das zweit- als auch das drittgesetzte Team jeweils zwei Mal Meister, der vierte Starter einmal. Übrig bleibt also nur ein einziger Titel, der von einem Team außerhalb der Top 4 gewonnen wurde – wie vermutlich jedem bekannt war dies die phänomenale Aufholjagd des HCB, der in der Zwischenrunde das letzte Playoffticket lösen konnte.

Insgesamt decken sich diese Zahlen also im Großen und Ganzen. Fünf Teams wurden in zwölf Saisonen Meister und starteten insgesamt elf Mal als eines der Top 4-, zehn Mal als eines der Top 3-Teams. Wenig überraschend passt dazu noch die Statistik der Finalverlierer. Denn nur drei Mal war der Vizemeister nicht als Top 4-Platzierter in die Playoffs gestartet. Gleich zwei Mal davon schaffte es der Fünftplatzierte in die Finalserie und war damit zuvor nur knapp an den besten vier Startplätzen vorbeigeschrammt.

Um die nötigen Schlüsse über die (Nicht-)Ausgeglichenheit der Liga ziehen zu können, müssen die oben genannten Erkenntnisse jedoch mit den Zahlen anderer Ligen verglichen werden. Wirft man einen Blick auf die Statistik der benachbarten DEL, zeichnet sich ein nahezu identes Bild. Fünf Teams wurden elf Mal Meister, nur einmal konnte der Liganeunte die Liga gewinnen. Auch die Aufteilung der Titel zeichnet ein perfektes Spiegelbild der EBEL: Berlin 5, München 3 (in aufeinanderfolgenden Jahren), Mannheim 2, Ingolstadt 1, Hannover 1. Ebenso konnte ein Team außerhalb der Top 4 nur drei weitere Male in das Finale vorstoßen, ebenso zwei Mal davon gelang dies dem Grunddurchgangsfünften.

Besonders breit verteilt sind die Meistertitel in der Schweizer National League. Mit fünf Siegen haben die Grunddurchgangsersten zwar weiterhin klar die Oberhand, bis auf den Dritten konnte jedoch jeder der acht Startplätze zumindest einmal gewinnen.

Ein Blick auf die Verteilung der Titel auf die Teams zeichnet jedoch ein ganz anderes Bild. Denn sämtliche zwölf Titelgewinne teilen sich auf nur drei Teams auf – Bern (5), Zürich (4) und Davos (3).

Eine Reise in die vermeintlich stärkste rein europäische Liga birgt eine komplett umgedrehte Statistik. In der schwedischen SHL konnten in den vergangenen zwölf vollständigen Saisonen nur Teams aus den Top 4 gewinnen, allen voran der Grunddurchgangserste mit sechs Titeln.

Im Gegensatz zur Liga der Eidgenossen durften sich jedoch gleich sechs Mannschaften als bestes schwedisches Team feiern lassen. „Rekordmeister“ ist dabei HV71 mit verhältnismäßig „nur“ drei Titeln. Dahinter reihen sich gleich vier Teams mit zwei und ein Team mit einem Gewinn.

Bei den benachbarten Finnen konnten sogar sieben Vereine Ligagewinne verbuchen, die meisten dabei gehörten Oulon Kärpät (4). Anders als bei den Schweden konnten in der Liiga auch der Fünft- und der Sechstgesetzte jeweils einmal gewinnen.

In der NHL ist seit Jahren vom „President’s Trophy Fluch“ die Rede. Der Sieger des Grunddurchgangs, dem die genannte Trophäe zusteht, sei stets dazu verdammt, den Meistertitel in der selben Saison nicht holen zu können. Tatsächlich konnte der erste „Seed“ im betrachteten Zeitraum nur zwei Mal den Stanley Cup stemmen, wobei der Gewinn durch die Chicago Blackhawks im Jahr 2013 aufgrund der Lockout-verkürzten Saison von vielen Seiten als zumindest nicht vollwertig angesehen wird. Von den sechzehn Startplätzen verzeichnen aber insgesamt neun zumindest einen Titel. Am erfolgreichsten sind die siebtgesetzten Teams, die zusammen drei Mal Meister werden konnten. Darüber hinaus konnten nur drei Vereine (Chicago, LA, Pittsburgh) mehr als einen Titel holen.

Zu guter Letzt sei noch ein Ausflug in die tschechische Republik gestattet. Die Extraliga der nördlichen Nachbarn verzeichnet als einzige der betrachteten europäischen Ligen den „Rekordmeister“ der vergangenen zwölf Saisonen nicht am ersten Playoffstartplatz. Stattdessen teilen sich diesen Titel der Zweit- und Drittplatzierte des Grunddurchgangs mit jeweils drei siegreichen Meisterschaften. Erst dahinter reiht sich der Regular Season Winner mit zwei Meistertiteln – ex aequo mit dem Grunddurchgangssechsten. Abgerundet wird die Aufteilung der Titel von Platz 4 und 5 mit jeweils einem. Ähnlich breit sind die Meisterschaften auch auf die Vereine aufgeteilt. Einzig Třinec, Brno und Pardubice konnten mehr als einen Titel einsacken – nämlich jeweils zwei. Die anderen Gewinne verteilen sich zu gleichen Teilen auf sechs weitere Teams.

Bei Diskussionen über die Ausgeglichenheit einer Liga kommen stets zwei weitere Aspekte unter Beobachtung: die Anzahl an Legionären sowie die Verteilung der besten heimischen Spieler.

Oftmals wird die Schweiz als Vorzeigemodell für Entwicklung heimischer Talente erwähnt. Tatsächlich haben die Eidgenossen in den vergangenen Jahren einen rasanten Aufwärtstrend hinter sich. Dies hat zweifellos mit der strengen Kaderbeschränkung von nicht als Schweizer deklarierten Spielern zu tun. Ein Blick auf die oben erläuterte Statistik zeigt jedoch die Lücken auf, die eine rein auf die Legionärsanzahl beschränkte Kaderpolitik aufwirft. Denn trotz des internationalen Erfolgs der Schweiz ist die Liga alles andere als ausgeglichen und für kleinere Mannschaften spätestens ab den Playoffs spannend. Da einzig und allein auf die Anzahl der Legionäre geachtet wird, können sich die finanzstarken Teams Bern, Davos und Zürich mit den besten Spielern der Eidgenossen verstärken und so alle zwölf Titel untereinander aufteilen.

Auf der tschechischen Seite verzichtet man komplett auf Legionärsbeschränkungen. Dabei muss man sich jedoch eingestehen, dass Eishockey im Land nördlich der Thaya einen wesentlich größeren Stellenwert als hierzulande genießt und Sponsoren- wie Nachwuchssuche wesentlich einfacher über die Bühne gehen.

In der EBEL/IceHL sollte die erwähnte Punkteregelung für eine stärkere Konkurrenzfähigkeiten der „unteren“ Teams sorgen. Diese ist – wie sowohl Zahlen als auch subjektive Betrachtung bestätigen – nicht eingetreten. Die Überraschungen zu Beginn der heurigen Playoffs zeigen dann jedoch entweder, dass wir uns nun doch in die richtige Richtung bewegen, dass die Ausnahme die Regel bestätigt oder schlichtweg, dass die laufende Saison aufgrund der wirtschaftlichen Einbußen durch die Pandemie unvorhersehbarer und enger als gewöhnt ist.

Alles in allem deutet letztlich vieles darauf hin, dass Kritiker, die von einer Mehr-Klassen-Gesellschaft sprechen, durchaus berechtigte Zweifel an der Ausgeglichenheit der Liga äußern. Der internationale Vergleich zeigt jedoch nicht nur, dass die EBEL durchaus ein Problem hat, einen ausgeglichenen Saisonbetrieb aufzustellen. Er zeigt auch, dass die meisten anderen europäischen Ligen dieses Schicksal teilen.

Doch wie kann man dem Auseinanderdriften der Teams entgegen wirken und ist die Kaderpolitik der Liga komplett am Holzweg? Diese Frage habe ich bereits in einem früheren Teil von #slapshot bearbeitet.

für Sportreport (Lukas Hörmandinger)

17.03.2021


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