Der EC Salzburg ist die mit Abstand erfolgreichste EBEL-Mannschaft. Mit sechs Titeln führen die roten Bullen die Meisterliste der Liga klar an. Seit der letzten Meisterschaft 2016 bietet die Playoffbilanz der Mozartstädter zwei Halbfinalaus und eine Finalteilnahme. Auch heuer ist das Team von Matt McIlvane wieder unter den Top-Mannschaften des Bewerbs, doch reicht es für den ersten Titel seit vier Jahren?
Der US-amerikanische Head Coach der Salzburger hat in der vergangenen Saison durchaus bewiesen, dass er der Position als Cheftrainer gewachsen ist. Als Playoff-Coach konnte er sich aufgrund des Ligaabbruchs jedoch noch nicht zeigen. Der 34-Jährige kennt aber die Red-Bull-Organisation und den Geschmack des Erfolgs von seiner Zeit beim Salzburger Schwesterteam aus München.
Auf der Torhüterposition hat sich in der etwas ungewohnten Off-Season nichts geändert. Mit JP Lamoureux haben die Mozartstädter weiterhin den vermeintlich besten Torhüter unter Vertrag. Was jedoch die verlängerte Pause und das fortschreitende Alter mit dem mittlerweile 36-jährigen US-Amerikaner gemacht haben und wie er mit vierzig oder mehr Starts zurechtkommt, wird sich erst zeigen.
Mit Lukas Herzog haben die Bullen einen soliden, aber seit seinem Wechsel in den Volksgarten nicht herausragenden Backup. Ob er bei einer Verletzung von Lamoureux zu seiner alten Form in Villach zurückfinden kann, ist nach den eher unauffälligen Leistungen in Salzburg eher zu bezweifeln.
Auch in der Verteidigung haben die Salzburger wenige Transfers getätigt. Mit Dominique Heinrich, Derek Joslin, Alexander Pallestrang und Brent Regner ist der herausragende Defensivkern der Bullen weiter intakt. Ebenso abermals im Aufgebot stehen die jungen Österreicher Daniel Jakubitzka, Lukas Schreier und Layne Viveiros, die sich in den vergangenen Saisonen zu fixen Größen im Kader entwickelt haben und wohl ähnliche Rollen wie schon zuvor einnehmen werden.
Der einzige Neuzugang ist der Amerikaner Taylor Chorney. Der einhundertsechsundsechzigfache NHLer stand die vergangenen beiden Jahre bei Lugano in der Schweizer NLA unter Vertrag und konnte dort solide Leistungen abrufen. Für die Salzburger ist er ganz klar der Königstransfer der Saison.
Abgerundet wird die Acht-Mann-Defensivabteilung vom jungen Paul Stapelfeldt, der in der vergangenen Saison seinen ersten EBEL-Einsatz verbuchen konnte. Will McIlvane auf vier vollständige Verteidigerpärchen zurückgreifen, wird der 21-jährige Braunauer wohl zu regelmäßigen Einsätzen kommen.
Am meisten Veränderung im Kader der Salzburger gab es in der Offensivabteilung. Von neunzehn Spielern, die in der vergangenen Saison zumindest einmal für die Mozartstädter auflaufen durften, stehen nur zehn weiterhin im Aufgebot.
Am schmerzhaftesten ist wohl der Abgang von Langzeit-Leistungsträger Raphael Herburger in die Schweiz. Der Dornbirner wagt nach der besten seiner vier Saisonen in Salzburg noch einmal das Abenteuer NLA und wird den Bullen vor allem ob seiner Qualitäten im Powerplay stark abgehen.
Neben Herburger reihen sich auch Michael Schiechl sowie die Legionäre Janós Hari (kam erst gegen Ende der Saison), Bud Holloway, Chad Kolarik und Connor Brickley als namhafte Abgänge. Vor allem die Scoringqualitäten der beiden letztgenannten Stürmer lässt der aktuelle Kader der Salzburger noch vermissen.
Da der hochkarätige Kern der Mannschaft damit auf Kapitän Thomas Raffl, Star-Center John Hughes, Rückkehrer Alexander Rauchenwald und Neuzugang Rick Schofield geschrumpft ist, müssen sich dieses Jahr die Youngsters beweisen. Angeführt von Mario Huber, Florian Baltram und Peter Hochkofler können die jungen Spieler in der kommenden Saison zeigen, ob sie die Salzburger trotz der wichtigen Abgänge zu einem Meisterkandidaten machen können.
Besonders gespannt dürfen die Fans der Bullen auf die beiden, von RB München ausgeliehenen deutschen Youngsters John-Jason Peterka und Justin Schütz sein. Während Schütz bereits 2018 in der sechsten Runde des NHL-Entry Drafts von den Florida Panthers gepickt worden war, wird Peterka für den kommenden Draft rund um den vierundzwanzigsten Pick vorhergesagt.
Es ist wohl zu erwarten, dass der EC Salzburg weniger Tore als gewohnt erzielen (können) wird. Bisher scheint es nämlich nicht so, als könnten die jüngeren Mitglieder der Offensivriege die verlorenen Qualitäten der Legionärsabgänge auch nur annähernd kompensieren können.
Die Salzburger haben in der verlängerten Off-Season deutlich abgespeckt und setzen dieses Jahr verstärkt auf Jugendspieler. Zwar sind einige von den Youngsters bereits erfahrene EBEL- oder DEL-Spieler, doch bleibt aufgrund der hochkarätigen Abgänge fraglich, ob die Bullen als Top-Favorit auf den ersten Meistertitel der IceHL-Geschichte zu betrachten sind. Klar ist, dass die Bullen deutlich an Scoringpower eingebüßt habe. Bleibt die Defensive jedoch standhaft und kann Lamoureux wieder mindestens vierzig Spiele stemmen, ist der EC Salzburg allerdings nicht abzuschreiben. Doch schläft auch die Konkurrenz nicht und vor allem ein Team scheint heuer das Maß aller Dinge zu sein.
für Sportreport: Lukas Hörmandinger
07.09.2020