
Vor acht Jahren erreichte der österreichische Radrennfahrer Bernhard Kohl bei der Tour de France den dritten Platz. Bei den Nachkontrolle der Dopingprobenwurde er positiv auf das Erythropoetin-Dopingmittel CERA getestet. Als einer der wenigen, bekannte er sich zu diesem Vergehen in einer Pressekonferenz. Doch das liegt lange in der Vergangen. Im Sportreport-Interview spricht der 34-Jährige über den Ratsport, Doping und seine Freizeitaktivitäten.
Sportreport: Unlängst gewann das von Ihnen gesponsorte Team ESR Racing das Vierer-Mannschaftszeitfahren am Attersee. Welche Strecken gehören in Österreich zu Ihren Favoriten?
Berhard Kohl: Am liebsten bin ich im Wienerwald unterwegs. Hier gibt es teilweise sehr anspruchsvolle Strecken, von flach bis hügelig ist alles dabei. Ein großer Vorteil ist, dass es hier wenig Verkehr gibt, wenn man die richtigen Routen kennt. In meiner alten Heimat, in Kärnten, ist es entlang der Seen wunderschön.
Können Sie sich noch an Ihren ersten großen Sieg erinnern?
Berhard Kohl:
Der erste größere Sieg auf internationaler Ebene war für mich das Rennen um den Henninger-Turm in Frankfurt. Ich war damals Nachwuchsfahrer und das hat mir damals so zu sagen den Weg zu den Profis geebnet.
Ab wann wurde Ihnen klar, dass der Radsport zu Ihrem Beruf geworden ist?
Berhard Kohl:
Ich habe schon als Jugendlicher die Profis im Fernsehen bewundert und da war mir klar, da will ich hin. Ob das wahr werden könnte, oder nicht, das war damals natürlich noch nicht absehbar. Nach dem Erfolg am Henninger-Turm ergab sich die Möglichkeit diesen Weg einzuschlagen und ich habe diese natürlich genutzt.
Empfinden Sie es als störend, dass sie durch die Medien seit Ihrem Dopingskandal immer wieder auf das Thema angesprochen werden?
Berhard Kohl: Nein, das gehört zum Sport dazu. Man lernt als Sportler mit der Zeit damit umzugehen, da diese Fragen einfach immer kommen und das ist auch ganz normal, ein Teil des Business eben. Dazu kommt, dass es einfach nicht so viele gab, die so offen darüber gesprochen haben wie ich. Das sich hier ein Medieninteresse abgezeichnet hat, ist natürlich auch klar. Ich bin durch die vielen Interviews mit der Zeit einfach langsam hineingewachsen.
Sie sind einer der bekanntesten Dopingsünder der Radszene. In der Vergangenheit gab es Dokumentationen über körperliche Langzeitfolgen von Doping. Spüren Sie etwas oder ist Ihnen ein Kollege bekannt der damit zu kämpfen hat?
Berhard Kohl: Aktuell ist dies bei mir persönlich nicht der Fall. Ob es vielleicht in zehn bis zwanzig Jahren Auswirkungen hat, ist schwer zu sagen. Und wenn ich Beschwerden haben sollte, wird es schwer sein nachzuvollziehen, ob es tatsächlich vom Doping kommt. Das es nicht gesund war, ist ganz klar und ich bin auch froh, dass ich das nicht so viele Jahre mitgemacht habe. Würde ich jetzt immer noch fahren, wäre ich in dem System immer noch drinnen und es wäre weiterhin ein Thema. Aber dafür hab ich als Jugendlicher nicht geraucht und bin nicht weggegangen.
Sie betonten des Öfteren, dass Doping im Spitzensport aus Ihrer Sicht unvermeidlich war. Wie reagierten Sie auf den Aufruhr um das russische Team bei den diesjährigen Olympischen Spielen?
Berhard Kohl:
Man verfolgt es natürlich in den Medien und es wird schon etwas dran sein. Die Frage ist, ob der Ausschluss wirklich das Richtige war. Zuerst müsste es für alle Länder die gleichen Regeln geben. Ich denke, dass in vielen anderen Ländern, wo es wahrscheinlich ähnlich zugeht, wird nichts gemacht. Das gesamte Anti-Doping-Programm ist einfach schwierig durchzusetzen, da es so viele verschiedene Länder und Richtlinien gibt.
Von der öffentlichen Wahrnehmung haben Sie einen Wandel gemacht vom „Bad Boy“ zum seriösen Geschäftsmann. Ist das einfach passiert, oder gab es externe Hilfe?
Berhard Kohl:
Als mein Fall aufgeflogen ist, habe ich mir überlegt wie ich weitergehen soll. Damals stand ich vor zwei Optionen: Entweder bleibe ich im Profisport, mache es wie alle anderen und sage ich weiß nicht wie das passieren konnte. Oder ich spreche die Wahrheit aus, obwohl dies bedeuten würde, ich kann nicht mehr zurück in den Sport. Ich hatte aber für mich erkannt, dass ich den zweiten Schritt gehen möchte. Ich wollte die Wahrheit sagen und mit etwas Neuem beginnen. Wenn man so einen Schritt macht, muss man einfach alles Alte hinter sich lassen. Ich habe mich entschieden die Wahrheit zu sagen, auch wenn ich dadurch andere Sportler gefährdet habe. Namen sind gefallen und nun war ich nicht mehr nur ein Lügner, sondern wurde auch zum Verräter. Oder zumindest in deren Augen. Was auch verständlich ist, aber jetzt bin ich heilfroh diesen Weg gewählt und neu angefangen zu haben.
Sie besitzen das größte Radgeschäft Österreichs. Ist der Sport ein angenehmer Ausgleich zum Unternehmertum?
Berhard Kohl: Der Sport ist als Ausgleich immer noch wichtig. Man wird im Kopf einfach freier, auch wenn meine Zeit begrenzt ist. Einerseits muss man sich um das Geschäft kümmert, dazu kommt, dass ich zweifacher Vater bin und gerne Zeit mit der Familie verbringe. Auch das ist für mich ein angenehmer Ausgleich.
Bleibt die Tour de France für Sie die Königsklasse des Radsports? Wie bewerten sie die Leistung von Gesamtsieger Christopher Froome?
Berhard Kohl:
Ja, ganz klar. Olympia und die Weltmeisterschaft sind natürlich auch ein Streben, aber die Tour de France wird immer drüber stehen. Die Tour de France zu gewinnen und das nicht nur einmal ist eine außergewöhnliche Leistung. Egal wie sauber oder unsauber, die Leistung dort vorne mitzufahren, bleibt immer dieselbe.
Die letzte Rad-WM fand praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Wüste statt. War das nicht das falsche Signal? Was müsste geschehen, damit der Radsport öffentlich wieder im besseren Licht dasteht.
Berhard Kohl:
Ich denke, dass sich der Radsport wieder im Aufschwung befindet. Es gibt meiner Meinung keine andere Sportart, die sich derartig darum bemüht hätte den Dopingsumpf aufzuklären. Bei anderen Sportarten gibt es vielleicht weniger Skandale, aber das liegt auch daran, das vielleicht weniger kontrolliert und nachgebohrt wird. Um eine Sportart wirklich bekannt zu machen, braucht Österreich „Heroes“. Somit war mit mir auch der Radsport auf einmal im Fernsehen und auf den Titelseiten. Aktuell ist zum Beispiel Dominic Thiem so ein „Hero“, jeder redet im Moment über Tennis, im Radsport fehlt zurzeit leider so jemand.
Welche anderen Sportübertragungen lassen sie sich nicht entgehen?
Berhard Kohl:
Weltmeisterschaften, egal ob Fußball oder Radsport. MotoGP finde ich nett zum anschauen.
Wieso sollten Eltern Ihrer Meinung nach ihre Kinder unterstützen, wenn diese Leistungssport machen wollen wollen?
Würden sie Ihren Kindern eine Karriere als Profisportler empfehlen?
Berhard Kohl: Prinzipiell finde ich, dass man den Sport bei Kindern absolut fördern sollte. Mit meinen zwei Kindern versuche ich so oft es geht, Fahrrad zu fahren, Trampolin zu springen, Ski zu fahren. Man bekommt einfach ein ganz anderes Körpergefühl und die Motorik wird gefördert.
Die Entscheidung zum Spitzensport fällt erst, wenn das Kind schon selbst entscheiden kann, also mit fünfzehn, sechzehn oder siebzehn. Und in diesem Alter hören die Kinder wahrscheinlich am wenigsten auf die Eltern.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit, wenn Sie mal nicht auf dem Fahrrad unterwegs sind?
Berhard Kohl:
An erster Stelle kommen die Kinder und meine Familie. Die beiden sind jetzt zwei und fünf. Das ist ein wunderbares Alter, in dem sie besonders viel Aufmerksamkeit brauchen.
Das Gespräch führte Julina Suchankova
28.10.2016