Austria Wien

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Die Herbstsaison 2017 ist in den Tüchern und Austria Wien wird aus vielerlei Hinsicht nicht allzu gerne darauf zurückblicken. Wenig war aufbauend, vieles ernüchternd! Ein Kommentar von Thomas Muck.

Die Sportreport-Kaderanalyse zum Saisonstart traf zu 100 Prozent zu. Der damalige Punkt, gelingt es, wie im Herbst 2016, ohne große Verletzungen über die Runden zu kommen. Haben die Veilchen das Zeug, der erste Jäger von Red Bull Salzburg zu werden. Sollte es Ausfälle geben, sind die Veilchen aufgrund des „zweiten Anzugs“ biederes Mittelmaß. Letzteres traf ein, der Abstieg hätte aber verhindert werden können! Die Verantwortung dabei liegt in Wahrheit bei allen Beteiligten. Werfen wir einen Blick auf die Brennpunkte der Veilchen darauf:

Sportdirektor Franz Wohlfahrt
Bei seinen Sommertransfers kann man das Fazit meist mit einem Satz zusammenfassen: „Interessante Perspektivspieler, die mittelfristig den Unterschied ausmachen können“. Der ehemalige Spitzentorhüter hat es aber in seiner ersten Station als Sportdirektor bisher nicht verstanden Spieler zu verpflichten, die qualitativ sofort den Unterschied ausmachen. Dazu ist die Zusammensetzung des Kaders erneut durchaus zu hinterfragen. Im zentralen Mittelfeld fehlt zumindest ein Spieler. Darüber hinaus fehlt seit dem Abgang von Richard Windbichler und Lukas Rotpuller ein gestandener österreichischer (Innen-)Verteidiger.

So spielten etliche Schlüsselspieler die Herbstsaison praktisch durch. Egal, wie die Leistung war! Bei Spielmacher Raphael Holzhauser lag der Grad zwischen geniale Aktionen und schweren Fehlern eng beisammen. Eine Pause war dem Ex-Deutschland Legionär wohl auch aufgrund der Personalsituation nicht vergönnt. Ein breiterer Kader hätte in vielen Spielen für frischere Beine und Köpfe gesorgt. Ein Versäumnis, das sich der Sportdirektor der Veilchen auf seine Kappe heften muss.

Auch in puncto der von ihm wenig geliebten Medienpolitik waren Defizite allgegenwärtig. Auftritte bei Pressekonferenzen wurden selten. Öffentliche Rückendeckung für den Trainer und die personell arg dezimierte Mannschaft waren nicht zu vernehmen. Vielleicht auch, um unbequemen Fragen zur eigenen Arbeit zu entgehen?

Sportdirektor und Trainer haben eines gemeinsam: Sie werden am sportlichen Erfolg gemessen. Die Herbstsaison 2017 war für Franz Wohlfahrt nicht gerade Eigenwerbung in Sachen „Vertragsverlängerung“.

Durchgehendes sportliches Konzept verzweifelt gesucht
Ein weiterer Punkt, den sich Sportdirektor Franz Wohlfahrt an seine Kappe heften muss. Austria Wien torkelte ohne durchgehendes sportliches Konzept durch den Herbst 2017. Was Serienmeister Red Bull Salzburg seit Jahren eindrucksvoll vormacht, ist bei den Wiener Violetten aktuell Wunschdenken. Durchgehendes, sportliches Konzept vom Nachwuchs bis zur Kampfmannschaft. Eine eigene Philosophie oder „junge Wilde“, die sich aus der Amateurmannschaft aufdrängen. Es wäre dringend an der Zeit, dass die Veilchen dies beheben und für sportliches Feuer sorgen. Die letzten Monate dürfen getrost als „verloren“ bezeichnet werden. Nun gilt es die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Ob dies geschehen wird? Die nächsten Monate werden darauf Antworten liefern.

Der sprichwörtliche „sportlich zweite Anzug“
Es war selten in der Geschichte von Austria Wien so einfach, sich in die Startelf zu spielen. Aufgrund vieler Verletzungen, gab es für Spieler aus der zweiten Reihe viel Spielzeit. Haben die Talente ihre Möglichkeiten genutzt? Jein!

Beispiele gefällig? Kadiri oder Kevin Friesenbichler zählten in der Vorsaison nicht zum Stammpersonal bei den Veilchen Im Herbst 2017 erhielten Spieler aus dieser Gruppe sehr viel Einsatzzeit. Eigenwerbung wurde nur sehr selten betrieben. Festgespielt oder aufgezwungen hat sich keiner so richtig.

Einer der wenigen Lichtblicke war Dominik Prokop, der vor allem in Rijeka für Furore sorgte und sein Potential eindrucksvoll zur Schau stellte. Aber auch bei ihm ging mit Fortdauer der Herbstsaison die Luft aus. Die „sportlichen Höhepunkte“ waren trotz hoher Spielzeit am Ende rar.

So wäre es nicht verwunderlich, wenn einige wieder zurück ins zweite Glied rutschen würden, weil sie für einen Verein wie Austria Wien „ersetzbar“ wirken. Selbiges gilt für Rechtsverteidiger Peter Gluhakovic, Marko Stark und wohl auch Michael Blauensteiner.

Arrivierte, verletzte Stammspieler
Heiko Westermann und Florian Klein haben etwas gemeinsam. Die beiden Verteidiger kamen im Sommer nach Wien Favoriten und mussten ohne echter Vorbereitung in den Spielbetrieb einsteigen. Aufgrund der sportlichen Situation war die Matchpraxis beim ehemaligen Verein „überschaubar“. Keinesfalls ideale Voraussetzungen für die Herbstsaison. Befürchtungen, die sich am Ende des Tages bewahrheiten sollten. Bei Heiko Westermann hatte man nicht das Gefühl, dass er zu 100 Prozent körperlich und geistig spritzig genug wäre, um auf Spitzenniveau bestehen zu können. Florian Klein lieferte trotz der keinesfalls idealen Startbedingungen solide Spiele ab. Sein wahres Leistungspotential konnte er jedoch (noch) nicht erreichen.

Die (Knie-)Verletzungen von Lucas Venuto und Alexander Grünwald fielen unter die Rubrik „unglücklich“: Sie zeigten aber, dass sie im aktuellen Kader nicht zu ersetzen sind.

Austria Wien hatte in Wahrheit dasselbe Problem wie viele andere Vereine auch. Die Vielzahl arrivierter, verletzter Stammspieler waren ein Negativfaktor, der zum sportlich wenig erfolgreichen Herbst 2017 geführt hat.

Trainer Thorsten Fink war praktisch nicht mehr handlungsfähig
In den letzten Wochen geriet auch Trainer Thorsten Fink in die Kritik. Die Frage ist nur warum? Der Deutsche war sportlich praktisch „handlungsunfähig“. Aufgrund nicht mehr vorhandener personeller Alternativen musste der Trainer auf junge, unerfahrene Spieler setzen. Den Verlust an Qualität und Erfahrung war nicht zu kompensieren, der sportliche Abstieg vorprogrammiert.

Das Argument, dass Thorsten Fink auf die Ausfälle „anders“ hätte reagieren können scheint fadenscheinig. Aufgrund Ermangelung personeller Ressourcen war dies unmöglich. Ballbesitzfußball und schnelles Umschaltspiel in der Offensive, wie es im Konzept des Cheftrainers fest verankert ist, war aus zwei Gründen nicht mehr möglich. Zum einen gab es bis auf „Dauerspieler“ Pires praktisch kaum mehr hohe Geschwindigkeit und zum anderen fehlten die qualitativen Pässe, um die Forderungen des Trainers umzusetzen. So torkelte die Austria sportlich durch den Herbst 2017. Trainer Thorsten Fink war dabei eine arme Sau. Auch, weil mit diesem Kader und der Vielzahl verletzter (Schlüssel-)Spieler einfach nicht mehr möglich war.

Ehrliche Aussagen von Thorsten Fink sorgen für „Stirnrunzeln“
Der Austria Trainer zeichnet seit seiner Zeit in Wien eines aus – seine Statements bei Pressekonferenzen und öffentlichen Events können als ehrlich und authentisch bezeichnet werden. So manches Statement mag zwar so gemeint gewesen sein, aber am Ende sorgten diese wohl eher für „Stirnrunzeln“ und „Sorgenfalten“.

Zwei Beispiele dafür: „Wenn die verletzten Spieler zurückkommen, werden wir nur sehr schwer zu besiegen sein.“. Ein Statement mit hohen Wahrheitsgrad, jedoch kann es auch als „mangelnder Vertrauensbeweis“ für die eigenen Spieler ausgelegt werden. Zuletzt meinte Thorsten Fink „das Red Bull Salzburg sowieso Meister wird“. Ja, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Salzburger am Ende wieder ganz oben stehen werden, jedoch ist dieses Statement auch als Respektlosigkeit gegenüber Sturm Graz zu interpretieren. Der Trainer der „Blackies“ Franco Foda wird sich über diese „Motivationshilfe“ für seine Mannschaft vor dem Duell gegen die Veilchen intern wohl alles andere als beschwert haben.

Thorsten Fink soll so bleiben wie er ist. Der Trainer, der auf dem Feld ehrlich und hart arbeitet und den Medien mit Aussagen immer wieder Material zur ihrer Arbeit liefert (zB die Einladung vom türkischen Verband für Tarkan Serbest plauderte der Veilchen-Coach bei einer Pressekonferenz beiläufig aus). Bei so mancher Aussage würde man sich rückblickend jedoch mehr Fingerspitzengefühl wünschen.

Die „Baustelle Generali-Arena“ erzielt keine Tore
Der Umbau der Generali-Arena biegt auf die Zielgerade ein. In wenigen Monaten spielen und trainieren die Veilchen wieder im heimischen Stadion. Damit ist auch eine Hypothek vom Verein angesprochen. Die Baustelle Generali-Arena wirkt wirtschaftlich, aber auch sportlich als Bremsklotz. Die Bautätigkeiten müssen finanziert werden. Dabei hat man aber scheinbar darauf vergessen, dass man auch in die Mannschaft investieren muss. Qualitativ hochwertige Spieler kosten Geld, sorgen aber auf dem Spielfeld für den Unterschied. Wieder „daheim, im eigenen Stadion“ spielen zu dürfen, darf getrost als „positiver Ausblick“ bezeichnet werden. Aber ein Neubau alleine, samt dazugehöriger U-Bahn-Station, zieht die Massen nicht an. Es gilt Geld in die Hand zu nehmen und dieses auch in „Difference-Maker“ zu investieren. Die „Baustelle Generali-Arena“ schießt keine Tore – sie könnte sich daher auch zum Eigentor entwickeln…

Welche Schlüsse können die Verantwortlichen aus der Herbstsaison 2017 ziehen. War alles „schlecht“? Bringen die zurückkehrenden Spieler die „sportliche Wende“? Müssen personelle Konsequenzen gezogen werden?

Fakt ist, dass es Höhepunkte, aber auch eine Vielzahl bitterer Momente gab. Im Verein steckt sportliche Qualität bei überschaubaren Ressourcen. Diese gilt es zu bündeln. Personell wird es in der bevorstehenden Transferperiode Adaptierungen geben müssen. Im zentralen Mittelfeld besteht auf der 6er und/oder 8er Position Handlungsbedarf. Ein Linksverteidiger muss zumindest ausgeliehen werden. Dazu kommt die ungeklärte Zukunft von Raphael Holzhauser. Die zurückkehrenden Spieler gilt es möglichst schnell wieder zu einer Hochform zu führen, dann ist die Qualifikation für die Europa League in der kommenden Saison keine Utopie, sondern ehe die Reparatur eines sportlich (aus eigenen Fehlern resultierenden) verkorksten Herbstes 2017.

01.01.2018