
Welche Bedeutung haben die Zahlen 296. und 325. in der Historie des Wiener Derbys für Rapid Wien? Nach Fanausschreitungen wurden rigorose Schritte gegen die Übeltäter angekündigt. Wie die Geschichte beweist, großen Worten folgten nicht unbedingt die angekündigten Taten! Weiters wurde eine große Chance zur Imagekorrektur eindrucksvoll vergeben. Ein Kommentar von Thomas Muck.
Viel wurde über die Ereignisse rund um das Spiel am vergangenen Sonntag gesagt, geschrieben und analysiert. Fakt ist, dass das Spiel sehr knapp vor dem Abbruch stand und wohl nur aufgrund des Fair-Play Gedanken von Rafael Holzhauser, und wohl auch Patrick Pentz, zu Ende gespielt wurde. Denn wie Austria-Trainer Fink bei der Pressekonferenz nach dem Spiel erklärte wurde auch der Austria-Torhüter „Ziel von Wurfgeschossen“. Die Frage die daher geklärt gehört: Hätte Schiedsrichter Eisner das Spiel abbrechen müssen? In Wahrheit ist es eine sehr schwierige Entscheidung. Er hätte die Möglichkeit dazu gehabt. Vom Regelwerk wäre es definitiv gedeckt gewesen. Die Frage nach der Sicherheit der Spieler stand phasenweise „arg an der Kippe“. Der Unparteiische hat aber eines gezeigt, was sich Schiedsrichter ungern attestieren lassen: Fingerspitzengefühl! Herr Eisner hat sehr viel, sehr korrekt abgehandelt. In einer hitzigen, stressigen, aufgebrachten Stimmung die Ruhe zu behalten und sich am Spielfeld wieder auf seinen Job zu konzentrieren, ist nicht selbstverständlich und verdient Respekt. Auch sonst kann man dem 42-Jährigen ein gutes Zeugnis ausstellen. Er hatte das Spiel unter Kontrolle und lag mit der Mehrzahl seiner – zum Teil kniffligen – Entscheidungen auf der richtigen Seite.
Die Aufarbeitung des 325. Wiener Derby wird noch einige Wochen dauern und vor dem Strafsenat seinen „Höhepunkt“ erleben. Am Montag ging der SK Rapid Wien durch Präsident Michael Krammer in die mediale Offensive und lud zu einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Über das Setting, die Wortwahl der Begrüßung durch den Pressesprecher oder Teile der Ankündigungen kann man ausführlich diskutieren. Der SK Rapid, in Person von Michael Krammer, hat dabei aber eine große Chance zur Imagekorrektur vergeben. Kein Wort der Entschuldigung gegenüber dem sportlichen Erzrivalen, kein Wort des Danks oder des Bedauerns der Verletzung von Raphael Holzhauser kam dem Rapid-Boss über die Lippen. Traurig, da dies eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müsste! Seine indirekte Nachricht an das nächste „potentielle Opfer“. Fair Play wird von Rapid mit Füßen getreten, Respekt oder gar Dank für Fairness gibt es bei den Hütteldorfern nur dann, wenn es selbst angenehm ist. Die Höhe der Gürtellinie wird selbst bestimmt!
Als Konsequenzen aus dem Spiel gegen die Austria wurden die Miteinbeziehung externer Experten (FC Basel) in die Fanarbeit bekanntgeben. Zusätzlich gibt es zweijährige Stadionverbote und angekündigte Regressforderungen. Über die Sinnhaftigkeit des letzten Punktes könnte man diskutieren. Der Rahmen dafür ist aber nicht der Richtige.
Kommen wir nun aber zur zweiten Zahl – die 296! Dieses Wiener Derby ging als schwarze Stunde in die Geschichte ein. Im alten Hanappi-Stadion musste das Spiel (Juni 2011) nach einem Platzsturm abgebrochen werden. Die Austria gewann am grünen Tisch mit 3:0! In der Aufarbeitung dieses Skandals trat der damalige Präsident Rudi Edlinger vor die Presse. Er verkündete einen 10-Punkte-Katalog. Die Hautpunkte damals waren Stadionverbote, die in Wahrheit halbherzig vollzogen wurden, Regressforderungen oder auch das Werfen von Gegenständen unter Strafe zu stellen (Anm.: Das 325. Wiener Derby war der 3. Vorfall in dieser Saison – Der Spielzeit 2017/18 also über sechs Jahre später!) Vielleicht wäre die damals angekündigte Personalisierung der Karten ein Schritt gewesen, danachfolgende Ausschreitungen zu verhindern.
Es war also alles schon mal da. Die handelnden Personen haben sich geändert – die Message blieb die selbe. Man will Härte gegen randalierende Fans zeigen. Worte alleine helfen aber nicht mehr Herr Präsident Krammer. Das hat die Vergangenheit gezeigt! Es gilt Taten zu setzen, um den Sportverein Rapid Wien, das Unternehmen, die Marke und auch den überwiegenden Teil der lautstarken und friedlichen Fans zu schützen. In diesem Punkt gibt es seit 2011 eines: Lautstärke und starke Ankündigungen, die Taten werden aber mit der Lupe gesucht. Das 10-Punkte-Programm des Ex-Präsidenten Edlinger erwies sich rückblickend betrachtet als „Alibiaktion, die in der Praxis praktisch nicht durchgeführt wurde“.
Vor den Verantwortlichen des SK Rapid Wien liegt in den nächsten Tagen und Wochen eine wahre Mammutaufgabe. Es gilt glaubwürdig im eigenen Haus aufzuräumen und gleichzeitig auch im eigenen Anhang wieder Maxime wie Respekt, Fairness und Anstand zu zeigen. Die Kommentare vieler Anhänger in den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke und bei Youtube lassen kein Unrechtsgefühl aufkommen. Ein Umstand, der einen noch nachdenklicher stimmt als so manches Eigentor der letzten Stunden.
Das Sündenregister der Rapid-Fans ist lange, sehr lange – zu lange! Oft gab es Anlassfälle im eigenen Haus „auszumisten“. Neben den bekannten Fällen in und rund um das Stadion sind die Fälle rund um den ehemaligen Amateur-Stürmer der Veilchen Valentin Grubeck (LINK), die beiden „Droh-Skandale“ gegen die zwei Schiedsrichter (LINK) und Raphael Holzhauser (LINK) in der Sündenkartei. Präsident Michael Krammer will, dass die Öffentlichkeit nicht verallgemeinert und von „den Rapid-Fans“ spricht. Wenn die Vereinsspitze nachhaltige Taten setzen würde wäre dies einfach. So trudelt das Schiff durch das Wasser. Wer wirklich am Ruder steht ist die Frage….
Quo vadis, Rapid Wien? Eine Frage auf die aktuell keiner eine Antwort weiß. Vielleicht auch nicht die Führungsriege der Hütteldorfer. Gewinner gibt es seit letzten Sonntag längst keine mehr. Egal ob es der Sport, Fair-Play oder das eigene Image ist. Wohl nur rascher sportlicher Erfolg und viele farbenfrohe Fußballfeste werden die letzten Stunden in Kürze vergessen machen. Eine zu optimistische Einschätzung? Mag sein! Aber in jedem Journalisten steckt auch ein Fan der betreffenden Sportart und da neigt man dazu vieles von der „zukünftig positiven Seite zu sehen“. Möge dies eintreffen und Kommentare in Zukunft sich wieder rein auf sportliche Aspekte beschränken.
– Ex-Präsident Edlinger und der 10-Punkte-Plan nach dem 296. Wiener Derby
– Pressekonferenz von Rapid-Präsident Krammer nach dem 325. Wiener Derby
08.02.2018