Kommentar: Tore, Drama, Emotionen – die Saison 2017/18 des SK Rapid Wien

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Die Saison 2017/18 ist absolviert und der SK Rapid Wien beendet diese auf Tabellenplatz 3. Das Minimalziel Europa League-Quali-Teilnahme wurde sportlich geschafft. Auf dem und Abseits des Rasens gab es Tore, Drama und Emotionen. Die Saisonanalyse von Thomas Muck.

Langweilig wird einem nie mit dem SK Rapid Wien. Wie kaum ein anderer Verein erzeugen die Hütteldorfer Emotionen. Positiv, wie negativ! In einem sehr emotionalen Umfeld, fällt es sehr schwer das „emotionale Mittelmaß“ zu finden. Hier sind wir beim ersten Punkt der die Saison 2017/18 außergewöhnlich macht.

Emotionales Mittelmaß verzweifelt gesucht – entweder war alles extrem super oder extrem schlecht!
Fußball ist ein Sport, der Emotionen erzeugt und diese lassen sich vorzüglich verkaufen. Auffällig ist jedoch, dass es kaum ein emotionales Mittelmaß gab. Die Diskrepanz zwischen der Trainerbewertung des Spiels, der Meinung der Journalisten und jene der Fans könnte unterschiedlicher nicht sein. Es gibt und gab hier kaum emotionales Mittelmaß. Entweder war alles super, und am Rande der Perfektion, oder es war grottenschlecht. Die Wahrheit lag jedoch oft in der sprichwörtlichen Mitte. Ein Umstand, den sich in Wahrheit niemand so richtig eingestehen will und wollte.

Wenn man auf den SK Rapid Wien also drauf sieht, gilt es die Emotionen außen vor zu lassen. Ansonsten scheint eine nüchterne Analyse nicht möglich zu sein. Dinge gehen schlecht und ergreifend verloren oder man verliert den Fokus. Den bei analytischer Betrachtung stellt man fest, dass in der Saison 2017/18 die sportlichen Ziele erreicht wurden. Vielleicht sogar mehr?!

Saison 2017/18 – eine durchschnittliche Erfolgssaison
Die Verantwortlichen des SK Rapid Wien haben aus der Saison 2016/17 gelernt. Die ausgegebenen Ziele waren moderat und realistisch. Am Ende wurden sie souverän erreicht. Platz 3 in der Endtabelle bedeutet die Teilnahme an der Europa League-Qualifikation. Im Cup scheiterte man im Semifinale nach einem Thriller nach Verlängerung am späteren Gewinner Sturm Graz .

Soviel die nüchternen Zahlen! Die Ziele hat man erreicht – die Saison war und ist ein Erfolg. Die Horrorsaison 2016/17, als man im Frühjahr sogar das Abstiegsgespenst im Allianz Stadion „zu Gast hatte“, ist vergessen. Zeit für Sommer, Freude und sorglosen Urlaub? Nein!

Ein Beispiel: Die Festung „Allianz Stadion“ ist gebröckelt. In der Heimtabelle beenden die Hütteldorfer die Saison nur auf Platz fünf. Meister Salzburg sammelte vor heimischer Kulisse beachtliche 46 Punkte mehr. Platz 2, und somit die Teilnahme an der Champions League-Quali, war definitiv keine Utopie. Dazu später mehr …

Die Antwort auf die Frage, ob die Saison 2017/18 eine erfolgreiche war muss daher ein klassisches: „Ja, aber …“ lauten.

Murg & Kvilitaia – 2 Spieler mit gewaltigen Leistungssteigerungen
Die Arbeit eines Trainerteams kann man wohl am deutlichsten daran messen, ob sich einzelne Spieler sich verbessern. Hier kann man zwei Spielern ein äußerst positives Zeugnis ausstellen. Thomas Murg und Giorgi Kvilitaia (der nun verletztungsbedingt mehrere Monate fehlen wird).

Thomas Murg ist gerade mal 23 Jahre „alt“. Trotzdem fühlt es sich so an, als wäre der gebürtige Steirer schon eine Ewigkeit in der österreichischen Bundesliga tätig. In der Saison 2017/18 brachte es der Offensivspieler in 38 Pflichtspielen auf beachtliche elf Tore und acht Assists. Eine Torbeteiligung in zumindest jedem zweiten Spiel ist ein Wert, der zwar ausbaufähig, aber durchaus sehr in Ordnung ist. Thomas Murg hat sich aber in einem anderen Punkt deutlich gesteigert. Nicht nur Teamchef Franco Foda, wie jüngst bei der Kader-Bekanntgabe für Russland, Deutschland und Brasilien, attestierte dem 23-Jährige starke Verbesserung im Defensivverhalten. Thomas Murg unternahm in der Saison 2017/18 einen Schritt in Richtung „kompletter Fußballer“. Der Steirer ist definitiv einer der Spieler der Saison.

Giorgi Kvilitaia machte in dieser Saison eine beachtliche Entwicklung. Vom „Chancentod mit schlechter Körpersprache“ entwickelte sich der Georgier zu einem verlässlichen Torschützen (13 Tore und 3 Assists bei 33 Einsätze) und Spieler der auch mit seiner Ausstrahlung für „Aufmerksamkeit der Verteidigung des Gegners“ sorgt. Im Saisonfinish verletzte sich der Georgier schwer am Knöchel. Eigentlich schade, da seine Entwicklung in den letzten Monaten durchaus als „interessant“ oder „spannend“ bezeichnet werden kann.

Dejan Ljubicic – Der „no name“ wird zum unverzichtbaren Leistungsträger
Im Leben eines Profi-Fußballers hat man oft nur eine Chance. Diese gilt es zu nützen um einen Karrieresprung zu machen. Dejan Ljubicic hat diese eindrucksvoll genutzt. Zum Saisonstart war der 20-Jährige noch Kooperationsspieler beim SC Wiener Neustadt. Doch dies sollte sich rasch ändern. Ab der sechsten Runde stand der Wiener in der Startelf und dankte Trainer Goran Djuricin das Vertrauen mit – zum Teil starker – Leistung. Nach 27 Bundesligaspielen in der Saison 2017/18 stehen drei Tore und zwei Assists zu Buche. Offensiv wie defensiv gibt es bei Dejan Ljubicic Raum für Verbesserungen. Der 20-Jährige ist aber definitiv eines: Eine fixe Größe im Mittelfeld des SK Rapid Wien. Wer dies vor einem Jahr behauptet oder angekündigt hätte, wäre wohl milde belächelt worden.

Trainer Goran Djuricin – die Interims-/Verlegenheitslösung stabilisierte den Verein
Als am 9. April 2017 Goran Djuricin die sportlichen Geschicke bei Rapid Wien übernahm, galt es zunächst den „worst case“ zu verhindern. Aus der Interims-, manchmal auch als Verlegenheitslösung titulierten, Zwischenlösung wurde ein Stabilisator. Niemand erinnert sich mehr, wo der Verein vor einem Jahr stand. Die sportliche Identitätskrise scheint Jahrzehnte zurückzuliegen. Fußball ist ein schnelllebiges (Tages-) Geschäft. Man sollte aber nicht vergessen, dass der Aufschwung in Hütteldorf auch ein großer Verdienst des Trainerteams ist. In einem Umfeld, wo niemals Ruhe herrscht, während einer Saison auf hohem Niveau zu arbeiten und Spieler zu entwickeln ist definitiv keine Selbstverständlichkeit und verdient auch öffentliche Anerkennung.

Fakt ist aber auch, dass Goran Djuricin in seiner Entwicklung „Luft nach oben“ hat. In vielen Aspekten merkt man, dass Rapid seine erste Bundesliga-Trainerstation ist. Der 43-Jährige entwickelt sich als Trainer und Persönlichkeit weiter. Wie diese weitergeht werden die nächsten Monate zeigen.

Unter diesem Aspekt gilt es auch die Vertragsverlängerung für „nur eine Saison“ zu sehen. Goran Djuricin muss und wird sich (weiter-) entwickeln. Dass er diese Schritte beim größten (Mitglieder-) Fußballverein des Landes macht und unter kritischer Beobachtung von Journalisten/Taktikblogger unternimmt, macht die Aufgabe nicht einfacher, aber fachlich definitiv reizvoller. Für alle Beteiligten im Verein!

Fredy Bickel – der Geschäftsführer Sport mit Weitblick
Als Fredy Bickel im Dezember 2016 seine Position als Geschäftsführer Sport antrat waren die Fragezeichen allgegenwärtig. Mittlerweile kann man den 53-Jährigen als Goldgriff und Ideallösung auf dieser Position für den Verein bezeichnen. Im zum Teil hektischen Umfeld in Hütteldorf strahlt der Geschäftsführer Sport eine „Schweizer Bierruhe“ aus die der Verein benötigt. Die Trefferquote bei seinen Transfers (Bolingoli, Galvao) war sehr hoch und auch der Blick in die mittelfristige Zukunft ist auch strukturell gerichtet. In nächster Zeit wird Steffen Hofmann als kommender Sportdirektor aufgebaut. Fredy Bickel arbeitet mit Weitblick und hat aktuell auch eines, was jeder erfolgreiche Sportdirektor benötigt: Das sprichwörtliche „goldene Händchen“ bei seinen Entscheidungen.

Sektorensperre – da „funktionierten die Funktionäre“
In der Aufarbeitung rund um das 325. Wiener Derby wurde gegen den SK Rapid Wien eine Sektorensperre ausgesprochen. Über das Urteil selbst und die Aufarbeitung des Spiels gehen die Meinung weit auseinander. Dazu aber später mehr!

Was zeichnet aber gute Funktionäre aus? Man versucht über den Instanzenweg ein gutes/besseres Urteil zu erreichen. Wenn dies nicht gelingt, achtet die Rechtsabteilung auf Verfahrensfehler oder einen Fehler in der Urteilsausfertigung. Dies unterlief der Bundesliga im Endurteil. Dass die Vereinsverantwortlichen den Fehler der Liga ausloteten und somit einen Grenzbereich nutzten, sorgte nicht nur für Zustimmung, sondern auch für (nicht immer öffentlich ausgesprochene) Kritik.

Ein Attribut wurde aber nicht genannt. Man sollte Respekt zollen, dass Funktionäre einen unbequemen Weg gehen und funktionieren. Es ist die Aufgabe entstandenen Schaden abzuwenden oder zu minimieren. Das ist eindrucksvoll gelungen.

Wo Licht ist, da ist bekanntlich auch Schatten. Davon gab es in der Saison 2017/18 einige Aspekte, die in der kommenden Saison dringend verbessert werden müssen.

Heimschwäche – „Festung“ Allianz Stadion bröckelt
Das Allianz Stadion gilt als lautstärkste Arena des Landes, welches die meisten Zuschauer anzieht. In der Saison 2017/18 ließ der SK Rapid Wien jedoch vor heimischer Kulisse viele Punkte leichtfertig „liegen“. Der SV Mattersburg holte zum Bespiel zwei Mal ein 2:2-Unentschieden. Gegen SCR Altach setzte es eine Niederlage und auch kein Heimderby konnte gewonnen werden. Von den erhofften „10 Bonus-Punkten über eine ganze Saison“ war in der Spielzeit 2017/18 wenig zu merken. Sowohl gegen die „kleineren“, wie auch gegen die „großen“ Vereine waren die Resultate ausbaufähig. 14 Punkte weniger als Meister Red Bull Salzburg sprechen eine eindeutige Sprache. Hier gilt es in der kommenden Saison anzusetzen.

Abhängigkeit von Stefan Schwab
In der Vorwärtsbewegung ist das Spiel von Rapid Wien von einem Mann abhängig, nämlich von Stefan Schwab. „Läuft’s beim Kapitän“, dann rollte das Spiel der Hütteldorfer. Ist der 27-Jährige nicht wie gewünscht in die Angriffe eingebunden, fehlt dieses gewisse „Etwas“. Der gebürtige Salzburger wird zu häufig gesucht. Ohne den Kapitän fehlt dem Rapid-Spiel der Turbo. Als mahnendes Beispiel dafür können die fünf Spiele, die Stefan Schwab verletzungsbedingt im Frühjahr verpasste, genannt werden. Die Bilanz: Nur ein Sieg, bei zwei Unentschieden und zwei Niederlagen. Das Gefühl, wonach in gewissen Situationen die (sportliche) Verantwortungen zum Kapitän abgeschoben wird, darf daher als „belegbar“ bezeichnet werden.

Achillesferse Chancenverwertung – Was ist eine „Torchance“?
Was ist eine Torchance und was nicht? Darüber gingen die Meinungen zwischen Trainerteam, Fans und Journalisten über weite Teile der Saison auseinander. Die zum Teil ungeklärten Fragen: „Ist jeder Torschuss auch eine Torchance“ oder „Ab wann sorgt eine Offensivaktion für Torgefahr?“. Die Antwort auf diese Fragen würde den Rahmen dieses Kommentars sprengen. Fakt ist aber, dass die Chancenauswertung die Achillesferse bei Rapid Wien in der Saison 2017/18 war. Über weite Strecken waren die Offensivkräfte im Abschluss nicht effektiv genug. Die Qualität im Torabschluss war einfach zu gering. Gegen Ende der Saison setzte zwar Besserung ein, aber am Ende bleibt es jedoch einzugestehen, dass eine höhere Torausbeute möglich gewesen wäre.

Kein Team traf die Torumrandung öfter – Rapid Wien ist „Alu-Meister 2017/18“
Der SK Rapid Wien ist „Alu-Meister 2017/18“. 26 Mal trafen die Hütteldorfer die Torumrandung. Gleich sieben davon gehen auf die Kappe von Thomas Murg. Wer nun glaubt, dass die Mannschaft von Trainer Goran Djuricin bei 100 prozentiger Verwandlung in Tore Meister geworden wäre, der irrt. Fakt ist, dass Stange oder Latte definitiv den einen oder anderen, zum Teil wichtigen, Treffer verhinderte.

Verletzungspech
Was haben Christopher Dibon und Ivan Mocinic gemeinsam? In Normalform sind sie Fixbestandteil der Kampfmannschaft und können mir ihrer sportlichen Qualität für entscheidende Aktionen verantwortlich seinn. In der Saison 2017/18 brachten es beide auf 0 (!) Spiele für die Kampfmannschaft. Warum? Es waren Verletzungen, die das Duo einbremste. Aber auch Stefan Schwab, Boli Bolingoli, Tamasz Szanto, Joelinton oder Giorgi Kvilitaia fielen bzw fallen zum Teil längerfristig aus. So gesehen vielleicht auch ein Grund, warum in so mancher Meisterschaftsphase es an der nötigen „Leistungskonstanz“ fehlte.

Das 325. Wiener Derby und die Aufarbeitung
Das 325. Wiener Derby und der 4. Februar 2018 geht bei nüchterner Betrachtung als „Tag der Schande“ in die Geschichte ein. Das Spiel gegen den sportlichen Erzrivalen endete – nach 90 Minuten  durchaus leistungsgerecht – 1:1-Unentschieden. Die Begleiterscheinungen rund um dieses Spiel sind bis heute nicht auf- oder verarbeitet.

Der Reihe nach. Aus dem Rapid-Fansektor wurden Wurfgeschosse geworfen und trafen Austria-Spielmacher Holzhauser. Das Spiel wurde unterbrochen und nur dank seiner fairen Herangehensweise konnte ein Abbruch abgewandt werden. Ob die Sicherheit der Spieler zu diesem Zeitpunkt gewährleistet war oder nicht, war lange Streitpunkt in der öffentlichen Diskussion. In Wahrheit konnte man sowohl die Spielfortsetzung, wie auch einen möglichen Abbruch denken. Das Spiel wurde fortgesetzt – es endete 1:1. Die Ereignisse sind zum Teil bis heute nicht zur Gänze aufgearbeitet.

Der SK Rapid Wien ist definitiv der Verein mit dem größten Zuschauerzuspruch. Die Hütteldorfer schreiben Werte wie „Fair Play“ oder ein „offenes Weltbild“ auf ihre Fahnen. Wenn es um den sportlichen Lokalrivalen und die „Reizfigur“ Holzhauser geht, scheint dies ausgesetzt. Eine Entschuldigung oder ein positives Wort dafür, dass Holzhauser weiterspielen wollte sind bis heute ausständig. Dies führte auch dazu, dass es bis heute kein Schuldgefühl und keine Verantwortung für die Ereignisse bei den Fans gab und gibt.

Rapid und die Verantwortlichen in dieser Causa zu kritisieren ist einfach – in Wahrheit viel zu einfach. Das Gefühl, wonach die Ultras (zu-) viel Macht im Verein haben werden nach dem Verhalten der Funktionäre, rund um das 325. Wiener Derby, wohl langfristig nicht verstummen. Das Leitbild und die Ausrichtung sind ein gern gesehenes und genommenes PR-Tool. Im Umgang mit anderen (nicht wirklich geliebten Vereinen oder Spielern) ist praktisch nicht vorhanden. Fair Play nur dann, wenn es einem selbst genehm ist und die Höhe der Gürtellinie definiert man selbst. Es ist kein gutes Zeichen und Einsicht über begangene Fehler ist nicht in Sicht.

Fazit:
Tore, Drama und Emotionen – in der Saison 2017/18 war es bei Rapid Wien nie langweilig. Es war immer etwas los. Beim größten Verein Österreichs ist Ruhe praktisch ein Fremdwort. Am Ende steht eine durchschnittliche Erfolgssaison zu Buche. Nach einer katastrophalen Spielzeit 2016/17 wurde der Verein sportlich stabilisiert. In den nächsten Monaten gilt es aber die nächsten Schritte zu unternehmen.

31.05.2018