Verbandskapitän Mion: Wir müssen österreichischer werden!

 Guiseppe Mion

Wenige Stunden vor dem Start der Nationalteamsaison sprach Verbandskapitän Guiseppe Mion im Interview mit Thomas Muck über die Punkteregel, Teamchef Manny Viveiros und fordert von den Vereinen mehr Kooperationsbereitschaft.

Sportreport: Diese Woche startet die Saison für das Nationalteam. Vieles hat sich geändert – vieles ist neu. Was erwarten sie?
Guiseppe Mion: Ich sehe das Ganze positiv. Das Engagement vom Manny Viveiros gefällt mir sehr. Er kümmert sich ja nicht nur um das Nationalteam, sondern bis zur U15. Er hat sich die Betreuer genau ausgesucht, um ein gemeinsames Konzept für die nächsten Jahre zu verfolgen. Ich erwarte mir von den Ergebnissen einiges. Ich glaube, dass wir international sehr wohl mithalten können. Was der Mannschaft fehlt, ist die Erfahrung. Wir haben dem Trainer langfristigen Aufbau als Ziel gesetzt – und nicht unbedingt den sofortigen Wiederaufstieg in die A-Gruppe.

Jetzt gilt es eine Mannschaft aufzubauen, die auf und abseits des Eises funktioniert. Was in letzter Zeit gefehlt hat war die Chemie, der Zusammenhalt, die Kameradschaft. Bei den heiklen Situationen in wichtigen Spielen hat man gemerkt, dass es nicht unbedingt eine Einheit ist die am Eis steht. Das wollen wir jetzt verändern und in den nächsten ein, zwei Jahren umsetzen.

Sportreport: Der Trainer hat viele Visionen. Der Verband ist im Moment in einer Umbruchphase. Wie weit kann er dem Headcoach zur Seite stehen?
Guiseppe Mion: Der Verband muss ihm zur Seite stehen! Was der Verband im Moment braucht, ist etwas mehr Kooperation von den österreichischen Vereinen der Erste Bank Eishockey Liga. Man kann nicht gegeneinander arbeiten. Das führt zu einem Stillstand. Wenn die Vereine ähnliche Konzepte verfolgen wie der Eishockeyverband – der viel in den Nachwuchs investiert – und die Spieler von professionellen Trainern ausgebildet werden, dann ist die Masse auch wieder gegeben. Dann kann Trainer Viveiros auch auf einen besser ausgebildeten Kader zurückgreifen.

Sportreport: Die Punkteregel in der Liga ist ein allgegenwärtiges Thema. In Wien droht etwa dem verletzten Nationalspieler Chris Harand, dass er deshalb längere Zeit zusehen muss. Wie sieht der Verband die Punkteregel?
Guiseppe Mion: Ich bin schon länger unglücklich darüber. Weil Villach auch nicht diesen Weg verfolgt. Zum Beispiel verpflichten wir keine jungen, ausländischen Spieler. Wir hätten dann zwölf bis 14 Ausländer im Kader, und die Österreicher würden nicht spielen. Villach kann finanziell – aber auch sonst – da nicht mitmachen!

Mittlerweile sind Graz und Linz auf unserer Seite. Wir müssen österreichischer werden und mit dem eigenen Nachwuchs arbeiten, weil das unsere Zukunft ist. Ich war schon zu oft dabei, wenn irgendwo das Kartenhaus zusammengebrochen ist und wir wieder bei Null begonnen haben.

Sportreport: In jüngster Vergangenheit haben einige Spieler zum Teil heftige Kritik am Verband und der Nationalmannschaft geäußert. Wie erst vor einigen Wochen in einer Diskussion auf Servus TV. Was denken Sie, wenn eine solche Sendung sehen?
Guiseppe Mion: Erstens muss ich sagen, was Servus TV (Anm.: Die Diskussion fand im Rahmen der Sendung „Sport und Talk im Hangar7“ statt) betrifft, ist es zuviel Meinungsbildung und zuwenig Redaktion! Es war niemand von uns eingeladen, der eine Stellungnahme abgeben hätte können. Zur Kritik von Trattnig kann ich nur lächelnd sagen: Er hat zum Beispiel auch gesagt, dass viele Spieler ausprobiert werden und einfach zu viele Spieler im Nationalteam eingesetzt werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ältere Spieler Turniere wie die Euro Challenge absagen. Von einer Überforderung wird dann zum Beispiel gesprochen.

Ich finde, da wird einfach schlechte Stimmung gemacht und das brauche ich eigentlich nicht. Was das Nationalteam betrifft, so wird von anderen Verbänden und A-Nationen bestätigt, dass wir von der Betreuung auf A-Gruppen-Niveau sind. Wir haben zwei Physiotherapeuten dabei. Wenn dann aber die Spieler nach dem Spiel nicht hingehen ist einer oder beide zuviel. Ich willmich da nicht verhaken. Es ist ein leidiges Thema, das uns nicht nach vorne bringen wird.

Sportreport: Neo-Teamchef Viveiros spricht viel von Stolz und Ehre, für Österreich arbeiten zu dürfen. Andere Trainer können daheim die Akkus aufladen. Ist der Nationalstolz für ihn die treibende Kraft als Teamchef zu arbeiten? Was motiviert Manny Viveiros in seiner Funktion?
Guiseppe Mion: Mit Sicherheit ist es eine Doppelbelastung. Vor Weihnachten gibt es auch noch einige Tage, in denen das Nationalteam gemeinsam trainiert und einige Spiele absolviert. Ich glaube, was den Stolz betrifft, ist der Manny ein Vorbild: Er ist ein stolzer Österreicher.

Bei anderen Nationen braucht man nicht so viel herumjammern, bitten und betteln. Die Spieler kommen dort von selbst. Das ist in Österreich noch nicht so. Vielleicht ist etwas die Angst da, zu versagen oder dem Druck der Öffentlichkeit nicht standhalten zu können. Aber auch das müssen wir lernen. Da müssen wir gemeinsam arbeiten und stärker werden.

Sportreport: Letzte Frage: Wann wären sie zum Saisonende mit dem Nationalteam zufrieden?
Guiseppe Mion: Ich glaube nicht, dass es vom Ergebnis der Weltmeisterschaft abhängt. Ich wäre schon zufrieden, wenn es erkennbar Schritt für Schritt nach vorne geht und Verbesserungen gibt. Das heißt, wenn die Vereine der Liga mit dem Verband zusammenarbeiten. Dass wir Konzepte erstellen und die auch gemeinsam (Anm.: betonte dieses Wort stark) umsetzen. Dass wir realistische, gemeinsame Ziele haben.

Denn das würde dem Eishockey mehr helfen. Wenn wir gegeneinander arbeiten, werden wir scheitern. Weil dann eine Seite immer ausbricht und das Gegenteil macht. Ich wäre zufrieden, wenn jetzt die Weichen für die nächsten fünf Jahre gestellt werden würden.

Das Gespräch führte Thomas Muck

11.11.2011