Michael Eschlböck: Die WM war für uns ein gezieltes Marketing-Tool!

American Football

Sportreport traf AFBÖ-Präsident Michael Eschlböck zum großen Saisonabschluss-Interview. Im ersten Teil war die Weltmeisterschaft das bestimmende Thema. Im Gespräch mit Thomas Muck spricht Michael Eschlböck über den Turnierverlauf, die Zuschauer in den Stadien und zieht eine sportliche Bilanz aus österreichischer Sicht.

Sportreport: Die vierte American Football-WM ist Geschichte. Sie waren für die Veranstaltung verantwortlich. Rückblickend betrachtet – wie war das Turnier aus Ihrer Sicht?
Michael Eschlböck: Ich wollte die WM nach Österreich bringen. Für die Organisation verantwortlich war Karl Wurm mit seinem Team – und seiner Erfahrung. Ich glaube nicht, dass es einen vergleichbaren Event gibt, der über ein solch kleines Team verfügt. Es haben viele, viele Leute im Hintergrund gearbeitet und einen tollen Job hingelegt. Ohne sie wäre ein solches Turnier nicht möglich gewesen. Ihnen gebührt das Lob.

Sportreport: Viele haben nach dem Turnier von einem „kleinen Football-Sommermärchen“ gesprochen. Trotz überschaubarem sportlichen Erfolg der Österreicher herrschte Euphorie um das Turnier und um American Football.
Michael Eschlböck: Wir wollten die WM nicht wegen des Turniers selbst machen. Für uns war es ganz gezielt ein Marketing-Tool. Wir wollten den Sport einer größeren Menge an Zuschauern zugänglich machen. Ein wichtiger Punkt war auch, wie wir weitere Medien gewinnen können. Sportreport berichtet ja sehr ausführlich. Ihr seid – ähnlich wie andere Medien – ja praktisch Tag und Nacht während der Saison mit Football beschäftigt. Aber wir hätten natürlich gerne das eine oder andere neue Medium. Die WM schien mir die einzige Möglichkeit zu sein. Diese Überlegung ist voll aufgegangen. Denn diese Berichterstattung hatten wir noch nie. Wir hatten noch nie so viele Menschen in den Stadien. Die WM war ein bleibendes Erlebnis für uns alle. Ich habe viele Footballer der ersten „österreichischen Stunde“ während des Turniers getroffen. Da war auch das eine oder andere feuchte Auge dabei. Als wir vor vielen Jahren auf der Jesuitenwiese angefangen haben, konnten wir nur davon träumen, einmal im Happel-Stadion vor über 20.000 Zuschauern ein Spiel zu sehen. So gesehen ist ein kleines Football-Märchen in Österreich wahr geworden.

Sportreport: Apropos Zuschauer – alle Aktiven haben in den höchsten Tönen über die sensationelle Stimmung in den Stadien geschwärmt. Wie haben Sie die Zuschauer erlebt?
Michael Eschlböck: Es war eine unglaubliche Atmosphäre. Das hat Österreich noch nicht gesehen. Meiner Meinung nach war die Stimmung besser als bei einigen tollen Spielen auf der Hohen Warte oder am Tivoli. Einer der ersten Momente war für mich, als Robert Seeger beim Spiel Frankreich gegen Kanada in Graz die Zuschauer aufgefordert hat, die Welle zu zeigen. Da hatte ich ehrlich gesagt doch Bauchweh, ob das gut geht. Die Zuschauer waren aber nicht mehr zu bremsen. DJ Frozen Fritz und Michi Holub haben mit 20.000 Leuten im Happel-Stadion gerockt, in dem sie „Biene Maja“ gespielt haben. Es war einfach unbeschreiblich! (strahlt)

Sportreport: Unsere Leser haben viele Mails mit Fragen geschickt. In fast allen stand die Bitte, dass wir uns bei Ihrem Team für die WM bedanken sollen. Sie haben die WM von der VIP-Tribüne aus verfolgt. Wie war die Stimmung unter den VIPs?
Michael Eschlböck: Danke schön im Namen des kompletten Teams! Zur Frage zu den VIP-Zuschauern: Die haben durchwegs positiv reagiert. Für mich persönlich war es auch ein kleiner Traum, im Happel-Stadion neben dem Sportminister zu sitzen. Das hätte ich mir nie träumen lassen, als ich 1985 in Kritzendorf in einer Schlammgrube angefangen habe, aktiv Football zu spielen. Es waren für mich ganz besondere Momente, die ich nie vergessen werde. Der Minister hat sich mehrere Male umgeblickt und ins Stadion geschaut – ich glaube, er war von der Stimmung fasziniert. Natürlich war das Stadion nicht voll. Aber die Zuschauer haben eine Stimmung gemacht, als wären 80.000 im Oval. Es war eine sehr positive Stimmung, die, glaube ich, auch bei den VIPs hängen geblieben ist. Das hat einen positiven Eindruck hinterlassen. Ich möchte mich daher bei euren Lesern und allen Zuschauern im Stadion bedanken! Danke fürs kommen, dabei sein und mitmachen. Denn ohne jeden einzelnen wäre das niemals möglich gewesen. Es war ein großes, gemeinsames Ganzes. (strahlt)

Sportreport: Häufig war davon die Rede, dass die Fans in Österreich durchaus „NFL-Niveau“ hätten.
Michael Eschlböck: Das kann man schon so sehen. Wobei auch Aussagen dabei waren, dass die Zuschauer bei der WM besser waren als in der NFL. In Wien haben 20.000 Zuschauer eine Stimmung gemacht, die in den USA 80.000 oder 90.000 Besucher machen. Österreich hat eine Visitenkarte in der Welt abgegeben. Die Leute gehen jetzt nach Hause – egal ob nach Mexiko, Australien, Japan oder die USA – und erzählen, wie toll es in Österreich war. Die Landschaft ist schön, die Leute sind klasse und locker drauf. Das ist schon ein touristischer und natürlich auch ein Imagefaktor für Österreich.

Sportreport: Vielen Lesern ist die Zurückhaltung der Polizei aufgefallen. Frage eines Lesers: Gab es im Rahmen des Turniers Anlässe, bei denen die Polizei einschreiten musste?
Michael Eschlböck: Nein. Wir haben überhaupt nichts gehört. Im Gegenteil, die Polizei hatte so wenig wie noch nie bei einer Sportveranstaltung zu tun. Ich denke, sie waren selbst von der positiven Stimmung sehr angetan. Unser Sicherheitskonzept haben wir im Vorfeld natürlich mit der Polizei gesprochen. Wir haben das unterstmögliche Limit der Anzahl der vorgeschriebenen Ordner und Polizisten gehabt. Wir haben – da war die Austrian Bowl schon ein sehr wichtiger Faktor – unser Konzept bei der WM durchgezogen. Und es gab rein gar nichts.

Sportreport: In vielen Mails wurde der Ordnerdienst zum Teil heftig kritisiert. Welche Konsequenzen wird man daraus ziehen? Wird man möglicherweise in Zukunft auf eine andere Firma zurückgreifen?
Michael Eschlböck: Wir haben in den verschiedenen Städten auch unterschiedliche externe Anbieter gehabt. Hierbei handelt es sich um die bekannten Firmen aus der Branche. Ich sag’s jetzt ganz salopp: Wenn du 200 Ordner hast, dann hast du bis zu 50 Prozent ‚Flaschen’ dabei oder Personen, die für andere Aufgaben vielleicht gar nicht geeignet sind. Dafür müssen wir um Entschuldigung bitten. Leider weiß ich nicht, wie man Probleme in diesem Bereich verhindern kann. Denn in Wahrheit sind die Firmen und auch die Personen austauschbar. Jetzt könnte man noch sagen, dass man es mit Freiwilligen versuchen könnte. Aber dann haben die auch nichts davon. Das ist eine sehr schwierige Materie. Ähnliche Kritiken wird es auch gegeben haben im Bereich des Caterings. Ich weiß, dass es in Innsbruck zu wenige Versorgungsstellen gab. Aber da läufst du gegen Wände. Denn da wird das Catering vom offiziellen Stadioncateringdienst gemacht. Der hat alle Rechte. Dem bist du in Wahrheit hilflos ausgeliefert. Den kannst du verteufeln, verfluchen – aber es hilft nix! Das sind die Punkte, auf die wir keinen Einfluss hatten.

Sportreport: Österreich beendete das Turnier auf Rang sieben. Die Spieler von einer Medaille geträumt. Sie haben kritisch gewarnt. Fühlen Sie sich nach dem Turnier als der „nicht gehörte Rufer im Wald“?
Michael Eschlböck: (schmunzelt) Ich wollte nicht auf die Euphoriebremse treten. Aber mir war schon vor dem Turnier klar, dass die großen Nationen wie USA, Kanada, Japan oder Mexiko praktisch unerreichbar sein werden. Auch wenn unser Resultat gegen Japan Anlass zur Hoffnung gegeben hat. Gegen Kanada haben wir auch nicht so schlecht ausgesehen. Mir war klar, dass man Frankreich nicht unterschätzen darf. Sie haben sehr gute Spieler und sie haben Spieler geholt, die sie nicht bei der Europameisterschaft vor einem Jahr hatten. Viele von ihnen gehen auf kanadische Colleges. Da sind wir noch zu klein und vielleicht auch zu wenig tief besetzt. Vielleicht haben wir auch einen strategischen Fehler gemacht: Wir haben in den ersten beiden Spielen bis zum Ende Vollgas gekämpft. Frankreich hat es strategisch besser angelegt. Sie sind vermutlich eine Spur früher vom Gas gegangen und hatten gegen uns mehr Energie im entscheidenden Moment. Natürlich wäre mir das Spiel um Platz fünf lieber gewesen, aber so ist es und jetzt beginnt die detaillierte Analyse.

Sportreport: Bei der WM gab es vier Spiele. Ein gutes Spiel (Anm.: Sieg gegen Australien), zwei phasenweise ausgezeichnete Spiele gegen die Favoriten Kanada und Japan und eine schwache Partie. War es am Ende auch mangelnde Konstanz und internationale Routine, die einen besseren Erfolg verhindert hat?
Michael Eschlböck: Mangelnde internationale Routine möchte ich jetzt gar nicht sagen. Schlechtes Spiel gegen Frankreich? Das war in Wahrheit ein Viertel. Es waren einige Minuten im dritten Viertel, wo wir schlicht und ergreifend überrumpelt worden sind. Wir haben in zehn Minuten drei Touchdowns kassiert. Wir haben zwar noch ein Comeback gestartet. Aber leider zu spät. Das kann man in viele Details zerlegen. Zum Teil müssen wir es auch noch tun. Wir sind mit der Analyse noch nicht ganz durch.

Sportreport: Coach Rhoades hat gemeint, dass er gerne weitermachen würde. Plant der Verband weiter mit ihm?
Michael Eschlböck: Wir arbeiten gerne mit allen guten Kräften weiter. Dazu zählt natürlich auch unser Headcoach Rick Rhoades! Coach Rhoades ist auch jetzt aufgefordert, eine Analyse abzugeben. Wir werden auch mit Spielern und anderen Coaches sprechen. Es wird sportliche Maßnahmen geben müssen, die nichts direkt mit dem Coaching zu tun haben. Denn wir müssen besser werden. Damit meine ich die etwa 10 Prozent Geschwindigkeit, die uns im Vergleich mit Kanada oder Japan fehlen. In Teilbereichen waren wir einfach um diesen einen Schritt zu langsam. Solche Maßnahmen kann man nicht von heute auf morgen umsetzen. Dafür braucht man ein Gesamtkonzept. Denn theoretisch hätten wir jetzt drei Jahre kein Turnier. Das heißt: Wir werden jetzt im Hintergrund an der Ausrichtung der Nationalmannschaft arbeiten und ein Footballkonzept für Österreich erstellen. Da gibt es verschiedene Denkmodelle, an denen wir in den nächsten Monaten arbeiten. Daher kann ich jetzt noch nicht sagen, ob Coach Rhoades weitermacht oder nicht.

Sportreport: Mit dem WM-Finale haben viele Spieler ihren Rücktritt vom Leistungssport erklärt. Viele haben von einer „Goldenen Generation“ gesprochen, die Österreich an die Spitze von Europa gebracht hat. Wie denken Sie über diese Spieler?
Michael Eschlböck: Die Rücktritte sind mit Sicherheit schmerzlich – aber sie sind nicht das Ende der Fahnenstange. Die Spieler fangen immer früher mit dem Football-Sport an. Natürlich hören sie dann auch früher auf. Ein Mario Rinner in Tirol, zum Beispiel, hat wohl um die 20 Jahre lang gespielt. Wir hatten aber auch viele junge Spieler im Kader: Daniel Auböck, Timo Bach, Thomas Haider oder Christoph Gross. Er ist noch lange nicht auf dem Höhepunkt seines Könnens. Wir haben viele Junge, die nachkommen. Im August haben die Junioren ihre nächsten Titelkämpfe. Da haben wir auch sehr gute Spieler, Laurinho Walch zum Beispiel. Er ist Youngster des Jahres in der AFL gewesen. Die kommen alle nach und können die Lücke mit Sicherheit schließen.

Sportreport: Was wird das nächste Spiel für das Senioren-Nationalteam? Wird man 2012 die Charity-Bowl wieder zum Nationalteam-Event machen?
Michael Eschlböck: In erster Linie geht es darum, mögliche Events – wie vielleicht ein eigenes Turnier – zu finanzieren. Denn wenn du dich auf eine Europa- oder Weltmeisterschaft vorbereitest, dann kannst du eine entsprechende Förderung bekommen. In einem wettbewerbsfreien Jahr gibt es dafür nichts. Die Frage ist, wie wir die Dinge finanzieren können. Natürlich arbeiten wir auf die nächste EM und auch WM hin. Da wäre es optimal, dass wir entsprechende jährige Programme für das Nationalteam haben. Idealerweise mit attraktiven Gegnern.

Das Gespräch führte Thomas Muck

22.07.2011