Einen wie Koller findet man in Österreich auch? Falsch!

Wie fest haben Österreichs Trainer die letzten zehn Jahre geschlafen? Facebook, Twitter oder gar eine eigene Homepage sind den heimischen Übungsleitern scheinbar nicht die Mühe wert.
Während bald jeder Unterliga-Verein eine eigene Homepage hat, verzichten 90 Prozent der Bundes- und Erstliga-Trainer Österreichs auf die Möglichkeit, ihre Außendarstellung selbst zu bestimmen oder zumindest im Ansatz zu lenken. Gar NUR EIN EINZIGER hat eine aktuelle Homepage: Martin Scherb, der Trainer des Erstligisten St. Pölten.
Im schnelllebigen Trainergeschäft – Stichwort Trainerkarussell – scheint Selbstvermarktung eine wichtige Tugend. Doch die heimischen Profi-Trainer agieren in PR und Außendarstellung wie Amateure. Sie lehnen sich zurück und überlassen sich dem Suchmaschinen-Algorithmus: Wer nach ihnen sucht, findet da ein Zitat, dort ein Transfergerücht, einen Spielbericht oder einen Wikipedia-Eintrag – allesamt aus fremder Feder und damit kaum kontrollierbar.
Einen wie Koller hätten wir auch gehabt? Falsch!
Der Schweizer Neo-Teamchef Marcel Koller steht schon im Vorfeld in der Kritik. So einen hätten wir in Österreich doch auch gehabt, sagen viele. Man möchte es ihnen gerne glauben. Nach zehn Minuten googeln stellt sich allerdings heraus: NEIN, den haben wir nicht.
Während Koller sichtlich um seine Außendarstellung bemüht ist, mittels eigener Webseite und Facebook-Profil auch selbst Meinung machen kann, wirken die meisten Übungsleiter der beiden höchsten österreichischen Spielklassen im direkten Vergleich so altmodisch wie ein Grammophon neben einem MP3-Player.
Bei aller Liebe eines rotweißroten Herzens zu einer “österreichischen Lösung” in der Teamchef-Frage: Ein einziger, nicht einmal abwegiger Punkt im streng geheimen ÖFB-Anforderungsprofil hätte fast ALLE österreichischen Trainer über die Klinge springen lassen.
Der Punkt Außendarstellung! Denn, kann ein Trainer, dem man zutrauen soll, dass er einen der exponiertesten Jobs dieses Landes übernimmt – den des Teamchefs, über den wahrscheinlich mehr diskutiert wird als über den Kanzler und den Vizekanzler zusammen – kann ein solcher Trainer es sich leisten, auf eine professionelle Außendarstellung zu verzichten?
Kann ein Trainer sich in seiner Außendarstellung darauf verlassen, dass ihn – selbstverständlich nur ihm genehme – Journalisten auf seiner geheimen Handy-Nummer anrufen und ihm Informationen aus der Nase ziehen?
Kann ein Trainer, der die Bedeutung des Internets, das unseren Planeten im letzten Jahrzehnt endgültig in die Globalisierung katapultiert hat, selbstgefällig ignoriert, dem österreichischen – oder irgendeinem Fußball – neues Leben einhauchen? Wem will so ein Trainer ernsthaft weismachen, dass er auf der Höhe der Zeit ist?
Es ist bezeichnend, wenn sich nun ein paar Gestrige lauthals darüber beschweren, dass sie bei der Teamchef-Bestellung übergangen worden wären und man ihre Arbeit geringschätzen würde. Man schätzt ihre Arbeit eben so, wie man sie wahrnehmen kann.
Diese Wahrnehmung ausschließlich in die Hände der Medien zu legen, spricht nicht gerade für jene visionäre Gestaltungskraft, derer sich die Übergangenen gerne rühmen. Diese Wahrnehmung spricht für Marcel Koller.
Ein Kommentar von Thomas Muck und Conrad Kleiner
18.10.2011