Thomas Tybl: Das große Interview zum Rücktritt

 Bowling, Thomas Tyble

„Schock“ bei den Österreichischen Staatsmeisterschaften Teams – Thomas Tybl erklärt seinen Rücktritt vom aktiven Sport. Sportreport bat den 38-jährigen zum Interview.

Einer der berühmtesten österreichischen Bowlingspieler hat vor kurzem im zarten Alter von 38 Jahren das Ende seiner aktiven Bowlingkarriere verkündet. Zum Vergleich: der älteste Bowlingspieler Österreichs, Anton Czech, ist 93 – warum gehst du 55 Jahre vorm Toni in Pension?
Thomas Tybl: Ganz einfach! Ich strebte immer nach dem Besten. Im Prinzip wollte ich aus mir immer das Beste herausholen. Ich für mich kann aber das Beste nicht aus mir herausholen, wenn ich weiß, ich stehe auf der Bahn und merke, das was ich gebe ist zwar recht nett und das soll auch reichen für Österreich, aber es ist nicht die Erfüllung. Ich sehe meinen Job dort, wo Hilfe gebraucht wird. Und Österreich braucht meine Hilfe nicht in der Form, dass ich Bowling spiele, sondern dort wo ich meine Hebel ansetzen kann, wo ich Ideen weitergeben kann, damit Österreich gesamt im Bowlingsport besser wird. Prinzipiell habe ich den Entschluss gefasst, nicht auf einem Niveau zu spielen, der den von mir angestrebten Level bei weitem nicht erreicht, weil es meine Hand nicht mehr zulässt.

Wirst Du trotzdem dem Bowlingsport erhalten bleiben und wenn ja, in welchen Funktionen?
Thomas Tybl: Also ich hasse das Wort Hallenmanager, auch das Wort Betriebsleiter, ich bin ein Teil des Plus Bowling Centers und möchte Ideen, die in mir gereift sind, einfließen lassen. Wir wollen ab September einige völlig neue Projekte starten. Wir wollen eine Trainingshalle werden, in der mit Videotraining und Seminaren den Spielern etwas weitergegeben wird. Ich möchte den Leuten das mitgeben, was ich über Bowling weiß, und ich glaube, dass viele Leute das nutzen werden – was ich persönlich sehr schön finden würde – denn viele Leute wollen wissen, wie´s wirklich geht.

Können wir von Deiner Seite mit Unterstützung für das Nationalteam rechnen?
Thomas Tybl: Das ist nicht meine Entscheidung!

Von Deiner Seite besteht Bereitschaft?
Thomas Tybl: Ich habe immer gesagt, ich unterstütze Österreich, so viel ich kann und werde das auch immer tun. Aber ich habe jetzt einen Level erreicht, auf dem ich mein Wissen und Können nicht verschenke. Aber ich glaube, dass ich mich mit den Verantwortlichen des ÖSKB einigen werde und sich eine Funktion finden wird.

Wie bist Du eigentlich zum Bowlingsport gekommen?
Thomas Tybl: Das ist eine völlig abstruse Geschichte. Mein Vater – die meisten Bowlingspieler haben noch nie von ihm gehört, bis auf einige der Senioren, die heute noch spielen, kennt ihn eigentlich keiner mehr – war damals einer der besten Bowlingspieler Österreichs. Ich habe Fußball gespielt und eigentlich auch recht erfolgreich – (grinst) ich weiß, man sieht es mir heute nicht mehr an….

Ich habe mich immer fürchterlich aufgeregt über eigenartige Verbands- oder Vereinsentscheidungen und mein Vater meinte dazu nur „sei froh, dass Du Fußball spielst, beim Bowling ist es noch viel schlimmer“. Das war eines der prägenden Gespräche mit meinem Vater. Ich war damals Torwart, und mit 1,75 bist du nicht gerade der prädestinierte Torhüter, in der Championsleague solltest du mindestens 1,90 sein, das ist mir aber leider nicht gegeben. Und da er meinte, ich hätte Ballgefühl, hat er mir nahegelegt, ich solle Bowling spielen, wenn ich es beim Fußball nicht schaffe.

Du bist mehrfacher österreichischer Staatsmeister, du hast 2007 gemeinsam mit Thomas Gross die Europameisterschaft im Doppel gewonnen, wie war dein sportlicher Werdegang, wie hast du es geschafft, so weit zu kommen?
Thomas Tybl: Der Werdegang ist ganz einfach. Als ich begonnen habe, war ich bei den Red Crown Bowlers. Ich war immer ein Mensch, der etwas erreichen wollte, der „Geschichte schreiben“ wollte. Das war bei Red Crown nicht möglich, darum bin ich weggegangen. Ich hatte zuvor Pepi Gablek kennengelernt der schon länger meinte „komm zu uns“ und so bin ich zu Unistahl gekommen. Ich hatte von Beginn an das Gefühl, hier vieles von dem, was ich mir vorgenommen hatte, erreichen zu können. Ich habe dann einen recht unpopulären Weg beschritten, die Anzahl derer, die mich für verrückt erklärt haben, war damals noch viel größer als heute. Ich habe „die Gosch´n aufgerissen“ und habe vielen erklärt, „so geht’s ned“, habe aber selber nicht hingetroffen. Christoph, du warst selber dabei, wir sind unter anderem auf die Golden Bowling Ball Tour gefahren und hatten eine Ahnung, wie´s funktioniert hätte, aber das, was die meisten Zuhause gemacht haben, war „anders“. Und das wollten sie natürlich nicht hören. Aber ich bin meinem Weg gegangen, nach meinem Verständnis bis zum Ende und ich glaube, der Erfolg gibt mir heute recht.

Wir führen das Interview genau vor der Bahn, auf der ich erst vor kurzem meinen Rücktritt erklärt habe UND auf der ich mit meinem allerbesten Freund den Europameistertitel erringen durfte. Das war das Allergrößte, was mir in meinem Leben passiert ist. Wir sind bei dieser EM angetreten und ich habe in meiner bescheidenen Art von Anfang an gesagt: „Ich werde Europameister“! Und es ist gelungen.

Heuer haben wir wieder die Europameisterschaft im Haus, als Spieler habe ich leider keine Medaille mit der Mannschaft errungen, aber jetzt stehe ich als Betreuer mit der Mannschaft auf der Bahn und probiere es auf diese Art noch einmal.

Welche Rolle hat Josef Wiener in deiner Entwicklung gespielt? (geborener Österreicher, der nach Schweden ausgewandert ist und dort Spieler und Trainer der damals „besten Amateur-Nationalmannschaft der Welt“ war. War viele Jahre in der Welt als Profi-Trainer unterwegs, nach seiner Rückkehr nach Österreich mit ~ 70 Jahren hat er hier noch einige Jahre sein Wissen mit uns geteilt- Anmerkung des Interviewers)
Thomas Tybl: Eine enorme, ich bin überzeugt, dass Josef der beste Trainer war, mit dem ich je arbeiten durfte. Er war leider in Österreich sehr umstritten, weil er schonungslos die Wahrheit gesagt hat und seinen Kurs unbeirrt verfolgt hat. Für mich ist Josef der Trainer, der mich zu dem gemacht hat, was ich bin. Meiner Ansicht nach war er der beste Trainer, weil er einfach die Fakten als Tatsache angenommen hat. Er hat keine Rücksicht darauf genommen, ob mir heute der rechte Fuß weh tut. Er hat mir klargemacht, was ich zu tun habe und was er von mir erwartet. Leider ist er schon verstorben.

Das Ziel der meisten Bowlingspieler ist 300. Wie oft hast Du das geschafft?
Thomas Tybl: Es gibt Leute wie meinen Freund TG, der solche Statistiken führt. Laut Rekordliste sind es in Österreich 3 oder 4, bei Turnieren waren es ein paar mehr. Bei einem Turnier in Marburg hat es für 300 einen Motorroller gegeben. Ich habe 11 Strikes gemacht und ein Mitarbeiter der Halle hat mir gesagt, dass ein Vertreter der Turnierleitung dabei sein müsste. Das war um 11 Uhr vormittags. Ich habe dann das Spiel unterbrochen und gewartet, um 21 Uhr kam dann jemand von der Turnierleitung und hat mir erklärt, dass ich die 12 Strikes ohne Pause spielen müsste. Ich habe daraufhin meinen Ball genommen und den letzten Wurf gemacht – Strike. Es waren meine „längsten“ 300, bekommen habe ich den Roller aber nicht…… Ich glaube, ich bin der erste Mensch, der zwischen 11. und 12. Strike 10 Stunden Pause gemacht hat.

Wo siehst Du das österreichische Bowling derzeit und in 5 oder 10 Jahren international?
Thomas Tybl: Ich habe nicht damit gerechnet, was ich anrichte, wenn ich beginne, Bowling zu spielen. Man muss das differenziert sehen.  Man muss unterscheiden zwischen Damen und Herren. Die Herren sehe ich unter den Top 5 Nationen in Europa und unter den Top 10 der Welt. Die Damenliga – und ich sage bewusst Damenliga, auch wenn es mehrere Ligen sind – ist in meinen Augen sehr schwach. Es gewinnt oft nicht der Champion, sondern meist ist die Leistung sehr schwach, aber eine muss ja gewinnen. Aber ich glaube, dass dieses Problem in den nächsten Jahren gelöst werden wird.

Du wirst mit den Damen als Betreuer nach Tilburg (NED) zur EM fahren. Was erwartest Du Dir?
Thomas Tybl: Die EM ist die Qualifikation zur WM und die Top 15 (Nationen) fahren zur WM, wenn wir dieses Ziel nicht erreichen, habe ich als Betreuer komplett versagt. Ich habe das Team bewusst so gewählt, dass noch einige Jahre in dieser Zusammensetzung weiter gespielt werden kann. Wir werden – noch nicht in Tilburg – eine Medaille erringen, aber das wird noch ein wenig dauern.

Heuer findet ja die Herren-EM in Wien statt, was sind deine Erwartungen?
Thomas Tybl: Ich glaube, dass unsere Mannschaft das Zeug hat, eine Medaille zu erringen. Ich werde als Betreuer alles tun, um unsere Jungs in jeder notwendigen Weise zu unterstützen, dieses Ziel zu erreichen. (Anmerkung: die Herren-EM findet im Plus-Bowlingcenter von 15. – 26. August 2012 statt. Interessierte können bei freiem Eintritt den besten Bowlingspielern Europas „auf die Finger Schauen“)

Wenn morgen die gute Fee erscheinen würde, was würdest Du Dir für das österreichische Bowling wünschen?
Thomas Tybl: Respekt und Anerkennung, ich würde mir wünschen, dass jeder Bowlingspieler auf die Straße geht und jedem erzählt „Bowling ist ein supergeiler Sport“ und wenn das passiert, haben wir auch viel mehr Publikum. Ich glaube, was uns in Österreich von den großen Sportarten trennt ist das typisch österreichische „Matschkern und Raunzen“. Wenn jeder nach Hause gehen würde und herumerzählt „das war ein supergeiler Tag/Abend“ oder „das ist eine supergeile Sportart“, dann würden auch mehr Leute den Weg in die Bowlinghallen finden. Wenn 100 Leute in der Halle sind, hätte ich gerne, dass 99 lächeln! Und der eine „Nichtlächler“ bin ich, weil ich dafür sorgen muss, dass alle anderen glücklich sind.

Durch Deinen Rücktritt „musst“ Du jetzt nicht mehr trainieren und Meisterschaft spielen, was wirst Du mit der vielen freien Zeit anfangen?
Thomas Tybl: Ich habe die große Ehre, das Plus Bowling Center leiten zu dürfen. Das bedeutet für mich, ich „leite“ sie nicht selbst, wir haben einen breitgestreuten Stamm an Bowlingfreunden, die daran mitwirken. Dazu zählst auch Du, der hier immer wieder Turniere veranstaltet, es gibt die Kellner, Mechaniker, Counter – in Wahrheit wird das Center von allen geleitet, durch ihren Einsatz repräsentieren sie die Bowlinghalle gegenüber unseren Gästen. Und dann werden, wie bereits erwähnt, ab dem Spätsommer/Frühherbst hier Schulungen und Seminare stattfinden. Ich möchte mein Wissen und meine Erfahrungen weitergeben. Für mich ist Plusbowling mein Wohnzimmer und für viele andere auch und ich wünsche mir, dass sich alle hier wohlfühlen.

Neben dem Bowling ist ja deine zweite große (sportliche) Liebe Golf. Was fasziniert dich daran?
Thomas Tybl: Für mich ist Golf in erster Linie Erholung, in der freien Natur 4-5 Stunden herumzulaufen ist Entspannung pur. (lacht) Das ist die größte Lüge, die ich je erzählt habe. Es regt mich maßlos auf, dass jemand auf einem Kurs, auf dem ich +30 spiele, 2 unter Par bleibt.

(schmunzelt) Der große Unterschied ist folgender: beim Bowling ist es egal, wo ich den Ball „hinwerfe“, er kommt immer wieder zurück und im Golf muss ich ihn suchen. Das macht Bowling zum wesentlich gemütlicheren Sport. Die Leute wollen gar nicht wissen, in welch dichtem Gestrüpp ich meine Bälle schon gesucht habe. Ich bin weder körperlich noch geistig oder technisch der begnadetste Golfer und ich kann nur jedem empfehlen, statt Golf lieber Bowling spielen zu gehen, da hat man die Garantie, dass der Ball wieder auffindbar ist. Es ist nicht unterhaltsam, beim Golf einen zweiten Ball abzuschlagen, weil der erste verloren gegangen ist…

Aber jetzt mal im Ernst – weder Golf noch Bowling ist für mich eine Sportart, sondern – von einer breiten Öffentlichkeit ausgeübt – ein Spiel. Wir spielen zwar gegeneinander, was es zum Sport macht, aber es bleibt ein Spiel. Ein Spiel allerdings, bei dem in jedem Wurf/Schlag viele Emotionen frei werden, und wer diese Emotionen nicht durchlebt, ist von Sport sowieso Lichtjahre entfernt.

Das Interview führte Christoph Rohrmoser, Presserefernt des Landesverbandes Wien Bowling

22.05.2012