Felix Gall

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Zu Gast im Sky Sport Austria Talk-Format „RIESENrad – Sportgrößen im Waggon 28“ war Felix Gall, Sieger der Königsetappe der Tour de France 2023 und Österreichs Sportler des Jahres 2023.

Die besten Stimmen bei „RIESENrad – Sportgrößen im Waggon 28“

Felix Gall (Rennradprofi und Österreichs Sportler des Jahres 2023):
…über seine Verbindung zu Wien: „Meine Großeltern väterlicherseits sind aus Hollabrunn und als Kinder waren wir sehr oft in Wien. Das hat uns immer sehr Spaß gemacht. Papa hat uns immer in die Museen mitgenommen. Die Stadt hat sehr viel zu bieten.“

…über seinen Weg zum Radsport: „Ich habe viele Sportarten in meiner Kindheit ausprobiert. Da war man aber maximal zwei oder dreimal die Woche im Training ohne die größte intrinsische Motivation. Der Triathlon war dann der erste Sport, bei dem ich wirklich hundert Prozent geben wollte. Darüber habe ich das Radfahren für mich entdeckt. Als Triathlet habe ich mich auf das Radfahren konzentriert, aber eher rein aus der Freude. Ich habe dann entdeckt, dass ich dafür Talent habe. Damit hatte ich das Ziel vor Augen, Profi zu werden.“

…über seinen ersten Erfolg (Juniorenweltmeister 2015): „Rückblickend war es ein Schlüsselmoment. Es hat meine Karriere entscheidend beschleunigt. Ich bin von den Junioren direkt in das Nachwuchsteam von einem Profiteam gekommen, wo ich in professionellen Strukturen habe arbeiten können. Es war ausschlaggebend dafür, dass ich diese Chance überhaupt gekriegt habe. Dort habe ich sehr viel gelernt.“

…über die Zeit von 2015 bis 2023: „Die zwei Jahre als Junior war ich ganz vorne mit dabei. Dann bin ich in die U-23 gekommen und dort fährst du mit Profis. Jeder hat eine andere Entwicklungsgeschwindigkeit. Plötzlich gewinnen Kollegen im Profibereich gegen mich, die ich noch vor ein paar Jahren bei den Junioren geschlagen habe. Das Problem ist, dass ich angefangen habe, mich mit denen zu vergleichen, warum ich da vorne nicht mitgefahren bin. Ich habe das Gefühl gehabt, dass ich keine Fortschritte mehr gemacht habe. Ich bin gesundheitlich auch nicht sehr stabil gewesen. Es ist schwierig zu sagen, warum es dann mit dem neuen Team sehr gut funktioniert hat. Vor dem Teamwechsel habe ich gesagt, ich schaue mir das einmal an und möchte es noch einmal probieren. Wenn ich nicht die Fortschritte mache, wie ich sie mir vorstelle, dann macht das für mich keinen Sinn und keinen Spaß. Wenn ich Radprofi bin, dann möchte ich schon vorne mitfahren und nicht Hundertster werden.“

…über seinen Teamwechsel 2022 zu Decathlon (vormals Citroen): „Ich habe null Selbstvertrauen gehabt, als ich zu ihnen gekommen bin. Sie haben in mir etwas gesehen, an das ich nicht mehr geglaubt habe. Sie haben mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben. Ich habe meinen Freiraum gekriegt. Mit meinem Trainer verstehe ich mich blind und er setzt sich für mich ein. So habe ich mich langsam von Rennen zu Rennen hochgearbeitet. Das Selbstvertrauen kommt nicht über Nacht. Und gesundheitlich bin ich stabiler geworden. Ich bin seit zehn Jahren am Radeln und da passieren auch Dinge im Körper, sodass man mit den Belastungen besser umgehen kann.“

…über seine Erfolgsgeschichte nach dem Teamwechsel (Erster Etappensieg bei der Tour de Suisse und Etappensieg bei der Tour de France): „Das kam sehr überraschend. Ich habe schon gewusst, dass ich fit bin. Zur Tour de Suisse bin ich gefahren, ohne großen Druck zu haben. Da habe ich gemerkt, dass das Trainingslager zur Vorbereitung ganz viel bewegt hatte. Ich war noch nie so gut. Aber die Tour de France ist ein anderes Level. Es ist das mit Abstand größte Rennen, ein bisschen mythisch. Jeder ist in Topform am Start und hört viele Geschichten. Man hat fast ein bisschen Angst davor, wie schnell das ist und wie stressig die Positionskämpfe sind. Ich bin da gut reingekommen und war einer der besten am Berg.“

…über seinen Sieg in der Königsetappe: „Ich habe mich von Anfang an sehr gut gefühlt. Ich habe am Bus dorthin gesagt, ich fühle mich zu entspannt und zu gut. Ein Kollege hat gesagt, wenn man das in der dritten Woche der Tour sagen kann, ist es ein sehr gutes Zeichen. Ich habe mich auf das Rad gesetzt und sofort gemerkt, dass es ein sehr guter Tag ist. Es gab ein extrem hohes Tempo. Ich wollte rausfinden, was an dem Tag möglich ist und habe attackiert. Es war ein Kampf auf einer extrem steilen Rampe. Ich habe gewusst, dass man nicht viel schneller fahren kann und habe es so bis zum höchsten Punkt geschafft. Man hat dabei 70 oder 80 km/h. Vor der Abfahrt hatte ich sehr großen Respekt. Da habe ich in der Vergangenheit manchmal die Lockerheit vermissen lassen. Wenn ich die zwanzig Sekunden in der Abfahrt hergegeben hätte, hätte ich das Radfahren sein lassen müssen und meine Karriere beenden. Ich habe es erst realisiert, als ich über die Ziellinie gefahren bin. Es war überwältigend. Die Teammanager und alle kamen und haben im Ziel zusammen geweint.“

…auf die Frage, ob er beim Sieg realisiert habe, dass sich alles ändern würde: „In dem Moment habe ich es nicht realisiert. Man merkt, dass man, wenn man danach zu einem Rennen kommt, sich leichter im Feld bewegen kann. Die sagen sich dann, der ist gut am Berg und der hat auch das Recht, vorne zu fahren. Das ist anders, als wenn man ein No-Name ist.“

…über die Hierarchie in der Radfahr-Community: „Ich tue mich etwas schwer damit. Auf dem Rad ist es okay, ein Egoist zu sein und seine Interessen zu vertreten. Man muss aufpassen, dass man dabei nicht rücksichtslos wird. Bei mir ist die Gefahr, dass ich manchmal zu nett bin. Es ist sehr viel Stress und auch nicht ungefährlich. Es wird rumgebrüllt und man darf sich nicht einschüchtern lassen. Es sind Spielchen, die da gespielt werden.“

…über den Stress im Sport: „Wenn man sich mehrere Monate auf einen sportlichen Höhepunkt vorbereitet, ist man in Topform und sehr fokussiert. Es gelingt mir dann sehr gut, das alles auszublenden. Schwieriger ist es, wenn man zu einem Rennen fährt, bei dem man in guter, aber nicht in Topform ist. Da denke ich zu viel nach, selbst wenn ich einen guten Tag habe. Es muss ein gewisser Druck da sein, dass ich über den Punkt drüber gehen kann. Dann kann ich die Gefahren ausblenden.“

…über die Strapazen in der Tour de France: „Das Spezielle an diesen Rennen ist, dass sie drei Wochen lang sind. Da entwickelt sich eine Ermüdung, die man so aus dem Training nicht kennt. Das ist die größte Herausforderung, sich dann trotzdem auf das Rad zu setzen und wieder hundert Prozent abzurufen. Wir verbrauchen da 5000-7000 Kalorien am Tag. Man isst von früh morgens bis spät abends. Irgendwann steht dir das Essen bis obenhin. Du musst dich zwingen, genug zu essen.“

…über Doping im Radsport: „Der Radsport ist auf einem sehr guten Weg. Die Zeiten der Skandale sind vergangen. In meinen Anfangsjahren habe ich noch viele Geschichten gehört und mich gefragt, was da dran ist wie weit man kommt, wenn man nicht dopt. Ich habe das nie in Erwägung gezogen. Früher oder später kommt alles ans Licht. Ich weiß, wenn ich in Topform bin, kann ich bei den größten Rennen gewinnen. Ich weiß auch, dass diese Erfolge auch in zwanzig Jahren noch mit meinem Namen da stehen werden. Schwarze Schafe gibt es immer.“

…über seine Ziele nach dem Erfolg bei der Tour de France: „Die Tour de France ist das wichtigste Rennen. Wenn man da gewinnt, verändert das die Karriere. Da will jeder abliefern. Erfolg ist nicht immer planbar. Man kann zweimal die gleichen Dinge machen und ein anderes Ergebnis haben. Wir schauen jetzt, was wir besser machen können. Nächstes Jahr wird die Tour de France wieder ein großer Höhepunkt sein. Ich will mich noch mehr in meine Rennplanung einbringen und auch bei kleineren Rennen voll konzentrieren und nicht nur hundert Prozent bei der Tour de France geben.“

…über die Teamarbeit im Radsport: „Es gibt fixe Rollen im Team. Du bist auch mal Helfer auf ein paar Etappen. Es ist ein Geben und Nehmen. Es macht Spaß, den Teamkollegen zu helfen. In drei Wochen passiert sehr viel. Man muss jeden Tag die Situation neu bewerten, ob ich die ganze Zeit meinen Teamkollegen unterstützen oder mein eigenes Rennen fahren soll. Es kommt auch darauf an, was im Vorfeld ausgemacht wurde. Wenn dann etwas anderes verlangt wird, finde ich das schwierig. Aber deshalb spricht man ja miteinander.“

…über seine Leidenschaft zum Golf: „Es hat einen Suchtfaktor. Ich bin sehr froh, dass ich damit angefangen habe. Dort habe ich Freunde kennengelernt, die nichts mit dem Radfahren am Hut haben. Das Golfen an sich, das Spazieren am Platz, das Konzentrieren sind ein perfekter Ausgleich zum Radfahren.“

…über Beziehungen im Profisport: „Ich bin über zweihundert Tage im Jahr unterwegs. Das ist schwierig. Die Partnerin muss dafür sehr verständnisvoll sein. Aber ich bin glücklich.“

…auf die Frage, was sein Tipp für die Karriere im Radsport sei: „Als Junger sollte man sich nicht zu sehr auf das Rennrad versteifen. Man sollte ein bisschen laufen oder schwimmen gehen und einfach Spaß an der Sache haben. Heutzutage wird man immer früher Profi. Man kann sich sehr unsicher über die eigenen Fähigkeiten sein. Es bringt nichts, wenn man sich zu sehr unter Druck setzt. Über die Lockerheit kommen die Erfolge. Jeder ist am Leiden und hat seine Kämpfe mit sich selbst. Durch die Konstanz über die Jahre ist es für jeden möglich.“

Medieninfo Sky Österreich

04.11.2024