Seit mittlerweile dreizehn Jahren ist die Punkteregelung das Maß der Transferregelungen im heimischen Eishockey. Als sie 2007 als „Salary Cap Light“ eingeführt worden war, wurde sie viel diskutiert und kritisiert – etwas, was sich bis heute nicht geändert hat.
Trotz einiger Änderungen blieb das grundsätzliche Konzept immer das selbe: Jedem Spieler, der in der Liga einen Vertrag unterschreibt, wird ein bestimmter Punktewert zugeordnet. Die Summe aller Punktewerte der bei einem Verein im Kader stehenden Spieler darf dann nicht die festgelegte Obergrenze überschreiten. Die Zuordnung geschieht seit einiger Zeit mittels einer Formel, die für einheimische Spieler anhand mehrerer Parameter den jeweiligen Punktewert errechnet. Für U24-Spieler, Legionäre und Torhüter wurden fixe Werte festgesetzt.
Die Idee hinter der Einführung war ursprünglich, die Ausgeglichenheit der Liga zu fördern und zu verhindern, dass größere, meist finanzstärkere Vereine die besten österreichischen Spieler sowie hochkarätige Legionäre en masse verpflichten konnten, während kleinere Teams, denen geringere Finanzmittel zur Verfügung standen, mit den verbliebenen Athleten Vorlieb nehmen mussten.
Hatte die Einführung der Punkteregelung also eine kompetitivere Liga zur Folge? Mitnichten …
In den zwölf Saisonen seit der Einführung konnten nur fünf Mannschaften den Meisterpokal stemmen. Allen voran Salzburg (5) und der KAC (3), gefolgt von Bozen (2) sowie den Vienna Capitals (1) und den Black Wings aus Linz (1). Nur ganze zweimal konnte hierbei ein Team, das den Grunddurchgang nicht unter den Top-4 beenden konnte, das Finale für sich entscheiden – 2012/13 der KAC als Fünfter; 2017/18 Bozen als Neunter (Qualifikation über die Pick Round)
Von den neun anderen Teams, die zumindest zeitweise Teil der Liga waren, schafften es nur Znaim und Laibach überhaupt ins Finale – und auch das nur jeweils einmal. Die tschechischen Adler haben sonst nur Viertelfinalausscheidungen vorzuweisen, die slowenischen Drachen konnten abseits ihres Finaleinzugs nur jeweils einmal ins Halbfinale sowie ins Viertelfinale vordringen. Abseits der beiden Ex-Teilnehmer schafften nur der VSV (3) und die 99ers (1) den Sprung aus der ersten Playoffrunde.
In den vergangenen Jahren wurde zudem immer wieder diskutiert, wie eine Legionärsobergrenze auszusehen hat. Doch auch diese schrammt am eigentlichen Ziel vorbei. Zwar haben so tendenziell mehr österreichische Spieler eine Chance, ihr Können in der Liga unter Beweis zu stellen, ein Abwandern der besten Cracks von den „kleinen“ Teams wie Innsbruck, Dornbirn und Graz zu den „großen“ Titelaspiranten – allen voran Salzburg, der KAC und Wien – wird damit aber nicht verhindert, wenn nicht sogar eher gefördert.
Nun stellt sich die Frage: Welche Alternativen gibt es? Werfen wir dazu einen Blick in andere europäische Ligen:
In der DEL gibt es eine strikte Legionärslimitierung. Pro Spiel dürfen maximal neun nicht-deutsche Spieler im Kader stehen, heißt also mehr Deutsche dürfen in der DEL auflaufen. Dies hatte jedoch zwei fatale Effekte zur Folge. Einerseits wurden wesentlich mehr Spieler als zuvor eingebürgert, um so die Regelung zu umgehen. Andererseits sind die Gehälter für deutsche Spieler deutlich angestiegen, was es finanzschwächeren Teams wie Straubing und Schwenningen schwer macht, konkurrenzfähig zu bleiben. Die selbe Auswirkung würde wohl auch die IceHL treffen und das Zwei-Klassen-Eishockey sogar noch fördern.
Einen ganz anderen Ansatz, der jedoch ähnlich viele Schlupflöcher bietet, gibt es in der tschechischen Republik die Marschrichtung vor. Hier muss pro Spiel eine gewisse Anzahl an Jugendspielern auf dem Spielbericht stehen. Großes Manko: es besteht keine Pflicht, diese Spieler auch tatsächlich einzusetzen, und so vergammeln Youngsters oftmals auf der Wechselbank ihrer Teams.
Ganz ohne Importbeschränkung kommen die Top-Ligen SHL und Liiga aus. In Schweden und Finnland wollte man so auf den stetigen Abgang junger Spieler nach Nordamerika reagieren. Dabei muss jedoch aufgezeigt werden, dass in den nordischen Top-4-Nationen (Stand: 3.9.2020) ganz andere Voraussetzungen herrschen: aufgrund des schier unendlichen Nachwuchspools blieb die befürchtete Überschwemmung der Ligen durch Legionäre aus. In Österreich ist so eine (Nicht-)Regulierung aufgrund der prekären Nachwuchssituation undenkbar.
Es kann also getrost gesagt werden, dass die Lösung diesmal wohl eher nicht im Ausland zu suchen ist. Viel eher könnte man sich die existierende Punktregelung zu Nutze machen und sie zu Gunsten von Nachwuchs und Ausgeglichenheit adaptieren.
Hierzu müssen Anreize geschafft werden, Eigenbauspieler früh in der Liga einzusetzen und diese langfristig zu halten. So müssen auch die größeren Vereine (mehr) auf ihren Nachwuchs schauen und können nicht blind alle guten österreichischen Spieler verpflichten.
Doch wie soll die Punkteregelung das bewerkstelligen? Die Antwort ist: durch Punktereduktion.
Die Idee hierbei ist, dass weiterhin jedem Spieler aufgrund von Alter, Nationalität und Nationalteamerfahrung ein bestimmter Wert zugewiesen wird. Die Summe aller Punktewerte darf dann wie gehabt einen gewissen Grenzwert nicht überschreiten. Die große Änderung liegt dabei in der Jugendausbildung. Teams können durch den Einsatz ihrer Nachwuchsspieler (ausschlaggebend ist hier die gesammelte Eiszeit) eine Punktereduktion für diese erwirken, was sie im Laufe ihrer Karriere für ihren Stammverein „billiger“ macht.
Konkret werden die Spieler zunächst in folgende Kategorien eingeteilt:
U23-Spieler (jede Nationalität) > 0 Punkte
U26-Spieler (EBEL-Nationalität) > 1 Punkt
Ü25-Spieler (eigene Nationalität*) > 1,5 Punkte
Ü25-Spieler (andere EBEL-Nationalität**) > 2 Punkte
[Ü22-Spieler (nicht EBEL-, aber EU-Nationalität***) > 3,5 Punkte]
Ü22-Spieler (nicht EBEL-Nationalität) > 4 Punkte
Nationalteamspieler innerhalb der vergangenen 3 Jahre > +1,5 Punkte
Der Stichtag für die Einteilung in die Altersklassen und die Zählung der Nationalteameinsätze könnte am 1. September gesetzt werden. Bei Doppelstaatsbürgerschaften ist entweder das Nationalteam oder das Geburtsland ausschlaggebend. Die Obergrenze pro Spiel könnte sich auf 57,5 Punkte belaufen.
Wie kommen Spieler also zur Reduktion ihres Punktewerts:
– Spieler in der Kategorie U26 müssen vorweisen, dass sie als U23-Spieler in mindestens drei Saisonen auf jeweils 150 Minuten Eiszeit gekommen sind
– Spieler in der Kategorie Ü25 müssen vorweisen, dass sie als U23- & U25-Spieler in mindestens fünf Saisonen auf jeweils 150 Minuten Eiszeit gekommen sind
– Spieler in der Kategorie Ü22 müssen vorweisen, dass sie als U23-Spieler in mindestens vier Saisonen auf jeweils 150 Minuten Eiszeit gekommen sind
– Torhüter müssen pro Saison jeweils zehn Spiele vorweisen, in denen sie als Starting-Netminder mindestens 40 Minuten am Eis standen
Der Spielerwert wird dann stets um 0,5 Punkte reduziert.
Wie das System sich in der Praxis auswirkt, wollen wir anhand des Kaders der Vienna Capitals aus der Saison 2019/20**** beobachten. Da die Liga bisher leider keine adäquaten Eiszeitmessungen zur Verfügung gestellt hat, nehmen wir als Richtwert für eine Punktereduktion fünfzehn Spiele pro Saison an:
Torhüter:
Ryan Zapolski (32 Jahre/Nationalität: USA) – Ü22/USA + Nationalteamspieler > 5,5 Punkte
Bernhard Starkbaum (33/AUT) – Ü25/AUT + Nationalteamspieler > 3,5 Punkte
Verteidigung:
Lucas Birnbaum (22/AUT) U23/AUT > 0 PunkteMarc-André Dorion (32/CAN) – Ü22/CAN > 4 Punkte
Mario Fischer (30/AUT) – Ü25/AUT + Nationalteamspieler > 3,5 Punkte
Mark Flood (34/CAN) – Ü22/CAN + Nationalteamspieler > 5,5 Punkte
Dominic Hackl (22/AUT) – U23/AUT + Nationalteamspieler > 1,5 Punkte (als U26-Spieler erhalten die Vienna Capitals für Hackl eine Punktereduktion)
Brenden Kichton (27/CAN) – Ü22/CAN > 4 Punkte
Patrick Peter (25/AUT) – U26/AUT + Nationalteamspieler > 2,5 Punkte > als U23-Spieler mind. 3 Saisonen mit jeweils mind. 15 Spielen > 2 Punkte (als Ü25-Spieler erhalten die Vienna Capitals für Peter eine Punktereduktion)
Alex Wall (28/CAN) – Ü22/CAN > 4 Punkte
Angriff:
Sascha Bauer (24/AUT) – U26/AUT > 1 Punkt > als U23-Spieler mind. 3 Saisonen mit jeweils mind. 15 Spielen > 0,5 Punkte
Kyle Baun (27/CAN) – Ü22/CAN > 4 Punkte
Julian Grosslercher (26/AUT) – Ü25/AUT > 1,5 Punkte
Niki Hartl (27/AUT) – Ü25/AUT + Nationalteamspieler > 3,5 Punkte
Riley Holzapfel (31/CAN) – Ü22/CAN > 4 Punkte
Patrik Kittinger (23/AUT) – U26/AUT > 1 Punkt
Ty Loney (27/USA) – Ü22/USA > 4 Punkte
Sondre Olden (27/NOR) – Ü22/NOR + Nationalteamspieler > 5,5 Punkte
Rafael Rotter (32/AUT) – Ü25/AUT + Nationalteamspieler > 3,5 Punkte
Taylor Vause (27/CAN) – Ü22/CAN > 4 Punkte
Ali Wukovits (23/AUT) – U26/AUT + Nationalteamspieler > 2,5 Punkte > als U23-Spieler mind. 3 Saisonen mit jeweils mind. 15 Spielen > 2 Punkte
Mike Zalewski (27/USA) – Ü22/USA > 4 Punkte
Gesamt: 71 von 57,5 erlaubten Punkten
Die Capitals wären damit in der vergangenen Saison deutlich über der Obergrenze gewesen, hätten auf jeden Fall zwei Legionäre pro Spiel nicht einsetzen können.
Dass es nicht die perfekte Lösung auf eine Frage gibt, für die es in jedem Land eine eigene Antwort zu geben scheint, ist wohl klar. Doch die Punkteregelung kann – wenn entsprechend eingesetzt – ein sehr gutes Mittel sein, um sowohl den österreichischen Nachwuchs zu fördern als auch gegen das Zwei-Klassen-Eishockey der Liga anzugehen. Nur wenn es attraktiv genug ist, mehr Österreicher und vor allem mehr Spieler aus der eigenen Akademie einzusetzen, können auch die kleineren Teams ihre Stars halten. Eine Limitierung der Importspieler kann bei Bedarf jederzeit hinzugefügt werden, um die größeren Vereine daran zu hindern, den Markt vor der Konkurrenz leer zu räumen. Zudem würde dies wohl auch dazu führen, dass es für andere Teams attraktiver wird, sich der IceHL anzuschließen, da sie nicht mehr befürchten müssen, sich aufgrund des Leistungsdrucks in den finanziellen Ruin wirtschaften zu müssen oder aufgrund mangelnder finanzieller Mittel weit abgeschlagen am Ende der Tabelle zu stehen.
für Sportreport: Lukas Hörmandinger
*für Fehérvár ungarisch, für Bozen italienisch, für Bratislava slowakisch
**für österreichische Vereine ungarisch, italienisch und slowakisch
***nur wenn in EU-Recht entsprechend verankert
****das Spieleralter wurde für den 1. September 2019 errechnet
03.09.2020