Harvard-Betriebswirt Jeremy Lin mischt die NBA auf

Aus der Versenkung zum Shooting-Star: Noch vor wenigen Tagen wollte kein NBA-Team den 23-jährigen Reservisten verpflichten. Golden State kickte ihn aus dem Kader, die Houston Rockets schoben ihn an die New York Knicks ab. Doch am Freitag spielte Lin einen gewissen Kobe Bryant an die Wand und führte die Knicks mit 38 Punkten und 7 Assists zum Sieg gegen die LA Lakers.
Lin ist auf dem besten Weg, zum nächsten Superstar der US-Basketballliga zu werden. Dabei steht der 1,91 Meter große Point Guard erst seit zwei Wochen in der Startaufstellung der New Yorker.
Denn auch die Knicks wussten zu Beginn wenig mit Lin anzufangen. Sie schoben ihn gar zu den Erie BayHawks – ihr Farmteam in der NBA-Entwicklungsliga – ab. Erst nachdem er in einem Spiel gegen die Maine Red Claws 28 Punkte, 12 Assists und 11 Rebounds erzielte, holten ihn die Knicks wieder in ihr NBA-Team zurück. Seitdem ist Lin auf dem Weg zum Publikumsliebling: 25 Punkte gegen die Nets, 28 gegen Jazz, 23 gegen die Wizards. Am Freitag spielte er sich schließlich ins Rampenlicht der ganzen Nation: 38 Punkte gegen die Superstars der Lakers – wer ist dieser Typ?
Fehlstart
Die Karriere Lins begann wenig vielversprechend. Nach dem Abschlus der High School in Palo Alto (Kalifornien) bewarb sich der der damals 17-Jährige um ein Sport-Stipendium bei den Universitäten. Doch die meisten lehnten ihn ab. Lin landete schließlich auf der Elite-Uni Harvard (Massachusetts). Das Problem: Harvard bietet keine Sport-Stipendien an, das Basketball-Team spielt nur in der Ivy-League. Die Liga genießt bei NBA-Scouts keinen hohen Stellenwert – die Absolventen aus Princeton, Yale oder Harvard gelten zwar gemeinhin als „Elite“ und spielen auch ein bisschen Basketball, aber zur Profi-Karriere reicht es bei weitem nicht.
Belächelt
Lin biss sich durch, machte seinen Abschluss in Betriebswirtschaft und stellte nebenbei neue Rekorde in der Ivy-League auf. Ihm gelangen mehr Punkte, Assists, Rebounds und Steals als je einem Ivy-Spieler zuvor. Trotzdem zeigte ihm die NBA 2010 die kalte Schulter, nahm den Rekord-Mann aus der belächelten Liga nicht in den Draft auf. Lin musste wieder den harten Weg gehen, spielte bei acht verschiedenen NBA-Teams vor.
Durchbruch
Schließlich erbarmten sich die Dallas Mavericks und ließen den jungen Mann in der NBA Summer League zeigen, was er kann. Ein kleiner Durchbruch. Denn kurz darauf bot ihm ausgerechnet sein Lieblingsteam – die Golden State Warriors – einen Vertrag an. Lin nahm sofort an. Er hatte es geschafft – er war Basketball-Profi, spielte seine erste Saison in der NBA!
Traumstart
Doch im Dezember 2011 setzten die Warriors Lin auf die Transferliste, um statt ihm DeAndre Jordan zu verpflichten. Kurz vor Jahresende kam Lin bei den New York Knicks unter – ursprünglich als Kader-Ergänzung, als Ersatz für einen Ersatzmann. Jetzt ist der Ersatzmann auf dem Weg zum nächsten Superstar.
Video:Highlights von Jeremy Lin für die Knicks
Conrad Kleiner
11.02.2012